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       # taz.de -- Studie zu Schmerzen von Fischen: Rechtfertigung eines Anglers
       
       > Fische empfinden große Schmerzen, wenn sie geschlachtet werden. Vater und
       > Kind empfinden große Momente, wenn sie Angeln gehen.
       
   IMG Bild: Der Fisch am Haken leidet wie andere fühlende Wesen, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen
       
       Das war natürlich das Erste, was ich als Kind fragte: „Tut das den Fischen
       nicht weh, wenn man die angelt, Papa?“ Und der Papa druckste dann rum,
       erzählte, dass die Brasse, der Zander oder der Aal, der da erst am Haken
       den Todeskampf kämpfte und dann luftschnappend am Ufer lag, keinen Schmerz
       empfinden kann, dass er nur zuckende Nerven hat.
       
       Wir mussten nur über die Straße gehen, dann war da die Aggertalsperre, ein
       Stausee im Bergischen Land. Ein idyllisches Wasser mit Campingplatz,
       Wanderwegen und schwer zugänglichen Angelstellen, das so
       grünlich-verwunschen durch die Fichtenwälder schimmerte, dass dort die
       Werbung für Krombacher-Bier gedreht wurde.
       
       Die Angelausflüge mit Papa sind für mich die schönsten Erinnerungen
       überhaupt. Ich war vier oder fünf, er stand hinter mir und half, die Schnur
       einzukurbeln, an der ein Schwimmer, ein Blei, ein Haken und vielleicht eine
       Forelle oder ein Rotauge oder ein Karpfen hing.
       
       Nein, das war überhaupt nicht langweilig. Das waren die großen
       Papa-und-Sohn-Momente. Er schmökte eine Zigarette nach der anderen, wir
       quatschten. Er zeigte mir, wie man Angelschnüre knotet, Maden, Würmer oder
       Mais auf Haken spießt, wie man die Rute auf selbst gebastelte Astgabeln
       stützt – und natürlich den Kern des Angelwesens: Was sind die besten
       Tricks? Wo muss ich wann welchen Köder hinwerfen, damit die Fische beißen?
       
       Ich hibbelte rum und fragte: „Wie lange dauert das noch?“ Papa blieb cool
       und wusste immer auch auf die blödsten Angelfragen schlauste Papaantworten:
       Warum sich gerade jetzt in der Ecke hinter den Seerosen nichts tut („zu
       heiß“), dass es mehrere Beißzeiten am Tag gibt („Beißzeit ist später“).
       Dass Fische, die springen, nicht beißen („Ist einfach so“). Dass Karpfen
       auf fast alles, Schleien auf Würmer und Hechte am liebsten auf „Köfi“
       (Köderfische) gehen. Dass man nicht zu viel anfüttern darf („Fische werden
       zu satt“). Dass das Wichtigste ist, nicht auf den Boden zu trampeln
       („Vertreibt die Fische“).
       
       ## Studie belegt den Schmerz der Fische
       
       Und: Dass man nur Fische angeln darf, die bestimmte Mindestmaße haben, die
       auf dem Angelschein stehen. Er zeigte mir vieles, auch wie man die Fische
       tötet (Schläge auf den Hinterkopf, mit spitzem Messer ins Herz) und
       ausnimmt. Dass eine nun in der Fachzeitschrift [1][Scientific Reports
       erschienene Studie] den Schmerz von Forellen beim Erstickungstod belegt
       haben will, widerlegt mal wieder klar Papas Gerede vom schmerzfreien Tod
       der lautlosen Fische.
       
       Laut der Untersuchung werden weltweit jährlich bis zu 2,2 Billionen(!)
       Wild- und 171 Milliarden Zuchtfische getötet. Angeblich leiden
       Regenbogenforellen beim Erstickungstod an der Luft durchschnittlich zehn
       Minuten. Neue Schlachtungsmethoden wie zum Beispiel elektrische Betäubung
       könnten den Schmerz lindern. Auch Tierschützer*innen weisen auf die
       Massaker auf den Ozeanen hin, wo die Tiere unter Todesangst in Netzen
       zerquetscht oder mit geplatzter Schwimmblase [2][aus dem Wasser gezerrt
       werden], um auf einem Fischereischiff zu ersticken, lebend aufgeschnitten
       oder erschlagen zu werden.
       
       Klar habe ich über Pescetarier gelesen, die kein Fleisch, aber Fisch essen
       und das damit begründen, [3][dass die lautlosen Tiere nicht leiden]. Als
       angelnder Sohn habe ich aber über das Ende der glitschigen Kreaturen
       natürlich nie gerne und tiefer nachdenken wollen. Und sowieso hatte ich
       schnell Zweifel: Allein die Kraft, die auch noch so kleine Tiere
       aufbringen, um zu fliehen, wenn sie am Haken hängen, ist beachtlich. Angler
       nennen es Drill, wenn sie [4][den sich wehrenden Fisch an Land ziehen]. Das
       Adrenalin schießt. Und: Viele Fische können fliehen. Nicht alles, was
       beißt, landet auch in der Pfanne.
       
       Auch bei uns beiden. Wir gehen immer noch manchmal angeln, seit
       Jahrzehnten, um Papa-und-Sohn-Zeit zu erleben. Es ist wunderschön, vertraut
       – und auch etwas sinnlos. Papa isst den Fisch, den er angelt, nämlich seit
       Langem nicht mehr („Zu viele Gräten“). Bei den allermeisten nimmt er
       vorsichtig den Haken heraus, wirft ihn wieder ins Wasser, grinst und sagt:
       „Jetzt hat er Zahnschmerzen.“
       
       12 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.nature.com/articles/s41598-025-04272-1
   DIR [2] /Fischfang-in-der-Ostsee/!5860698
   DIR [3] /Schmerzempfinden-bei-Fischen/!5688493
   DIR [4] /Fischbestaende-in-Norwegen-gesunken/!6016165
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai Schöneberg
       
       ## TAGS
       
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