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       # taz.de -- Neuer Waldzustandsbericht: Vier von fünf Bäumen geht es schlecht
       
       > Trockenstress, Erderhitzung, Insekten – das alles setzt dem Bestand zu.
       > Denn die Anpassung an die neuen Anforderungen ist gar nicht so einfach.
       
   IMG Bild: Totholz im Wald ist an sich nicht verkehrt. Es muss aber ein Gleichgewicht geben. Schwer, wenn nur jeder fünfte Baum gesund ist
       
       Berlin taz | Wie die Flagge von Mali sieht die [1][Grafik zur
       Waldzustandserhebung] aus: Grün, Gelb, Rot, von links nach rechts. Grün
       bedeutet: Die erfassten Bäume haben eine dichte, grüne Krone, die keinen
       Blick in den Himmel durchlassen. Gelb bedeutet: Der Baum zeigt schwache
       Anzeichen von Kronenverlichtung, man kann also ein wenig hindurchsehen. Und
       Rot heißt: Die Krone des Baumes ist arg zerfleddert, Äste scheinen durch
       die Blätter und der Himmel erst recht. Bei einer Kronenverlichtung von 100
       Prozent ist der Baum abgestorben. Auf der Mali-Grafik schrumpft der grüne
       Teil der Bäume zusammen, der gelbe und der rote breiten sich aus: Dem Wald
       geht es schlecht.
       
       Nur noch 21 Prozent der 9.816 Bäume, die für die Waldzustandserhebung 2024
       erfasst worden sind, zeigen eine dichte, gesunde Krone. Bei 43 Prozent
       steht die Warnstufe auf Gelb, und 36 Prozent sind im roten Bereich, also
       krank, sehr krank oder tot. „Die Baumkronen sind ein Seismograf für den
       Zustand der Bäume“, sagt [2][der neue Minister für Landwirtschaft,
       Ernährung und Heimat, Alois Rainer (CSU)]. „Unsere Wälder haben
       Dauerstress.“ Besonders Buchen und Eichen leiden unter den Trocken- und
       Hitzeperioden der vergangenen Jahre und dem darauffolgenden [3][Befall mit
       Insekten wie Eichenpracht- oder Borkenkäfer].
       
       Den jährlichen Waldzustandsbericht stellte Rainer im Tegeler Forst im
       Nordwesten von Berlin vor. Umgeben von Kameras und Mikros schwärmte er vom
       Vogelgezwitscher im Wald, kletterte auf Baumstümpfe und streichelte den
       Beagle eines Reviermitarbeiters. „Wir müssen den Wald nach
       wissenschaftlichen Kriterien mit standortangepassten und klimaresilienten
       Baumarten aufforsten“, fordert er.
       
       „Wir müssen auch wieder aufforsten“, sagt Henrik Hartmann, der das
       Quedlinburger Julius-Kühn-Insitut für Waldschutz leitet. „Die Frage ist
       nur: Mit was?“ Über die [4][potenziell richtigen Baumarten sei noch zu
       wenig bekannt]. Häufig stammten die Prognosemodelle über Wachstum,
       Photosyntheseleistung oder Absterben aus Studien, in denen die Bäume im
       Komfortbereich gewachsen seien – also bei idealen Temperaturen oder
       Niederschlägen. „Wie sie sich unter Stress verhalten, wissen wir nur
       bedingt“, sagt Hartmann. Zudem sei auch die klimatische Entwicklung unklar:
       „Werden wir Ende des Jahrhunderts – für einen Baum kein langer Zeitraum –
       bei 2,3 Grad oder bei 3,4 Grad landen?“ Das ändere alles.
       
       ## Abwarten reicht nicht
       
       Andererseits könne man nicht einfach abwarten, sagt Hartmann: Rein auf
       Naturverjüngung setzen, das sei ein guter Weg für einige Flächen, aber
       nicht für alle. „In der Forst- und Holzwirtschaft arbeiten über eine
       Million Menschen, mehr als in der Autoindustrie“, sagt Hartmann, „für sie
       tragen wir Verantwortung.“ Zudem sei nicht sicher, [5][dass auf Flächen,
       die sich selbst überlassen würden], auf absehbare Zeit wirklich wieder Wald
       entstehe. „Es könnte auch sein, dass sich dort erst Brombeeren und denn
       Sträucher ansiedeln und die Entstehung von Wald, wie wir ihn heute kennen,
       in weite Ferne rückt.“
       
       Forstminister Rainer sieht den Waldumbau gleichwohl auf einem guten Weg: Um
       ihn zu stemmen, müssten die Waldbesitzer von bürokratischen Auflagen
       entlastet und finanziell unterstützt werden, sagte er. Dazu stehen rund 900
       Millionen Euro aus den Mitteln des Agrar- und Küstenschutzes sowie jährlich
       135 Millionen aus dem Haushalt des Ministeriums zur Verfügung.
       
       11 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/waldzustandserhebung-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=9
   DIR [2] /Die-Wahrheit/!6084827
   DIR [3] /Zukunft-des-deutschen-Waldes/!6008721
   DIR [4] /Klimaanpassung-im-Stadtpark/!6030548
   DIR [5] /Naturschutz-in-Deutschland/!6051550
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Holdinghausen
       
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