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       # taz.de -- UN-Ozeankonferenz in Nizza: Worüber die Staaten beim Meeresschutz streiten
       
       > Die Ozeane sind Lebensraum für Tiere und Pflanzen, aber es geht ihnen
       > schlecht. Eine UN-Konferenz in Nizza sucht Lösungen. Das sind die
       > Knackpunkte.
       
   IMG Bild: Gucken ist erlaubt, aber bitte nicht anfassen: Die Meere sind überlastet
       
       1. Schutzgebiete 
       
       Die Menschheit strapaziert die Meere über. Diese riesigen Gewässer sind
       Schauplatz für Schiffsverkehr und Fischerei, beherbergen Windräder und
       Ölplattformen. Sie nehmen das Süßwasser schmelzender Gletscher auf. Sie
       tragen Unmengen Plastikmüll in sich.
       
       Dann binden sie noch 20 bis 30 Prozent des Kohlendioxids, mit dem die
       Menschheit die Atmosphäre belastet, in Form von Kohlenstoff – und
       versauern dabei. Sie schlucken bisher 90 Prozent der Wärme, die der Rest
       des Kohlendioxids in der Luft verursacht. Ohne die Meere wäre die
       Klimakrise also viel schlimmer. Doch diese Schutzfunktion und vor allem die
       Rolle als Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen können die Meere
       durch die Dauerüberlastung immer schlechter erfüllen.
       
       Damit sich das ändert, sollen 30 Prozent der Meeresfläche bis 2030 unter
       Schutz stehen, [1][haben die Vereinten Nationen in ihrem großen
       Artenschutz-Abkommen von 2022 versprochen]. Praktisch ist aber seither kaum
       etwas passiert. Das hat auch damit zu tun, dass der Großteil des Meers
       allen und niemandem gehört. Nur auf einem schmalen Streifen entlang der
       Küste und weitere 200 Seemeilen ins Meer hinein hat ein Staat gewisse
       Hoheitsrechte. Dahinter kann kein Land einfach ein Schutzgebiet einrichten,
       durch das dann zum Beispiel niemand mehr fahren oder in dem nicht mehr
       gefischt werden dürfte.
       
       Internationale Schutzgebiete könnten entstehen, wenn das schon vor zwei
       Jahren beschlossene Hochseeabkommen der Vereinten Nationen in Kraft träte –
       was aber erst passiert, wenn 60 Länder es ratifiziert haben, also in ein
       eigenes nationales Gesetz gegossen haben. Bisher haben das aber erst 32
       Länder getan. Deutschland gehört nicht dazu. Mit dem Abkommen könnte nach
       dem Mehrheitsprinzip über Schutzgebiete abgestimmt werden.
       
       2. Regeln für die Schutzgebiete 
       
       Schutzgebiet ist nicht gleich Schutzgebiet. Es gibt bei der Qualität große
       Abstufungen. Das zeigt der Fall Deutschland. In der deutschen Nord- und
       Ostsee stehen schon 45 Prozent unter Schutz. Die Bundesregierung sieht die
       internationale 30-Prozent-Vorgabe deshalb als erfüllt an. Vielerorts dürfen
       in diesen Gebieten aber zum Beispiel weiter laute Schiffe fahren, es dürfen
       Kabel verlegt und Fische gefangen werden – teils gar mit besonders
       invasiven Methoden. „Noch immer werden große Teile dieser Gebiete durch
       Grundschleppnetze zerstört und das Artensterben befeuert“, empörte sich
       Olaf Bandt, Chef des Umweltverbands BUND.
       
       Der US-Thinktank Marine Conservation Institute versucht, die Spreu vom
       Weizen beim Meeresschutz zu trennen. Das Ergebnis: [2][eine Weltkarte], auf
       der man sich für jedes Land den Anteil von irgendwie unter Schutz
       gestellten Gebieten anzeigen lassen kann – und auch den der „streng
       geschützten“ Gebiete, in denen wirklich eine aktive Pflege im Vordergrund
       steht. Als solches lassen die Expert*innen Deutschland nicht auch nur
       ein einziges Prozent durchgehen. Das muss sich allerdings bald ändern. Im
       Rahmen der EU-Biodiversitätsstrategie muss auch die Bundesrepublik
       spätestens 2030 mindestens zehn Prozent ihrer Meeresfläche streng schützen.
       
       Dass es noch besser geht, zeigen andere Länder: Spitzenreiter beim
       Meeresschutz sind laut Marine Conservation Institute der pazifische
       Inselstaat Palau, der 77,6 Prozent seiner Meeresschutzgebiete streng
       schützt, und Großbritannien inklusive Überseegebieten. Dort stehen 42,7
       Prozent des Meeres unter strengem Schutz. Weltweit trifft das auf nicht
       einmal 3 Prozent der Meere zu. In den USA geht die entsprechende Fläche
       sogar wieder zurück, weil die Regierung von Präsident Donald Trump etliche
       Schutzgebiete wieder für die kommerzielle Fischerei zugelassen hat.
       
       3. Absage an Tiefseebergbau 
       
       Deutschlands neuer Umweltminister Carsten Schneider (SPD) will in Nizza für
       eine „vorsorgliche Pause“ beim Tiefseebergbau werben. Das hat die
       Bundesregierung am Montag zusammen mit 32 anderen Staaten in einer
       Erklärung gefordert. Das vorhandene Wissen über die Tiefsee reiche nicht
       aus, um Umweltschäden auszuschließen, argumentiert Schneider. In einem
       Entwurf für den „Aktionsplan von Nizza“, der am Ende der Konferenz stehen
       soll, kommt das Thema bislang aber nicht vor.
       
       Bisher gibt es keine kommerzielle Ausbeutung von Rohstoffen auf dem
       Meeresboden – es gibt aber Interesse daran. Norwegens Regierung überlegt
       beispielsweise, den Abbau von Bodenschätzen auf dem Meeresgrund zu
       erlauben. Derzeit liegen die Pläne temporär auf Eis, ein langfristiges Aus
       steht aber noch nicht fest. Die Inselstaaten Palau und Fidschi haben den
       Tiefseebergbau hingegen untersagt, auch Portugal hat ein Verbot
       angekündigt.
       
       Der Großteil der Tiefsee gehört ohnehin keinem einzelnen Staat, zuständig
       ist die UN-Meeresbodenbehörde ISA. Das kanadische Unternehmen TMC möchte
       die internationalen Abläufe allerdings umgehen. Es will Bergbau in
       internationalen Gewässern betreiben, indem es die Genehmigung [3][einfach
       in den willigen USA beantragt statt bei der ISA].
       
       4. Weniger Plastik 
       
       Auf der Konferenz in Nizza wollen die Staaten auch die Verhandlungen um ein
       internationales Plastikabkommen vorbereiten, die im August in eine neue
       Runde gehen. Plastikmüll ist eines der großen Probleme der Meere, weil
       beispielsweise Tiere den Abfall mit Nahrung verwechseln.
       
       Im Erstentwurf für den Aktionsplan aus Nizza steht denn auch die Sorge über
       „das hohe und rapide steigende Level an Plastikverschmutzung“. Die
       Umweltorganisation Greenpeace kritisiert aber, dass die Staaten Konzerne
       bisher nicht dazu bringen wollen, die Produktion von Plastik
       herunterzuschrauben, die das Entsorgungsproblem ja erst verursacht.
       
       9 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /UN-Artenschutz-Abkommen-von-Montreal/!5900599
   DIR [2] https://mpatlas.org/countries/
   DIR [3] /Seerechtsexpertin-ueber-Konzernplaene/!6080447
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Schwarz
       
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