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       # taz.de -- Politischer Reispreis in Japan: Der Reis ist heiß (und muffig)
       
       > Japans Regierung will ihre Wahlchancen verbessern. Deswegen verkauft sie
       > alten Reis aus der Staatsreserve, den die Opposition als Tierfutter
       > bezeichnet.
       
   IMG Bild: Weil die Preise steigen, gibt es in Japan jetzt Reis aus der Reserve
       
       Tokio taz | Seit über drei Jahren ertragen die Japaner erstaunlich
       gelassen, dass die Preise schneller steigen als die Löhne, obwohl sie zwei
       Jahrzehnte lang keine Inflation mehr kannten. Doch die [1][Verdopplung des
       Reispreises] in einem Jahr überstrapaziert ihre Geduld. Pro Kalorie ist
       Reis nun teurer als Brot.
       
       Neue Umfragetiefs ließen daher bei [2][Premier Shigeru Ishiba] die
       Alarmglocken läuten. Der von Japanern heiß geliebte Reis muss billiger
       werden, so sein Kalkül, sonst wird seine Liberaldemokratische Partei (LDP)
       die Oberhauswahl am 20. Juli verlieren und er selbst womöglich sein Amt
       verlieren. Ishiba führt eine Minderheitsregierung, seit die LDP bei der
       Wahl im Oktober erstmals seit 15 Jahren ihre absolute Mehrheit verlor.
       
       Der Premier will die Reispreise durch eine Erhöhung des Angebots drücken.
       Außer dem vermehrten Import von ausländischem Reis verkauft er insgesamt 90
       Prozent der staatlichen Reserve, die eigentlich der Notversorgung nach
       Katastrophen dient.
       
       Drei staatliche Auktionen von über 300.000 Tonnen Reis an Großhändler
       beeinflussten den Preis für Endverbraucher jedoch nicht. Vielmehr stieg der
       durchschnittliche Preis eines Fünf-Kilo-Sacks bis Mitte Mai sogar auf rund
       25 Euro, das Doppelte des Vorjahres.
       
       ## 2021 geernteter Reise ist wegen seines Alters so billig
       
       Darauf ließ Ishibas neuer Agrarminister Shinjiro Koizumi weitere 300.000
       Tonnen aus der Reserve verkaufen, jetzt direkt an Einzelhändler. Lange
       Schlangen bildeten sich, als dieser Reis Ende Mai für nur 12 Euro je 5 Kilo
       in die Supermärkte kam.
       
       Die Kontingente von Onlinehändlern waren innerhalb weniger Stunden
       ausverkauft. Der Reis war so billig, weil er bereits 2021 geerntet wurde.
       
       Deshalb kritisierte Yuichiro Tamaki, Chef der Demokratischen Partei für das
       Volk, den Verkauf von „ururaltem“ Reis als Zumutung für die Verbraucher.
       Der sei doch Tierfutter. Kazuhiro Haraguchi von der
       Konstitutionell-Demokratischen Partei sagte: Dieser Reis werde überwiegend
       von Hühnern gefressen.
       
       Beide spielten darauf an, dass der vier Jahre alte Reis, auf Japanisch
       „alter, alter, alter Reis“ (kokokomai) genannt, unter normalen Umständen
       nächstes Jahr als Tierfutter verkauft worden wäre.
       
       ## Minister isst demonstrativ ein Reisbällchen
       
       Agrarminister Koizumi konterte, indem er öffentlich in ein Onigiri-Bällchen
       aus dem Altreis biss. Laut einer Umfrage des TV-Senders ANN erklärten fast
       zwei Drittel der Befragten, der Altreis schmecke trocken, zäh und muffig.
       
       Aber für Premier Ishiba wirkte sich der Streit positiv aus, obwohl der
       Reispreis bisher kaum gefallen ist. Sein Zustimmungswert stieg laut einer
       Umfrage gegenüber Mai um fünf Punkte auf 37 Prozent. Koizumi will jetzt
       weitere 200.000 Tonnen „ururalten“ Reis an Einzelhändler verkaufen.
       
       17 Jun 2025
       
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       ## AUTOREN
       
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