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       # taz.de -- Altmunition in der Ostsee: Fachleute treffen sich in Kiel
       
       > Auf der „Kiel Munition Clearance Week“ geht es um rostende Altmunition in
       > der Ostsee. Geplant ist deren Zerlegung auf schwimmenden Plattformen.
       
   IMG Bild: Schon ein paar Jahre her und immer noch aktuell: Ein Taucher der Uni Kiel nähert sich 2017 einem Munitionsrest in der Ostsee
       
       Kiel taz | Rund 300.000 Tonnen Altmunition liegen auf dem sandigen Grund
       der Ostsee – allein in deutschen Hoheitsgewässern. Im gesamten Binnenmeer
       sollen es mehr als eine Million verrosteter Tonnen Bomben, Minen und
       Patronen sein. Aus den Altlasten der Weltkriege treten Schadstoffe aus, und
       das Problem wächst. Um eine Lösung zu finden, treffen sich nun
       internationale Fachleute für Munition und Umweltschutz aus Politik und
       Industrie zur zweiten Kiel Munition Clearance Week.
       
       Während bei der ersten Veranstaltung 2021 im Mittelpunkt stand,
       Öffentlichkeit für das Thema herzustellen, soll es nun um konkrete Projekte
       gehen. Denn die Zeit drängt: Rund 3.000 Kilogramm gelöste giftige
       Chemikalien sind bereits freigesetzt worden, zeigt eine aktuelle Studie des
       „Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel“. Die Forschenden fanden
       TNT und andere Munitionschemikalien in fast jeder Wasserprobe. „Die
       Konzentrationen lagen meist weit [1][unterhalb der toxikologisch
       bedenklichen Schwellenwerte]“, teilt Aaron Beck vom Geomar mit. Doch in
       einigen Fällen näherten sich die Werte kritischen Konzentrationen.
       
       In der Ostsee – klein, flach, mit nur wenigen Zu- und Abflüssen – zeigt
       sich das Problem besonders deutlich. Aber Altmunition findet sich in vielen
       Meeren, und aktuelle Kriege verschärfen die Lage täglich. So sollen die
       Erfahrungen aus der Ostsee eine „einzigartige Blaupause für die Bekämpfung
       von Munition in Meeresumwelt“ bilden, heißt es in der Ankündigung für die
       Kieler Konferenz.
       
       Schleswig-Holstein wolle dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, verspricht
       Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne): „Wir laden alle Akteure ein,
       sich gemeinsam mit uns den Herausforderungen der Altmunition zu stellen.“
       Das Land veranstaltet die Woche gemeinsam mit der Kieler Firma Northio. Das
       Unternehmen ist auf Geodaten spezialisiert, die für die Bergung von
       Munition gebraucht werden. Denn ein Problem im Umgang mit den explosiven
       Schadstoffen besteht darin, ihre genaue Lage auf dem Meeresgrund zu
       orten.
       
       In den vergangenen Jahren gab es in der Ostsee mehrere Projekte und
       Forschungsreihen, bei denen es einerseits um die Ortung, andererseits um
       die Bergung von Munition ging. Den „Wendepunkt von Forschung zur Umsetzung“
       rief im Juni 2024 Jens Greinert aus, Geomar-Experte für
       Munitions-Altlasten. Damals starteten nach jahrelangen Vorarbeiten [2][die
       ersten Fahrten, bei denen Waffenschrott vom Grund geholt und entsorgt
       wurde.]
       
       Bei der Kieler Konferenz stellen die Beteiligten den Stand dieses
       Pilotprojekts vor. Die Erfahrungen sollen dann „in breitere internationale
       Initiativen umgesetzt werden“, heißt es in der Ankündigung. Auf der Tagung
       beraten die Fachleute außerdem, wie sich die Munitionsräumung mit der
       „Industrialisierung der Ozeane“ und dem Aufbau von Off-Shore-Windparks
       verträgt.
       
       Bisher wird die Altmunition an Land entsorgt. Geplant ist aber eine
       Plattform, auf der Roboter die Bomben direkt über den Bergungsstellen
       zerlegen – das spart teure und gefährliche Transporte. Für die Entwicklung
       dieser Plattform hatte die Ampel-Regierung 100 Millionen Euro zur Verfügung
       gestellt. Dieses Programm solle langfristig fortgesetzt werden, versprach
       Bundesumweltminister Carsten Schnieder (SPD) auf der [3][UN-Ozeankonferenz
       in Nizza.]
       
       „Ein starkes Zeichen“, lobt die schleswig-holsteinische
       SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn ihren Parteifreund. Damit gehe
       die Bundesregierung voran, während die schwarz-grüne Koalition in Kiel
       bisher nur für „vollmundige Infoveranstaltungen“ sorge.
       
       18 Jun 2025
       
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