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       # taz.de -- Zum ersten deutschen „Veteranentag“: Leichte Gespräche statt schweren Geräts
       
       > Zum ersten Veteranentag präsentiert sich die Bundeswehr nahbar und
       > familienfreundlich. Kritiker*innen warnen vor einer „Verherrlichung
       > der Bundeswehr“.
       
   IMG Bild: Verteidigungsminister Boris Pistorius beim ersten Nationalen Veteranentag in Hamburg
       
       Berlin taz | Alles beginnt mit einer Dosis James Brown. Eine kleine
       uniformierte Band spielt dessen Gute-Laune-Funk-Hit „I Got You (I Feel
       Good)“ und ist prompt umringt von Schaulustigen.
       
       Die Bundeswehr präsentiert sich beim [1][ersten Nationalen Veteranentag]
       nahbar: Die zentrale Veranstaltung am Spreebogen im Berliner
       Regierungsviertel wurde im Vorfeld als „großes Familienfest“ beworben. Zu
       sehen sind Soldat*innen in Ausgehuniformen oder Flecktarn, aber auch
       Zivilist*innen, Kinder und Senior*innen. Es gibt leichte Gespräche statt
       schweren Geräts, zwischen Streetfood (Empanadas, Hamburger, Berliner
       Eisbein) und Getränkeständen. Diese sind bei 32 Grad im Schatten gut
       besucht.
       
       Das Ziel dieser Inszenierung: Distanz abbauen, Bande knüpfen zwischen
       Zivilgesellschaft und Truppe. „Es geht um die Wertschätzung in der
       Gesellschaft“, sagt Bernhard Drescher [2][vom Bund Deutscher
       EinsatzVeteranen (BDV)] der taz in einem Zelt im sogenannten
       „Veteranendorf“. Er hat mit seinem Verein 15 Jahre lang für die Einführung
       dieses Tages gekämpft. Der Veteranentag könne „eine tiefere Verbindung
       zwischen Mensch, Gesellschaft und dem System Bundeswehr“ ermöglichen,
       glaubt Drescher.
       
       2024 hatte der Bundestag mit den Stimmen von SPD, den Grünen, der FDP und
       der Union die Einführung des Veteranentages beschlossen. Es gehe, sagte
       Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), „um die Anerkennung
       derjenigen, die in letzter Konsequenz bereit sind, das Äußerste für andere
       zu geben, und die ihr Leib und Leben für unser Land einsetzen“.
       
       ## Vehemente Ablehnung von links
       
       Sein Ministerium gibt die Zahl der Veteran*innen mit zehn Millionen
       Menschen an. Anders als in vielen anderen Ländern gilt in Deutschland seit
       2018 ein weiter Veteran*innenbegriff, vom Einsatzveteran über die aktive
       Soldatin bis hin zu ehemaligen Grundwehrdienstleistenden [3][sollen
       möglichst alle angesprochen werden].
       
       Doch die Skepsis ist groß, der erste Veteranentag mit seinen bundesweit
       rund 130 Veranstaltungen ist umstritten – im linken Spektrum gibt es
       vehemente Ablehnung. In 13 Städten kaperten Aktivist*innen
       Werbevitrinen und überklebten Bundeswehr-Botschaften mit Kritik –
       sogenanntes Adbusting.
       
       Am Rande der Veranstaltung in Berlin formierten sich Bündnisse linker und
       antifaschistischer Gruppen zu Gegendemonstrationen. „Wir feiern eure Kriege
       nicht!“, lautete ein Motto. Am Bahnhof Friedrichstraße prangt an einem
       Laster ein Banner: „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller
       Welt“.
       
       Kritiker*innen werten den Veteranentag vor dem Hintergrund der Debatten
       um Wehrpflicht und „Kriegstüchtigkeit“ als einen weiteren Aspekt
       [4][zunehmender gesellschaftlicher Militarisierung]. Desiree Becker, die
       für die Linksfraktion im Verteidigungsausschuss des Bundestages sitzt,
       kritisiert, dass der Veteranentag vor allem Werbung für die Bundeswehr
       selbst sei. Der Umgang mit denjenigen, die in den Einsatz geschickt wurden
       und verletzt heimgekehrt seien, würde dagegen nicht im Mittelpunkt stehen.
       
       ## Konkrete Formen der Anerkennung als Ziel
       
       Auch Sprecher*innen des Gegendemo-Bündnisses sehen eine „Verherrlichung
       der Bundeswehr“. Die familiengerechte Selbstdarstellung verstelle den Blick
       auf Kritikwürdiges, erklärten sie. Um die Bedürfnisse von Veteran*innen
       ginge es nur vordergründig.
       
       Tatsächlich wünschen sich auch Veteran*innenverbände konkretere
       Formen der Anerkennung. Der BDV etwa fordert eine beschleunigte Akzeptanz
       von seelischen Erkrankungen wie Posttraumatischen Belastungsstörungen
       (PTBS). Oft brechen Krankheiten viele Jahre später aus, Betroffene warten
       teils jahrelang auf die Bewilligung von Anträgen, so Drescher. Sein Verein
       betreut mit 156 ehrenamtlichen Mitarbeitenden knapp 500 betroffene
       Familien.
       
       Drescher will, dass der Veteranentag nicht bei bloßer Gute-Laune-Symbolik
       bleibt. Mit den Kritiker*innen ist er sich in diesem Punkt sogar einig.
       So sagt auch Linken-Politikerin Becker, solange Veteran*innen nicht
       adäquat versorgt würden, sei „der Veteranentag nichts anderes als ein
       Marketingcoup auf dem Rücken der Truppe“.
       
       15 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.veteranentag.gov.de/
   DIR [2] https://www.veteranenverband.de/
   DIR [3] /Zum-Nationalen-Veteranentag/!6093838
   DIR [4] /Auf-den-Kriegsdienst-einstimmen/!6093344
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sönke Gorgos
       
       ## TAGS
       
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