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       # taz.de -- Parlamentswahl in Venezuela: Alles bleibt wie es ist – egal, was die Ergebnisse sagen
       
       > Mit einer angeblichen Wahlbeteiligung von 42 Prozent heimst die
       > Regierungspartei wieder einmal den Sieg ein. Es gibt Zweifel an der
       > Glaubwürdigkeit.
       
   IMG Bild: Das Ergebnis war absehbar: ein Soldat vor einem Wahllokal im venezolanischen Caracas
       
       Buenos Aires taz | Es war der erwartete Erdrutschsieg. Mit 83 Prozent der
       Stimmen hat die chavistische Partei Gran Polo Patriótico Simón Bolívar des
       Präsidenten Nicolás Maduro die Parlamentswahl in Venezuela gewonnen.
       Zugleich stellt sie zukünftig in 23 Bundesstaaten den Gouverneur. Lediglich
       im kleinen Bundesstaat Cojedes konnte sich der Kandidat der Opposition
       durchsetzen. Die Wahlbeteiligung lag bei 42 Prozent, nach Angabe des
       Nationalen Wahlrats. Dennoch prägten weitgehend leere Wahllokale das Bild
       des Urnengangs, bei dem 21,4 Millionen Wahlberechtigte dazu aufgerufen
       waren, die 285 Abgeordneten der Nationalversammlung, 24 Gouverneure sowie
       Bürgermeister und regionale Abgeordnete zu wählen.
       
       Der Wahltag war ohne große Zwischenfälle verlaufen. Schon vor der Wahl
       waren führende Oppositionspolitiker unter dem Vorwurf der Verschwörung und
       Sabotage festgenommen worden. Nach Angaben von Innenminister Diosdado
       Cabello wurden insgesamt 70 Personen verhaftet, darunter auch ausländische
       Staatsbürger. Beweise für die Anschuldigungen wurden bisher nicht
       vorgelegt.
       
       Ein großer Teil der Opposition hatte zu einem Wahlboykott aufgerufen. „Das
       Volk hat heute das getan, was dieses Regime am meisten fürchtet – bewussten
       und mutigen Ungehorsam“, erklärte Oppositionsführerin Maria Corina Machado.
       Mehr als 85 Prozent der Wahlberechtigten hätten diesen Ungehorsam
       praktiziert, so Machado. Der Boykottaufruf war eine Reaktion auf den
       Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen im Juli 2024, bei denen der
       Oppositionskandidat Edmundo González Urrutia nach Angaben der Opposition
       rund 70 Prozent der Stimmen erhielt. [1][Dennoch erklärte der Nationale
       Wahlrat Präsident Nicolás Maduro zum wiedergewählten Sieger]. Bis heute
       wurden keine offiziellen Wahlergebnisse bekannt gegeben.
       
       Angaben des Nationalen Wahlrats wie etwa die Wahlbeteiligung von nun 42
       Prozent sind deshalb mit Vorsicht zu betrachten. Nach Umfrage des
       Meinungsforschungsinstituts Delphos gaben vor der Wahl nur 16 Prozent der
       Wahlberechtigten an, mit hoher Wahrscheinlichkeit wählen gehen zu wollen.
       Von diesen gaben rund 75 Prozent an, sie würden für die Kandidaten der
       Regierungspartei und ihrer Verbündeten stimmen. Und 14 Prozent gaben an,
       sie würden für die Kandidaten der Opposition stimmen, die die Wahl nicht
       boykottieren.
       
       ## 80 Prozent der Bevölkerung leben in Armut
       
       Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles hatte sich gegen
       einen Boykott ausgesprochen und kandidierte erfolgreich für einen Sitz in
       der Nationalversammlung. „Eine Stimmenthaltung macht es der Regierung nur
       leichter“, so Capriles. Zumal die zukünftige Nationalversammlung eine
       Verfassungsreform diskutieren werde. „Deshalb will ich die Stimme derer
       sein, die keine Stimme haben“, erklärt er.
       
       Maduro hatte am Sonntag angekündigt, dass er der neuen Nationalversammlung
       ein Verfassungsreformprojekt und eine „vollständige Überarbeitung“ des
       Wahlsystems vorschlagen werde. „Es geht darum, alle Wahlgesetze zu
       reformieren“, so Maduro im Anschluss an seine Stimmabgabe. Ziel sei es, die
       Vorwahlen in den Gemeinde- und Kommunalräten zusammenzulegen. Kritiker wie
       der Soziologe Edgardo Lander sehen darin die Absicht, ein pyramidenartiges
       Wahlsystem nach kubanischem Vorbild einzuführen. Das würde es der Regierung
       ermöglichen, alles, was in diesen kommunalen Organisationen geschieht, zu
       kontrollieren und abweichende Meinungen auf jeder Ebene herauszufiltern.
       „Die direkte und geheime Wahl wäre dann abgeschafft“, so Lander.
       
       Die Wahlen fanden außerdem vor einem [2][dramatischen sozialen Hintergrund]
       statt: [3][80 Prozent der Bevölkerung leben in Armut]. Der Mindestlohn
       beträgt nur drei Dollar pro Monat. Die bescheidene Erholung des Konsums in
       den letzten Jahren ist nach Angaben privater Wirtschaftsinstitute zum
       Stillstand gekommen. Die monatliche Inflation liegt bereits jetzt bei 20
       Prozent, für das laufende Jahr ist eine dreistellige Inflationsrate und ein
       Rückgang der Wirtschaftsleistung erwartet. Offizielle Daten zu alldem
       werden schon lange nicht mehr veröffentlicht.
       
       26 May 2025
       
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