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       # taz.de -- Selbst sind die Schülerinnen: Zwei Elfjährige melden eine Demo an
       
       > Eine Schule, auf der Kinder ihre Fähigkeiten entdecken und Politiker, die
       > viel Geld für Bildung ausgeben: Das fordern zwei Bremer
       > Fünftklässlerinnen.
       
   IMG Bild: Lotta (in blau) und Toni (in rot) auf dem Schulhof ihrer Schule, auf dem es nichts gibt als Hof
       
       Bremen taz | Fenster in Klassenräumen, die sich nicht schließen lassen.
       Schwimmlehrer, die Kinder anschreien. Ein Schulhof, der aus nichts als Hof
       besteht. Zu wenig Klassenräume. Und ein Unterricht, bei dem zu viele Kinder
       lernen, was sie nicht können, anstatt ihre individuellen Fähigkeiten zu
       entdecken.
       
       Solche Klagen sind nicht neu. Aber in diesem Fall kommen sie [1][nicht von
       einer Gewerkschaft,] nicht von einem Bündnis für Bildung und auch nicht von
       der Gesamtschülervertretung. Sondern von zwei Elfjährigen: Lotta und Toni,
       Freundinnen und Schülerinnen der im vergangenen Jahr neu gegründeten
       „Oberschule an der Delmestraße“ in der Bremer Neustadt.
       
       Und weil sie etwas ändern wollen, haben sie für Mittwoch eine Demonstration
       angemeldet, die auf dem Bremer Marktplatz enden soll, wo sie hoffen, von
       vielen gehört zu werden. Von Politiker:innen zum Beispiel, denn sowohl
       das Rathaus als auch die Bürgerschaft befinden sich genau dort. Und die
       Politiker:innen, finden die beiden, könnten vor den anstehenden
       Haushaltsberatungen daran erinnert werden, dass sie [2][mehr Geld für
       Kinder und Jugendliche] ausgeben müssen.
       
       Eigentlich habe sie vom ersten Tag an dieser Schule eine Demo organisieren
       wollen, erzählt Toni zwei Tage vorher in ihrem Klassenraum in einem
       Betonbau aus den 1970er-Jahren. Nicht, weil sie die Schule blöd findet, im
       Gegenteil, sie sei genau so, wie Schule sein solle und sie habe hier die
       allerbesten Lehrer. Diese hätten ihr und Lotta Mut gemacht.
       
       ## Schule mit zu wenig Räumen
       
       Nein, der Grund, warum beiden ziemlich schnell wussten, so gehe es nicht
       weiter, war folgender: Ihre neue Schule war zwar mit einem tollen Konzept,
       [3][aber ohne eigene Räume gestartet]. Und daran hat sich bis heute nicht
       viel geändert. Die drei fünften Klassen teilen sich die Schule mit einer
       ebenfalls neu gegründeten Grundschule sowie einer berufsbildenden Schule,
       die eigentlich längst ausgezogen sein sollte. Der Schnellstart war
       notwendig, weil in Bremen in kurzer Zeit sehr viele neue Schulplätze
       geschaffen werden mussten. Wie es nach den Sommerferien weiter gehen wird,
       wenn nicht nur, wie ursprünglich geplant, drei, sondern fünf neue fünfte
       Klassen untergebracht werden müssen? Unklar.
       
       Umsetzen konnten Lotta und Toni ihren Demoplan, als in diesem Schuljahr das
       Projektthema „Verantwortung“ auf dem Lernplan stand. Zum Projektunterricht
       gehört, angeeignetes Wissen für andere erfahrbar zu machen – in diesem Fall
       eben durch Teilnahme an einer Demo. Die ist dann aber doch freiwillig und
       am Nachmittag. Wie viele kommen werden, können die beiden nicht
       einschätzen. Es wollten schon einige aus ihrer Klasse kommen, sagt Lotta.
       Dem Ordnungsamt hätten sie gesagt, sie rechneten mit 60 Teilnehmer:innen.
       „Das ist unser Ziel.“
       
       Es ist möglich, dass es deutlich mehr werden, nicht nur, weil Tonis Oma
       einen Beitrag auf Instagram geteilt hat, sondern weil die beiden Kinder
       nicht die einzigen sind, die die Zustände an Bremer Schulen nicht mehr
       hinnehmen wollen. So wird der Flyer für ihre „Bildungswende Demo“ eine
       Woche vorher verteilt, auf einem Treffen des 2024 gegründeten [4][Netzwerks
       „Solidarity unites Neustadt]“. Das hat sich die „Bekämpfung lokaler
       Probleme durch kollektives Handeln“ zum Ziel gesetzt. „Mit der Stärkung des
       sozialen Zusammenhalts im Stadtteil sollen reale Verbesserungen entstehen,
       z. B. im Kampf gegen Rechts und gegen sexistische Gewalt oder bei
       gemeinsamen Miet- und Arbeitskämpfen“, heißt es auf der Homepage.
       
       ## Andere Bildungspolitik auf seiner Agenda
       
       Das Netzwerk wurde von im praktischen Umsetzen von Ideen erfahrenen Bremer
       Aktivist:innen ins Leben gerufen – auch unter dem Eindruck des großen
       Zuspruchs für rechtsextreme Parteien. Auch eine andere Bildungspolitik
       steht auf seiner Agenda – im Interesse aller Bevölkerungsschichten.
       
       Zum Auftakttreffen am Dienstagabend vergangener Woche wurden extra
       Übersetzer:innen in Farsi und anderen Fremdsprachen eingeladen. Doch
       niemand von den 26 Anwesenden, die sich im Foyer der Oberschule am
       Leibnizplatz – ganz in der Nähe der Schule von Lotta und Toni – eingefunden
       hat, braucht eine Übersetzung. Drei Schülerinnen im Teenageralter sind
       dabei, ansonsten sind die meisten mittleren Alters, viele haben Kinder.
       
       Sie tauschen sich über demütigende und entmutigende Erfahrungen aus. Solche
       haben vor allem die Schüler:innen gemacht, die besondere Bedarfe haben,
       [5][beispielsweise auf Barrierefreiheit angewiesen sind] oder einfach nur
       aufgrund ihrer familiären Situation psychisch belastet sind. Und dann sind
       da noch die Zahlen, an die einer der beiden Moderator:innen zu Beginn
       der Veranstaltung erinnert hat: Je nach Untersuchung erfüllt ein Drittel
       bis ein Viertel der Bremer Schüler:innen nicht die Mindestanforderungen
       an Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen.
       
       ## Bildungserfolg hängt vom Kapital ab
       
       Der Bildungserfolg hängt dabei maßgeblich vom ökonomischen und sozialen
       Kapital ab, das einer Familie zur Verfügung steht, wie Stadtteilvergleiche
       zeigen. So verlassen im wohlhabenden Stadtteil Horn-Lehe [6][nur 1,2
       Prozent der Schüler:innen] die Schule ohne einen Abschluss. Im
       Schlusslicht Gröpelingen, in dem besonders viele sozial benachteiligte
       Menschen leben, sind es 16,4, in der sehr durchmischten Neustadt 12,5
       Prozent, etwas mehr als im stadtweiten Durchschnitt von 10,5 Prozent.
       
       Das Treffen endete mit der Verabredung, sich weiter darüber auszutauschen,
       wie eine Schule sein muss, damit alle Kinder dort gerne hingehen – und
       dafür zu kämpfen.
       
       Demonstration: 21. Mai, 15.30 Uhr, Leibnizplatz, Bremen
       
       20 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lehrerinnenstreik-in-Berlin-/!6084735
   DIR [2] /Weiterfuehrende-Schulen-in-Bremen/!6083261
   DIR [3] https://www.weser-kurier.de/bremen/stadtteil-neustadt/neue-oberschule-in-bremen-neustadt-eltern-ueben-kritik-doc7xxlle1cjk79wg5ihc8
   DIR [4] https://sun-bremen.de/
   DIR [5] /Engagement-beim-Bildungsprotesttag/!5959294
   DIR [6] https://www.bildung.bremen.de/sixcms/media.php/13/Bericht_Schulabgehende_ohne_Berufsbildungsreife.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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