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       # taz.de -- Ein Denkmal der DDR: Wo die feisten Bonzen wohnten
       
       > In der Waldsiedlung bei Wandlitz hauste gut abgeschirmt die
       > DDR-Staatsclique um Erich Honecker. Heute leben da ganz normale Leute.
       > Ein Rundgang.
       
   IMG Bild: Der Wald ist immer noch da: die einstige Enklave des DDR-Machtapparats
       
       Wandlitz taz | Auch wenn man im Kopf hat, dass vor gar nicht so langer Zeit
       genau hier die Machthaber der DDR konzentriert auf einem Fleckchen wohnten:
       So richtig vom Hauch der Geschichte ergriffen fühlt man sich in der
       Waldsiedlung bei [1][Wandlitz], etwa 30 Kilometer nördlich von Berlin
       entfernt, irgendwie nicht. Alle hohen Tiere der DDR-Nomenklatura, von
       Walter Ulbricht bis Erich Honecker, hatten sich ab den Sechzigern hierhin
       verzogen, wo es heute immer noch so waldig ist, dass sich leicht verstehen
       lässt, woher dieses Refugium seinen Namen hat. Aber vor den Häusern
       stehend, in denen die einstigen Staatenlenker lebten, ist nur sehr wenig
       von einer wie auch immer gearteten Aura zu verspüren.
       
       ## Wo Honeckers wohnten
       
       Hier in diesem glanzlosen Haus ohne jegliche Villen-Anmutung, im heutigen
       Habichtweg 5, haben also die Honeckers gewohnt, so, so. Spätestens seit den
       Aufnahmen von [2][Putins] Prachtpalast stellt man sich Diktatorenhabitate
       schon ein wenig glanzvoller vor als dieses schmucklose Wohnhaus. Ob in den
       Gemächern nicht wenigstens doch ein paar vergoldete Wasserhähne oder
       ähnlich dekadenter Prunk aufzufinden wäre, wie von vielen DDR-Bürgern einst
       spekuliert wurde, lässt sich empirisch nicht herausfinden.
       
       Das Haus der Honeckers, genau wie all die anderen auf dem einst von einer
       Schutzmauer umgebenen Gelände, wird heute von irgendwelchen Familien
       bewohnt, die keine Haustouren anbieten. Lediglich ein paar
       Informationstafeln hier und dort klären sachlich und nüchtern darüber auf,
       wer früher wo hauste.
       
       Wie sich das Wohnen hier zu [3][DDR-Zeiten] angefühlt haben muss, ist
       immerhin inzwischen relativ gut erforscht. Das Politbüro verkroch sich
       damals in die Waldsiedlung, weil man hier abgeschirmter und unbeobachteter
       unter sich sein konnte als in der großen Stadt. Musste ja niemand so genau
       mitkriegen, dass man es sich in idyllischer Umgebung durchaus richtig gut
       gehen ließ. Bananen gab es jedenfalls. Und auch sonst alles, wovon die
       übrige DDR-Bevölkerung nur träumen konnte. Der wurden die ersehnten
       Westprodukte vorenthalten, im „Ladenkombinat“ der Waldsiedlung waren sie
       für die Parteibonzen problemlos und zu Spottpreisen erhältlich. Das
       Gebäude, in dem dieser Luxuseinkaufsladen untergebracht war, existiert
       heute nicht mehr, nur eine dieser Infotafeln zeigt an, wo es einst
       gestanden hat.
       
       ## Mit Swimmingpool und Diener
       
       Es mag elitär und abgehoben zugegangen sein in dieser Enklave des
       DDR-Machtapparats. Ein Swimmingpool und persönliche Diener standen den
       SED-Bonzen zur Verfügung. Aber dass es damals diese privilegierten Zustände
       gegeben hat, kann eigentlich nur jemanden verwundern, der wirklich glaubte,
       in der DDR seien alle Menschen gemäß der sozialistischen Agenda irgendwie
       gleich.
       
       So richtig hoch her soll es in dem damaligen Nobelviertel dennoch nicht
       gegangen sein. Ehemalige Bewohner:innen berichteten nach dem Fall der
       Mauer weniger von ausschweifenden Champagnerpartys im Klubhaus, sondern
       davon, dass alle möglichst schauten, wie sie am besten den Nachbarn aus dem
       Weg gehen konnten – sie misstrauten einander. Schließlich konnte es immer
       passieren, dass man etwas sagte, was bei den anderen vom Politbüro nicht so
       gut ankam. Und Erich Mielke, der Chef der Stasi, wohnte ja auch hier – was
       die Nerven bestimmt nicht beruhigte. Wer aber einmal raus aus dem
       Elitezirkel war, musste seinen Wohnort in der Waldsiedlung verlassen.
       
       ## Kein Pilgerort für Ostalgiker
       
       Dass sich vor Ort heute weder der eher bescheidene Glamour noch die
       paranoide Stimmung von einst wirklich nachempfinden lassen, liegt daran,
       dass nach der Wende einiges dafür getan wurde, aus der Waldsiedlung keinen
       Pilgerort für Ostalgiker werden zu lassen. Etwa durch den Bau der
       Brandenburg Klinik Bernau mitten auf dem Gelände, der dem Eindruck eines
       DDR-Freiluftmuseums entgegenwirkt.
       
       Eine Maßnahme, die heute angebrachter denn je scheint. Figuren wie Egon
       Krenz, der ein paar Wochen lang Honecker als Staatschef beerbt hatte, bevor
       die DDR endgültig unterging, würden es sicherlich reizvoll finden, mal an
       diesem historischen Ort Hof zu halten. So aber bleibt einem wie Krenz nur,
       wie eben geschehen, seine Memoiren in irgendeinem Berliner Kino zu
       präsentieren und dort darüber zu fabulieren, wie schön es doch eigentlich
       war in der DDR.
       
       Noch nicht einmal ernst zu nehmende Führungen gibt es hier. Bei einem Anruf
       bei der Tourist-Information Bernau, zu dessen Stadtgebiet die Waldsiedlung
       gehört, heißt es: Nur einmal im Jahr, am Tag des Denkmals, gäbe es eine,
       die man auch wirklich empfehlen könne.
       
       1 Jun 2025
       
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