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       # taz.de -- Champions League im Handball: Mensch mit Größe
       
       > Mathias Gidsel von den Füchsen Berlin gilt als weltbester Handballer. Im
       > Finalturnier der Champions League schwächelt er und Magdeburg
       > triumphiert.
       
   IMG Bild: Im Griff des Gegners: Mathias Gidsel steigt im Finale der Champions League vergeblich hoch
       
       Köln taz | Die Menschwerdung des Mathias G. begann am Samstag mit einer
       frühen Roten Karte. Sie setzte sich am Sonntag im Finale seiner Berliner
       Füchse gegen den [1][SC Magdeburg] fort. Gidsel wollte, aber die
       Magdeburger ließen ihn nicht. Der weltbeste Handballer biss auf Granit. Als
       er Mitte der zweiten Halbzeit Fehlwürfe und Fehlpässe in völlig ungewohnter
       Manier aneinander reihte, war die Aufholjagd abgeblasen, bevor sie beginnen
       konnte.
       
       Die Füchse verloren 26:32. In der Interviewzone der Arena in Köln-Deutz
       bilanzierte ein gar nicht so enttäuschter Gidsel, dass der Gegner einfach
       besser gewesen war.
       
       Wer den Dänen aus Skjern [2][bei der Heim-WM im Januar in Herning und
       später in Oslo] gesehen hatte, kam aus dem Schwärmen nicht heraus – obwohl
       ja jede Welt weiß, wie gut der eher schmale Linkshänder mit den
       geschmeidigen Bewegungen ist. Keiner hat mehr Körperkontrolle.
       
       Vorn wie hinten gönnt Gidsel seinem Körper keine Pause, geht voran, will
       immer spielen; die Form der Weltmeisterschaft konservierte der freundliche,
       ruhige Weltstar dieser Sportart in Berlin und führte sie gerade [3][zur
       ersten deutschen Meisterschaft]. Nahbar für die Fans, gerade die jungen,
       und mit der Gabe gesegnet, aus seinen Mitspielern das Beste herauszuholen,
       ist der bis zum 30. Juni 2029 unter Vertrag stehende Däne Herz und Motor
       der Berliner.
       
       Als er im Halbfinale nach neun Minuten wegen einer unnötigen Grätsche
       rausmusste, gab er dem Team in der Pause mit auf den Weg: „Macht es einfach
       ohne mich. Ihr könnt das. Mein Traum ist geplatzt, aber eurer lebt weiter.“
       Jeder wuchs über sich hinaus, Nantes hatte keine Chance. Besonders Nils
       Lichtlein, der junge Fuchs, und Fabian Wiede, der erfahrene Linkshänder,
       trugen die Mannschaft.
       
       ## Stark ohne Gidsel
       
       Kurioserweise wirkten die Berliner dann im großen Finale der Champions
       League am Sonntagabend mit ihrem Anführer verwundbar (eine Rote Karte zieht
       im Handball keine Sperre nach sich). Magdeburg doppelte ihn, ließ ihm
       keinen Raum zur Entfaltung. Gar keinen Raum, denn er braucht wenig. So war
       diese einseitige Partie mit dem 23:17 für den SCM Mitte der zweiten
       Halbzeit entschieden. Mut und Entschlossenheit des Halbfinals waren
       verschwunden – was auch an vielen Paraden des Magdeburger Torwarts Sergey
       Hernandez lag. Besonders Mathias Gidsels Nationalmannschaftskollege Lasse
       Andersson traute sich kaum noch, zu werfen. So blieb Gidsel nur, seinem
       Kumpel auf der anderen Seite, Magnus Saugstrup, zu gratulieren.
       
       Der hatte ihn mit allen erlaubten Mitteln bekämpft. Später lagen sie sich
       in den dänischen Armen. „Wir wissen doch alle, dass Mathias der beste
       Spieler der Welt ist“, lobte Saugstrup, „ihm geht die Kraft nie aus. Aber
       wir waren immer zu zweit an ihm dran, dann wird es selbst für ihn
       schwierig.“
       
       Vor dem Spiel hatte der Berliner Kollege Matthes Langhoff noch staunend
       gesagt, dass Gidsel für alle müden Handballprofis ein Vorbild sei: „Wir
       haben alle so viel gespielt die vergangenen beiden Jahre. Aber du traust
       dich im Training nicht, müde zu sein, weil Mathias jeden Tag wirkt, als
       hätte er gerade zwei Wochen Urlaub gehabt.“
       
       ## Viel durchgemacht
       
       Seit bei der WM 2021 in Ägypten sein Stern aufging, hat Gidsel viel
       durchgemacht. Er machte seine mentalen Probleme öffentlich. Selbstzweifel
       und düstere Gedanken hatten ihn an den Rand seiner Kräfte gebracht. Gidsel
       suchte professionelle Hilfe, sprach drüber und enttabuisierte so dieses im
       Profisport verbreitete, aber verschwiegene Thema.
       
       Die Verletzungspause nach einem Kreuzbandriss ein Jahr später nutzte er für
       weitere mentale Stabilisierung. Nun ist da ein 26 Jahre junger Mann [4][aus
       dem ländlich-jütländischen Skjern], der jetzt erst mal mit Freundin und
       Hund zu seinen Eltern fährt, die Hausmannskost seiner Mutter genießt und
       vom Prenzlauer Berg in die unscheinbare Normalität der dänischen Provinz
       entflieht. Wobei er gar nicht fliehen muss; Gidsel erfüllt seinen
       öffentliche Part geduldig, ohne jedes Stargehabe. Er hat den inneren
       Abstand zu seiner äußeren Rolle gefunden. Vielleicht ist diese Leistung
       sogar die beeindruckendere als Tore, Pässe, Zweikämpfe.
       
       Dass er diesmal leer ausging – davon war Mathias Gidsel nichts anzumerken,
       als er Sonntagabend versonnen vor sich hin lächelnd durch den Keller der
       Arena ging. Er wird weitere Chancen bekommen, wenn nicht mit den Füchsen,
       dann ganz bestimmt im Trikot der dänischen Nationalmannschaft. Niederlagen
       haben großen Karrieren nie geschadet.
       
       16 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.scm-handball.de/news/news-detail-page/scm-gewinnt-erneut-die-champions-league
   DIR [2] /Handball-WM-der-Maenner/!6059839
   DIR [3] /Erster-Titel-fuer-Berlins-Handballer/!6090064
   DIR [4] https://www.rksk.dk/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Heike
       
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