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       # taz.de -- Strafbarkeit von Holocaustvergleichen: Wir brauchen keine Metaphernpolizei
       
       > Holocaustvergleiche sind fast immer falsch – ein Schild mit dem Satz
       > „Haben wir aus dem Holocaust nichts gelernt?“ strafbar zu machen, ist es
       > auch.
       
   IMG Bild: Eine Geldstrafe wegen der Frage „Haben wir aus dem Holocaust nichts gelernt?“ bei einer Gaza-Demo? So entschied ein Berliner Gericht
       
       Holocaustvergleiche sind fast immer politisch falsch und moralisch
       empörend. Das gilt insbesondere, wenn das Verhalten Israels zum Holocaust
       in Bezug gesetzt wird. Aber solche Vergleiche und Bezüge sind meist
       eindeutig Meinungen und Wertungen, keine Tatsachenbehauptungen. Hier geht
       es um den Kern der Meinungsfreiheit, die gerade abwegige und schockierende
       Auffassungen schützt.
       
       Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat jetzt eine junge Frau wegen
       [1][Holocaustverharmlosung zu einer Geldstrafe verurteilt], weil sie mit
       Bezug auf den Gazakrieg ein Schild trug: „Haben wir aus dem Holocaust
       nichts gelernt?“ Das Urteil zeigt exemplarisch, warum die Rechtsprechung
       zur Holocaustverharmlosung viel zu weit geht.
       
       Es mag Fälle geben, da wird die Verharmlosung des Holocausts zu Recht
       bestraft, etwa wenn es um eine Teilleugnung geht („Es wurden viel weniger
       als sechs Millionen Juden getötet“). Bei Holocaustvergleichen steht die
       Dimension des Holocausts jedoch gerade nicht infrage. Sie werden nur
       benutzt, um die Ungeheuerlichkeit anderer (tatsächlicher oder
       vermeintlicher) Verbrechen aufzuzeigen, von Corona-Impfungen über die
       Massentierhaltung bis zum israelischen Vorgehen in Gaza.
       
       Der Holocaust wird bei solchen Vergleichen zur (meist völlig unpassenden)
       politischen Metapher, als Ausdruck einer menschengemachten Hölle. Über die
       Angemessenheit solcher sprachlicher Verirrungen kann und sollte politisch
       und moralisch gestritten werden. In einem freiheitlichen Staat mit Rede-
       und Meinungsfreiheit sollten abwegige Metaphern aber kein Fall für die
       Polizei und für Strafgerichte sein.
       
       Das Berliner Urteil geht insbesondere fehl, weil es keine explizite
       Gleichsetzung von Gazakrieg und Holocaust betrifft, diese vielmehr nur
       unterstellt. Dabei ist laut Bundesverfassungsgericht bei Mehrdeutigkeiten
       im Zweifel eine nicht strafbare Bedeutung anzunehmen. Diese liegt hier
       nahe.
       
       Wenn man aus dem Holocaust die Lehre zieht, dass die Menschenrechte immer
       und überall zu achten sind – auch in Gaza –, kann das nicht strafbar sein.
       
       15 Jun 2025
       
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