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       # taz.de -- Tagebuch aus Aserbaidschan: Warum sie ihn zum Schweigen bringen
       
       > Im Exil in Georgien hat unsere Autorin große Angst. Sie bangt um Tofig
       > Yagublu, einen besonders mutigen Gegner des Regimes in Baku.
       
   IMG Bild: Sitzt in einer abgelegenen Strafkolonie: der Oppositionelle Tofig Yagublu, hier im Jahr 2018
       
       Seit über einem Monat ist es für mich zur Gewohnheit geworden, jeden Morgen
       als erstes in den aserbaidschanischen sozialen Netzwerke zu schauen und
       nach Neuigkeiten über den Gesundheitszustand von Tofig Yagublu zu suchen.
       Yagublu ist Politiker, Mitglied der Oppositionspartei [1][Musavat], und er
       sitzt in einer Strafkolonie im abgelegenen Umbaki, einem Vorort der
       [2][aserbaidschanischen] Hauptstadt [3][Baku].
       
       Seit dem 1. April war [4][Hungerstreik]. Nach 40 Tagen hat er ihn völlig
       entkräftet beendet. Man brachte ihn ins Krankenhaus. Nun geht es ihm sehr
       schlecht.
       
       Am Sonntag schrieb Yagublus Tochter Nigar Hazi, ihr Vater habe seinen
       Hungerstreik auf ihre Bitte hin beendet. „Am Morgen sahen wir ihn wieder in
       einem Rollstuhl, schrecklich müde, mit geschlossenen Augen und ohne Kraft.
       Er konnte seine Augen nicht öffnen, und er sah sehr schlecht. Er nahm die
       Suppe, die wir zum Treffen mitgebracht hatten, und auch einige weitere
       Lebensmittel, die anfangs in sehr kleinen Mengen verzehrt werden müssen“,
       schrieb sie.
       
       ## Konstruierte Vorwürfe
       
       Im Dezember 2023 war Yagublu verhaftet worden, und im März dieses Jahres
       verurteilte ihn ein Gericht zu neun Jahren Haft. Der Vorwurf: Betrug und
       Urkundenfälschung. Wiederholt hat Yagublu diese Vorwürfe zurückgewiesen.
       
       Es hieß, der aserbaidschanische Staatsbürger Elshan Huseynov, der die
       deutsche Staatsbürgerschaft anstrebt, habe über einen Mann namens Elnur
       Mamedov 25.000 Euro sowie 10.000 Manat – das sind etwa 5.200 Euro – an
       Yagublu überwiesen, um so Huseynov zu einem Visum für Deutschland zu
       verhelfen. Diese Behauptung hat Yagublu stets zurückgewiesen. Er habe von
       niemandem jemals einen einzigen Manat erhalten.
       
       Yagublus Anwälte hatten im Rahmen der Voruntersuchung in Sozialen Medien
       verlautbart, dass es dieser Mamedov gewesen sei, der die Straftaten
       begangen habe, derer die Behörden Yagublu beschuldigten. Elnur Mamedov hat
       eine Vorgeschichte: Mehrmals schon war er in verschiedene Strafverfahren
       verwickelt, zuletzt im Jahr 2018 – wegen Betrugs.
       
       ## Schon zu oft Hafterfahrung
       
       Für Yagublu ist die jüngste Haft nichts Neues. Bereits [5][2013 war er
       festgenommen] worden, weil in der zentralaserbaidschanischen Region
       Ismayilli Proteste organisiert hatte. Das brachte ihm eine Verurteilung zu
       fünf Jahren Haft ein, ehe er [6][2017] im Rahmen einer offiziellen
       Gruppenamnestie freigelassen wurde. Eine neue Festnahme erfolgte [7][im
       März 2020], diesmal wurde ihm Rowdytum und Hooliganismus vorgeworfen.
       
       Was macht Tofig Yagublu so wichtig für die Regierung Aserbaidschans? Immer
       wieder lässt sie ihn verfolgenund einsperren. Und zugleich hüllt sich das
       Regime von Staatspräsident Ilham Aliyev in Schweigen, wenn es um Tofig
       Yagublu geht. Warum?
       
       Tofig Yagublu ist eine Person, die alle kritischen Kräfte des Landes
       vereinen kann. Ob es Aktivist:innen der Friedensbewegung oder der
       Frauenbewegung sind – für sie alle ist Yagublu bedeutend. Und sie alle sind
       bereit, ihn zu verteidigen.
       
       Um so wichtiger ist es für die Regierung Aserbaidschans, Tofig Yagublu zum
       Schweigen zu bringen. Für das [8][Regime in Baku] ist die Repression, die
       sich gegen diesen Mann richtet, eine Maßnahme, um die gesamte Bevölkerung
       zu warnen und so zu kontrollieren. Die Behörden nehmen sogar, was derzeit
       viele Menschen befürchten, Yagublus Tod in Kauf, um kritisch denkende
       Menschen, die sich dem [9][Regime in Baku] nicht unterwerfen wollen, zu
       brechen.
       
       [10][Aytan Farhadova] ist eine aserbaidschanische Journalistin, die im Exil
       in Georgien lebt. Sie schreibt unter anderem für die regionale
       Online-Plattform [11][OC Media], und sie war Teilnehmerin eines
       Osteuropa-Workshops der [12][taz Panter Stiftung]. 
       
       Aus dem Russischen von [13][Tigran Petrosyan].
       
       23 May 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR [8] /Repression-in-Aserbaidschan/!5670930
   DIR [9] /Kommentar-Aserbaidschan/!5564705
   DIR [10] /Archiv/!s=&Autor=Aytan+Farhadova/
   DIR [11] https://oc-media.org/author/aytanfarhadova/
   DIR [12] /taz-Panter-Stiftung/!v=e4eb8635-98d1-4a5d-b035-a82efb835967/
   DIR [13] /Tigran-Petrosyan/!a22524/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Aytan Farhadova
       
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