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       # taz.de -- Union-Boss Zingler und der Frauenfußball: Eisern geschichtsvergessen
       
       > Union-Boss Dirk Zingler maßregelt deutsche Klubs wegen fehlender
       > Unterstützung ihrer Fußballerinnen. Eine schnelle Wende.
       
   IMG Bild: Jetzt auf den Dreh mit dem Frauenfußball gekommen: Dirk Zingler (rechts), daneben Pressesprecher Christian Arbeit
       
       Dirk Zingler hat sich wieder markig geäußert. Der große Zampano von Union
       Berlin, der sich gern in Hoeneß’scher Manier [1][als Stimme des einfachen
       Mannes zu deutschen Zuständen auslässt], dozierte diesmal in klubeigener
       Sache. Nämlich zur mangelnden Unterstützung für den Frauenfußball. „Jeder
       Profifußballverein […] ist in der Lage, [2][seine weibliche Mannschaft
       angemessen zu bezahlen]“, so Zingler.
       
       Dass es kaum Vollprofiteams gebe, sei „ein jämmerliches Armutszeugnis für
       Deutschland“. Man müsse Frauenfußball angemessen präsentieren und „nicht
       als Behindertensportart behandeln“. Als Vorreiter sieht er da den eigenen
       Klub: „Wir werden sie ein bisschen vor uns herjagen. Aber nicht aus
       ideologischen Gründen. Es ist einfach richtig.“
       
       Zingler hat zunächst mit seiner Analyse weitgehend recht. Und es ist
       wichtig, dass ein Verantwortlicher so klar kritisiert. Zwar [3][steigen die
       Investitionen], aber für die meisten Klubs und Sportmedien fallen die
       Frauenabteilungen ideologisch unter Charity. Zinglers Forderungen
       entsprechen dem langjährigen Konsens unter Expert:innen – zumindest,
       wenn man das neoliberale Wachstumsmodell mit Drill, Auslese, Vollprofitum
       und Superreichtum anstrebt. Dieser Irrweg gilt in der Branche längst als
       alternativlos.
       
       Folgt man der Systemlogik, hat Union zuletzt tatsächlich irre viele Dinge
       richtig gemacht. Der Klub hat gezielt und langfristig investiert. Er hat
       seine Frauenabteilung zur Saison 2023/24 voll professionalisiert und damit
       die Basis [4][für einen beeindruckenden Durchmarsch] von der dritten in die
       erste Liga gelegt. Er hat mit Geschäftsführerin Jennifer Zietz und
       Trainerin Ailien Poese zwei wirklich renommierte Berliner Expertinnen
       (wieder)gewonnen. Und er bietet seinen Frauen konsequent die große Bühne in
       der Alten Försterei. Belohnt wurde dieser Mut mit Rekordkulissen, zuletzt
       mit 20.000 Fans zum Aufstieg.
       
       Diese Unioner Konsequenz ist bemerkenswert und hat mehr Gemeinsamkeiten mit
       den Businessplänen aus England als mit deutscher Wurschtelei. Aber Zinglers
       Aufplusterei hat auch ein sehr unangenehmes Geschmäckle. Union Berlin,
       gerade frisch auf den Dreh gekommen, maßregelt andere. Ausgerechnet Union
       Berlin. Bis vor wenigen Jahren nämlich hat der Klub [5][seine Frauen
       berüchtigt schlecht behandelt]. Während selbst Provinzklubs wie Hohen
       Neuendorf ihre Frauen bezahlten, verweigerte Union jeden Cent. Auch gab es
       gegenüber der taz Schilderungen etwa von einer gemeinsamen Auswärtsfahrt
       mit einem Juniorenteam, wo nur die Jungen Essen erhielten. Wertschätzung à
       la Union. Immer wieder wurde damals klar, dass Protest der Frauen
       unerwünscht war. Und bedeuten könnte, dass Union seine Charity einstampft.
       
       ## Mehr Demut angebracht
       
       Mehr Demut und weniger Geschichtsvergessenheit wären angebracht. Völlig
       daneben auch der Verweis, Frauenfußball sei kein „Behindertensport“. Dass
       auch Behindertensport gleichwertig sein könnte, so weit ist Union offenbar
       noch nicht. Interessant ist zudem, wie Zingler mehrfach darauf verweist,
       das Projekt sei nicht „ideologisch“. Offensichtlich möchte sich der Klub
       mit dem BSW-Sound bloß nicht in die Nähe feministischer Strömungen begeben.
       
       Das ist auch völlig okay; für das Wirtschaftsprojekt Frauenfußball ist es
       zentral, breitere Milieus zu erobern. Unions Engagement ist ein Signal,
       dass das zunehmend gelingt. Aber Zinglers Rede ist auch ein Verweis auf
       eine Zukunft, in der dieses Wirtschaftsprojekt vollends losgelöst ist von
       einem emanzipativen Charakter. Nicht „ideologisch“, sondern „attraktiv und
       wertvoll“. Mit diesem Framing lässt es sich problemlos ins autoritäre
       Zeitalter übertragen. Und dann wird Geld gemacht. Schließlich ist das hier
       kein Behindertensport.
       
       31 May 2025
       
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