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       # taz.de -- Werkstätten der Volksbühne vor dem Aus?: Die bedrohte DNA des Hauses
       
       > Die hauseigenen Werkstätten der Volksbühne sollen aufgelöst werden.
       > Beschlossen ist aber noch nichts. Und das Theater hat da eine eigene
       > Idee.
       
   IMG Bild: Bald aus und vorbei? Blick in die Tischlerei der hauseigenen Theaterwerkstätten der Volksbühne, die in Pankow zu finden sind
       
       Berlin taz Die leuchtend orangenen Plakate, die auf den Verteilerkästen der
       Thulestraße 89 in Pankow kleben, fallen gleich ins Auge. „No Service“ steht
       darauf. Bei näherer Betrachtung entpuppen sie sich als Protestaktion der
       hauseigenen Theaterwerkstätten der Volksbühne, die hier ihr Domizil haben.
       Denn denen soll es, theatralisch formuliert, an den Kragen gehen. Deshalb
       wurde am Mittwochvormittag zu einem Rundgang geladen, um etwas „Zinnober“
       zu veranstalten, wie Betriebsdirektorin Celina Nicolay sagt. Auch der
       designierte Intendant Matthias Lilienthal ist vor Ort, will aber im
       Hintergrund bleiben.
       
       Aufsehen erregen: das ist dringend vonnöten. Denn im Zuge der Kürzungen im
       Kulturbereich – für 2025 sind das 130 Millionen – erwägt der Senat die
       Auflösung der Theaterwerkstätten der Volksbühne und deren Angliederung an
       den Bühnenservice Berlin. Der ist nach eigenen Angaben der größte
       Theaterdienstleister in Deutschland mit Sitz am Ostbahnhof, man fertigt zum
       Beispiel die Bühnenbilder für die drei Opernhäuser.
       
       Apropos Oper: Die Stiftung Oper ist das Vorbild, nach dem der Senat
       Gorki-Theater, Deutsches Theater, das Theater an der Parkaue und
       Konzerthaus sowie die Volksbühne [1][in eine Stiftung öffentlichen Rechts]
       überführen will. Und damit stehen eben die Theaterwerkstätten der
       Volksbühne auf dem Spiel. Deren Abwicklung wäre eine Katastrophe, sagt
       Celina Nicolay. „Die eigenen Werkstätten mit allen Mitarbeiter:innen
       gehören unverzichtbar zur DNA der Volksbühne.“
       
       Das lässt sich in den Hallen mit den Gewerken gut nachvollziehen.
       Werkstattleiter Stefan Möllers steht im eher kleinen Konstruktionsbüro am
       großen Besprechungstisch und erklärt, wie die Idee eines Bühnenbildes von
       der Skizze ins Digitale übertragen wird.
       
       In der riesigen, hohen Halle der Tischlerei wiederum riecht es nach Holz
       und Leim, überall stehen große Maschinen, in Schränken liegen kleine
       Werkzeuge. Auf mehreren Podesten wird gearbeitet, Bretter hier verleimt,
       dort etwas zusammengefügt. An der Wand lehnt etwas Fertiges, „Asia Shop
       Rückwand unten“ hat jemand darauf geschrieben. Noch ist sie ohne Farbe, die
       kommt dann später im Malsaal drauf. Hier wird deutlich, was den
       Theaterzauber ausmacht: Aus hölzernen Bauten werden mittels Farbe und
       Mustern „Imitationen aller Art“ hergestellt, sagt Möllers und zeigt auf
       eine Abbruchkante, die aus Holz, Draht, Rattan, Stoff und eben Farbe
       besteht.
       
       ## „Hier findet sich viel Expertise“
       
       Über die Schlosserei geht es zur Plastik-Abteilung, wo das Gestell für die
       Abbruchkante entstanden ist. Das sind „traditionelle Techniken“, die
       leichte, aber feste Theaterkulissen bescheren, erklärt Möllers fachkundig.
       „Wir bewahren bewusst diese alten Technologien“, sagt der Werkstattleiter
       und erklärt wenig später, wie sich Masken aus Pappmaché herstellen lassen.
       „Hier findet sich viel Expertise.“
       
       Und Herzblut: Mina Fichte arbeitet seit vier Jahren in den
       Kostümwerkstätten, die sich im Theaterbau am Rosa-Luxemburg-Platz befinden.
       „Für mich und meine Kolleginnen wäre das eine dramatische Entwicklung“,
       sagt die Damengewandmeisterin. Am Theater zu arbeiten, sei ja eine bewusste
       Entscheidung. „Es ist ein besonderer Platz“, sagt sie und hebt die
       Verbundenheit über die Gewerke hinweg hervor. „Es ist so magisch und ein
       Herzessprojekt. Die Vorstellung, dass es das nicht mehr gibt, tut wirklich
       weh.“ Die Liebe zum Detail ginge verloren.
       
       Was passiert mit dem Fundus an Wissen und Material? Und was macht das mit
       der Kunst? Fragen, die die neue Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson (CDU)
       beantworten muss. Die hat vor kurzem die gleiche Führung bekommen, erzählt
       der designierte Intendant. Sie sei ganz angetan von den Werkstätten
       gewesen, so Lilienthal. Aber man befinde sich in einer „offenen Situation“
       sagt er mit Verweis auf den Kulturdialog mit der Senatorin und fügt
       überraschend hinzu: „Wir sind ein kleines bisschen optimistisch.“
       
       „Erst im März habe ich die Werkstätten der Volksbühne in meiner damaligen
       Funktion als Staatssekretärin besucht und durfte mich von der hoch
       kreativen und leidenschaftlichen Arbeit der Mitarbeitenden überzeugen“,
       sagt Wedl-Wilson auf taz-Anfrage. „Die Mitarbeitenden der Volksbühne haben
       erklärt, dass ihre Werkstätten Teil ihrer künstlerischen Identität sind.“
       Doch auch die Volksbühne als landeseigener Betrieb müsste in Rahmen der
       Haushaltskonsolidierung sparen. „Die Form der Umsetzung liegt im
       Verantwortungsbereich der Volksbühne selbst“, spielt Wedl-Wilson den Ball
       zurück.
       
       ## Theaterstandort Ostberlin nicht degradieren
       
       Ist der Kulturmanager Lilienthal, ab nächstem Jahr Intendant der
       Volksbühne, also ein kleines bisschen zu optimistisch?
       
       Betriebsdirektorin Celina Nicolay erklärt den Grund dafür. Denn es liegt
       bereits ein Vorschlag samt Zahlen auf dem Tisch. Einerseits wäre es so,
       dass die Volksbühne kein Geld sparen würde, wenn sie fortan den
       Bühnenservice Berlin beauftragen würde – im Gegenteil. „Es wäre viel
       teurer.“ Der Bühnenservice, so Nicolay, berechnet für seine Dienste 60 Euro
       pro Stunde. Die Volksbühne selbst bekommt das mit knapp 47 Euro hin – mit
       allen Vorteilen, die diese hauseigene Arbeitsweise mit sich bringt.
       
       Andererseits muss die Volksbühne aus ihren Proberäumen in Rummelsburg raus,
       dort probt auch das Gorki-Theater, 2029 läuft der Mietvertrag aus. Die Idee
       ist daher, auf dem landeseigenem Grundstück, auf dem sich die Werkstätten
       befinden und auf dem es genug Platz dafür gibt, eine Probebühne für beide
       Häuser zu bauen. Das würde den Theaterstandort Ostberlin nicht degradieren,
       sondern aufwerten.
       
       11 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Stiftung-fuer-fuenf-landeseigene-Buehnen/!6082191
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
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