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       # taz.de -- Antikolonialer Vordenker Frantz Fanon: Den Kanon neu denken
       
       > 2025 wäre der Politiker und Autor Frantz Fanon 100 Jahre alt geworden.
       > Zadie Smith und Adam Shatz haben in Potsdam sein postkoloniales Erbe
       > diskutiert.
       
   IMG Bild: Paris, 21. April 2024: Mit einem Frantz-Fanon-Zitat gegen Rassismus, Islamophobie und für den Schutz aller Kinder
       
       Auf dem Podium „Frantz Fanon zum 100. Geburtstag. Den Kanon neu denken“ am
       Einstein Forum in Potsdam sitzen am Montagabend Moderatorin Susan Neiman,
       Adam Shatz und [1][Zadie Smith, Autorin unter anderem von „Zähne zeigen]“:
       Fanon sei der John Coltrane des Antikolonialismus, behauptet Adam Shatz.
       
       Der US-Redakteur der London Review of Books zeichnet die Laufbahn Fanons
       nach, vom Soldaten in Nordafrika im Kampf gegen die Wehrmacht zum in
       Frankreich ausgebildeten Philosophen, der dort krassere
       Rassismuserfahrungen macht als in seiner Heimat Martinique; vom
       Psychiatriearzt in Algerien zum altermondialistischen Aktivisten. Das soll
       also der wandlungsfähigen Spielweise des US-Saxofonisten John Coltrane
       ähneln?
       
       Fanons dialektische Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus führe uns das
       Dilemma mit dessen rassistischem Erbe heute vor Augen, bilanziert Shatz.
       Seine Fanon-Biografie wird gerade ins Deutsche übertragen. Am Montag oblag
       es Shatz, biografische Details einzuflechten, während Zadie Smith zunächst
       stumm blieb.
       
       ## Ambivalente Haltung
       
       [2][Erst als es um Fanons Befürwortung des bewaffneten Kampfes im
       Algerienkrieg ging, kontert sie mit der Ambivalenz, die schon die
       afroamerikanische Feministin bell hooks angesichts von Fanons machistischer
       Haltung geltend gemacht hatte.] Smith erzählt, sie sei seit ihrer Kindheit
       mit Fanons Werk vertraut, es sei wichtig für ihr schwarzes Selbstbild
       gewesen, wie auch für das ihrer in Jamaika aufgewachsenen Mutter.
       
       Neiman fragt nach der Aufklärung und dem Universalismus, mit denen sich
       Fanon kritisch auseinandersetzte. Heute seien deren Errungenschaften im
       Zeitalter des Wokeismus stärker in Frage gestellt. Smith antwortet
       differenziert: „Die Aufklärung ist Teil unseres Werkzeugkastens, auch wenn
       daran nicht alles perfekt ist.“
       
       Humanismus mag als Wort entwertet sein, im Angesicht des Todes seien wir
       nach Kant alle gleich. Smith, die in New York Creative Writing
       unterrichtet, erzählt vom Lehralltag, etwa, wenn sie Studierende beim Thema
       Rassismus und Polizei auf strukturelle Gewalt der nigerianischen Polizei
       hinweist.
       
       ## Blumige Antworten
       
       Adam Shatz antwortet insgesamt blumiger, sagt – typisch für dieses Milieu
       –, heute wäre Fanon aufseiten „der Palästinenser“. Immerhin erwähnt er
       Chinas imperiale Ausbeutung von Bodenschätzen im Kongo, zum Krieg im Sudan
       schweigt er! Auch zum kriegerischen russischen Kolonialismus in der Ukraine
       ist leider nichts zu erfahren. [3][Wenn Scham revolutionäres Empfinden sei,
       wie Karl Marx apostrophiert hat, konnte man sich daher schämen.]
       
       20 May 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Julian Weber
       
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