# taz.de -- Neuer Wien-„Tatort“: Mordermittlung im ideologisch ungeklärten Milieu
> Ein toter Demonstrant, eine radikale Bewegung – und eine fragwürdige
> Polizei: Der neue „Tatort“ ist brisant – aber zu vorsichtig.
IMG Bild: Gute Sonntagsunterhaltung, aber insgesamt zu vorsichtig: der Wien-„Tatort“ über Polizeigewalt
Eine gesellschaftliche Debatte aufgreifen und eine filmische Dramaturgie
für sie entwickeln: Dieser Herausforderung stellen sich viele
[1][„Tatorte“]. Regisseur Rupert Henning versucht es diesen Sonntag gleich
in Bezug auf zwei politisch relevante Themen: Polizeigewalt auf der einen,
die Bedrohung demokratischer Strukturen durch eine kriminelle Organisation
auf der anderen Seite.
Beide Themen sind nah dran am Zeitgeschehen, brauchen dringend nachhaltige
Lösungen und sind zu ernst für Scherze.
Kann also der Versuch gelingen, sie im „Tatort“-Format zu verhandeln? Mit
Blick auf den neuen Wien-„Tatort“ „Wir sind nicht zu fassen!“ ist die
Antwort wohl: nicht wirklich.
Dabei ist das Ausgangsszenario vielversprechend: Seit Wochen finden in der
politisch aufgeheizten Hauptstadt[2][Österreichs] Demonstrationen von
Systemkritiker*innen statt. Auch einen Brandschlag auf eine
Polizeiwache hat es schon gegeben.
Dann eskaliert die Situation vollends: Nachdem die Polizei eine nicht
genehmigte Versammlung räumt, liegt auf einmal ein toter Mensch auf dem
Platz: Jakob Volkmann. Die Blutlache neben seinem Kopf weist darauf hin,
dass er erschlagen wurde. Von einem Polizeiknüppel?
Jakob und seine Freundin Katja waren seit gut zwei Jahren in der
Protestbewegung aktiv. Sie haben sich während der Pandemie radikalisiert
und sind jetzt … ja, was sind sie eigentlich?
Der Film stellt sie als radikale [3][Protestierende] vor. Der Ausdruck
Querdenker fällt ein paarmal. Es heißt auch, dass Jakob und Katja gegen
„die da oben sind“. Eine Demonstrantin ist außerdem queer-feindlich, zu
sehen sind auch Protestschilder gegen Überwachung durch den Staat.
## Realität ist deutlicher
Doch so richtig klar werden Inhalte der Protestbewegung in dem Film nicht
herausgearbeitet. Dabei wäre es gerade im Kontext von Österreich, Heimat
der Identitären Bewegung und zahlreicher Burschenschaften, wohl nicht so
schwierig gewesen, eine rechtsextreme, verfassungsfeindliche Gruppierung
mit einer ideologisch klaren Ausrichtung deutlich darzustellen.
Vielleicht bleibt der Film in der Beschreibungen der Protestierenden gerade
deshalb so wenig konkret, um keine Einteilung in gut und böse nahezulegen –
ein Versuch, den ARD-Krimis gerne unternehmen. Die Realität ist da
eindeutiger.
Auch die Auseinandersetzung mit der Verantwortung der Polizei rund um den
Tod von Jakob Volkmann bleibt eher oberflächlich. Die wichtigen Stichworte
werden genannt: Korpsgeist, Recht auf Versammlungsfreiheit, interne
Untersuchung.
Aber das war’s. Gerade eine Woche nach dem [4][Todestag von George Floyd],
dem US-Amerikaner, der vor fünf Jahren von Polizisten getötet wurde, hätte
dem Film eine kritischere Auseinandersetzung mit dem System Polizei besser
gestanden.
Nun ist ein „Tatort“ keine Polit-Dokumentation, sondern ein Krimi, der
Gedanken und Debatten anstoßen kann, in erster Linie aber unterhalten soll.
Das klappt. Der Film ist dramaturgisch spannend aufgebaut, hat keine
unnötigen Längen und starke Emotionen.
Wiener Dialekt und ein Team, das humorvoll und familiär zusammenarbeitet,
tun ihr Übriges. Und so ist „Wir sind nicht zu fassen!“ wenn schon keine
tiefgehende Abhandlung großer gesellschaftliche Herausforderungen so doch
immerhin gelungene Sonntagabendunterhaltung.
1 Jun 2025
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Marie Gogoll
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