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       # taz.de -- Oligarchen schließen Sender: Plötzliches Aus von griechischem Attica TV
       
       > Der TV-Sender Attica TV aus Griechenland wird abrupt eingestellt. Ein
       > Lehrstück darüber, wieso es im Land mit der Pressefreiheit weiter bergab
       > geht.
       
   IMG Bild: Kein Signal mehr für Attica TV. Graffiti in Athen
       
       Athen taz | Es traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die gut 70
       Mitarbeiter – Journalisten, Techniker und sonstiges Personal – ereilte die
       Hiobsbotschaft zuerst über die Athener Zeitung Parapolitika. Am 26. Mai lud
       sie der Direktor des privaten Athener Fernsehsenders „Attica TV“ zu
       Einzelgesprächen, um ihnen lapidar die sofortige Schließung des Senders
       mitzuteilen. Von Angesicht zu Angesicht machte er ihnen ein Angebot, wie
       die taz erfuhr: Wer freiwillig ausscheidet, der streicht eine Abfindung von
       zwei Nettogehältern ein.
       
       Ein plötzlicher Tod. Und einer, der nicht aus ökonomischen Gründen erfolgt
       sein kann. Denn „Attica TV“, seit Anfang 2023 in Betrieb, kam mit einem
       Mini-Budget aus. Niedrige Gehälter – um die 1.000 Euro netto pro Monat -,
       keinerlei aufwändige Produktionen, dafür tagesaktuelle Polit-Talkshows,
       Interviews, Recherchen, Kommentare sowie Nachrichten: kostenbewusster ging
       es wirklich nicht.
       
       Der Begründung der Betreiberfirma „Wide Media“, „Attica TV“ zu schließen,
       weil angeblich die Verhandlungen mit dem Eigentümer der Frequenz, der im
       Großraum Athen gelegenen Gemeinde Aspropyrgos, gescheitert seien, kann man
       kaum Glauben schenken.
       
       Wie ihr Bürgermeister Jannis Ilias auf Anfrage des Athener Blatts Efsyn
       dazu erklärte, habe ihm „Wide Media“ für den künftigen Sendebetrieb
       mündlich läppische 5.000 Euro pro Monat geboten. Schon der bisherige Preis
       von 20.000 Euro im Monat war ein wahres Schnäppchen. Die äußerst
       finanzstarken Eigentümer von „Wide Media“, die Geschäftsleute Dimitris
       Bakos, Jannis Kaimenakis sowie Alexandros Exarchou, bezahlten ihn aus der
       Portokasse. Dem Griechen-Trio gehören weltweit 132 Firmen unter anderem in
       der Baubranche, der Schifffahrt sowie dem Finanz- und Energiesektor.
       
       „Attica TV“ sendete aus einem eher unscheinbaren Gebäude im nördlichen
       Athener Vorort Maroussi, so wie es der ebenfalls dem unzertrennlichen Trio
       gehörende Sender „Action 24“ weiter tut. Nur: Während „Action 24“ – von
       seinen Eigentümern von Anfang an mit erheblich mehr Geld ausgestattet – der
       konservativen Regierung [1][unter Premier Kyriakos Mitsotakis nahesteht],
       sparten die meist linken Attica-Journalisten on air nicht mit fundierter
       Kritik an ihr, ohne indes in einen schnöden Populismus abzudriften.
       Genügend Nahrung gab ihr die skandalträchtige Regierung Mitsotakis. Und
       siehe da: Nicht „Action 24“, sondern die arme Kirchenmaus „Attica TV“ stieß
       beim Publikum auf ein zunehmendes Interesse.
       
       ## „Mediengeiselnahmen“
       
       Medien sein Eigen zu nennen, ist hierzulande zwar kein einträgliches
       Geschäft. Das schreckt umtriebige Hellas-Oligarchen jedoch nicht im
       Geringsten davon ab, sich im darbenden Medienmarkt stark zu engagieren.
       Experten zufolge gehe es ihnen maßgeblich darum, Einfluss auf jene Parteien
       zu nehmen, die die Regierung in Athen stellen oder aus ihrer Sicht am
       liebsten stellen sollen.
       
       Dies bestätigt ein vom [2][Wiener International Press Institute (IPI)
       kürzlich veröffentlichter 31-seitiger Sonderbericht über Hellas'
       Medienlandschaft]. Sie sei, so die IPI-Studie, durch eine hohe
       Konzentration in den Händen wohlhabender Unternehmer mit engen Verbindungen
       zur Politik gekennzeichnet, vor allem zur konservativen Regierungspartei
       Nea Dimokratia. Trotz der Medienfülle sei der tatsächliche Pluralismus
       schwach, wozu das Fehlen einer wirksamen Medienregulierung beitrage. Hellas
       sei daher besonders anfällig für „Mediengeiselnahmen“.
       
       Die Beobachter sind sich einig: Im Würgegriff der Oligarchen ist eine
       unabhängige, kritische Berichterstattung der Oligarchen-Medien kaum zu
       erwarten. Pikante, brisante oder skandalöse Sachverhalte mit Polit-Bezug
       werden erst gar nicht recherchiert, geschweige denn produziert. Das abrupte
       Aus von „Attica TV“ ist ein eindrückliches Lehrstück darüber, wieso Hellas
       in der [3][Weltrangliste 2025 der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen
       den blamablen Platz 89 beleg]t und so im vierten Jahr in Folge in der EU
       abgeschlagen Letzter ist.
       
       5 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Massenproteste-in-Griechenland/!6063583
   DIR [2] https://ipi.media/publications/media-capture-monitoring-report-greece/
   DIR [3] /Pressefreiheit-in-Griechenland/!6084469
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ferry Batzoglou
       
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