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       # taz.de -- Wie wir Hoffnung kommunizieren: Erlebe Gutes und rede darüber
       
       > Wir machen etwas falsch, wenn wir unsere Freuden und Erfolge für uns
       > behalten. Denn wie wir die Welt darstellen, verändert auch die Welt.
       
   IMG Bild: Wir sind bunt und mehr und reden darüber – gerade auch in W'Bach!
       
       Ich hatte mal eine Signal-Gruppe mit Freundinnen, die sich nicht mehr so
       oft sahen und trotzdem miteinander Alltag teilen wollten.
       
       Tägliche Herausforderungen, lustige Begebenheiten und Arbeitsanekdoten
       wurden in die Gruppe gepostet. Irgendwann ist sie gekippt. Unser Chat war
       zu einer Beschwerdestelle geworden. Zu einem Stress-Dump und
       Frustabladungs-Punkt. Es gab keine Bilder mehr von Geburtstagstorten und
       Spaziergängen. Statt Memes dominierten Links auf Schreckensmeldungen aus
       Natur und Politik.
       
       Auf „habt ihr schon gelesen, dass…“ folgte nie etwas Gutes. Dazu kam
       persönlicher Frust. Ich glaube, irgendwann war ein Punkt erreicht, ab dem
       sich keine von uns mehr traute oder nur auf die Idee kam, von den guten
       Seiten des Lebens zu berichten.
       
       Wenn die erste erzählt, dass sie diese Wohnung wieder nicht bekommen hat,
       die zweite, von ihrer Krankheit, die dritte, dass sie auf der Straße
       rassistisch attackiert wurde… kann die vierte dann noch etwas von ihrem
       guten Tag erzählen?
       
       ## Klappt wirklich nichts mehr?
       
       Vielleicht behält man dann die bestandene Prüfung oder das schöne Date
       lieber für sich – oder teilt die eine Sache, die nervig war und erzählt
       statt von der guten Prüfung vom verspäteten Zug nach Hause: „[1][Nichts
       klappt meh]r bei der Bahn“.
       
       Dieser Dynamik waren wir eine ganze Weile verfallen, bis eine von uns
       fragte: „Passiert euch eigentlich auch mal was Schönes?“ Mich hat
       erschreckt, dass ich diese Intervention brauchte, um zu verstehen, was sich
       bei uns entwickelt hatte. Seitdem bemühe ich mich, meine Kontexte auf diese
       Dynamik hin zu überprüfen.
       
       Ich bin kein Fan dieser bemühten Gute-Nachrichten-Seiten; und ich teile
       diese Erfahrung nicht, weil ich dagegen bin, Wut und Frust zu teilen. Oder,
       weil ich finde, wir sollten weniger über Probleme reden. Ich habe viele
       Freund*innen und Verbündete gefunden, weil wir uns gemeinsam über etwas
       aufgeregt haben. Viel Positives entsteht aus Protest.
       
       Trotzdem und vielleicht auch deshalb ist es eine Entscheidung, welchem Teil
       der Erzählung wir mehr Raum geben. Zeige ich Bilder von einem
       Nazi-Aufmarsch und beschreibe detailliert deren Auftreten und Forderungen
       oder berichte ich vom lauten, bunten und vielleicht auch zahlenstärkeren
       [2][Gegenprotest]?
       
       ## Die eigene Position stärken
       
       Ich kann die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass ein Rassist ein
       rassistisches Buch geschrieben hat, oder diese Aufmerksamkeit
       antirassistischen Texten oder Autor*innen of Color zukommen lassen. Auf
       dem Platz, auf dem steht, wie männerdominiert das Theater ist, könnte auch
       die Arbeit besprochen werden von Leuten, die keine cis Männer sind.
       
       Mein Eindruck ist, dass einiges an Zeit, die man damit verbringt, sich an
       rechten Positionen abzuarbeiten, besser genutzt wäre, eigene Themen zu
       setzen und die eigene Position zu stärken. Gerade online kommt man nicht
       hinterher, Nazikommentaren und [3][Fake News] zu widersprechen. Und wenn
       man es tut, gibt man dem jeweiligen Ursprungspost noch Reichweite.
       
       Ich möchte die Energie hier abziehen und sie mehr in Themen, Aussagen und
       Menschen stecken, die meine Werte teilen. Die versuchen, Gutes zu bewirken
       und von denen ich etwas lernen kann. Geteiltes Leid ist halbes Leid und
       Leid teilen funktioniert in meinem Umfeld sehr gut. Wir können aber keine
       doppelte Freude haben, wenn wir unsere Freuden und Erfolge für uns
       behalten.
       
       29 May 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Dede Ayivi
       
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