URI: 
       # taz.de -- Serie „Solange wir lügen“: Reich, schön, flach
       
       > Amazon verfilmt den Jugendroman-Hit „Solange wir lügen“. Fans dürften
       > sich freuen, doch die gezeigte Welt der Reichen ist voller Klischees.
       
   IMG Bild: Feiern auf der Privatinsel des Großvaters: Emily Alyn Lind, Esther McGregor, Joseph Zada und Shubham Maheshwari
       
       Die Verfilmung eines viralen Buch-Hits ist fast schon ein sicherer
       [1][Streamingerfolg]. Besonders die [2][Booktok]-Lieblinge der Jugend
       scheinen selbst bei bestenfalls mediokrer Verfilmung als Serie kaum
       enttäuschen zu können, wie „Maxton Hall“ zuletzt bewiesen hat. Als
       Buchreihe der deutschen Autorin Mona Kasten [3][ein Kassenschlager], setzte
       Amazon Prime mit der Verfilmung der Eliteinternatgeschichte aufs richtige
       Pferd und landete den erfolgreichsten nichtamerikanischen Serienstart von
       Amazon Prime aller Zeiten.
       
       Nun verfilmt der Streaminganbieter den Jugendbucherfolg „Solange wir lügen“
       von E. Lockhart. Der Roman ist, ebenso wie „Maxton Hall“, dem Genre „Young
       Adult“ zuzuordnen, richtet sich also an Leser*innen in den Jugendjahren
       und spielt ebenfalls in der für die „Young Adult“-Szene so typischen Sphäre
       des „alten Geldes“.
       
       Das ist nicht uninteressant: Junge Leserinnen (Frauen sind zentrale
       Zielgruppe von „Young Adult“) sind fasziniert von alteingesessenen Familien
       mit fragwürdigen Patriarchen und endlosem Geld. Der Nachwuchs dieser
       Familien rückt typischerweise ins Zentrum des Geschehens, die
       Liebesgeschichte, ein weiteres Merkmal des Genres, bezieht sich häufig auf
       ein Gegenüber, das integer und aufrecht, aber arm und titellos ist – kennt
       man irgendwoher, oder?
       
       Sogar eine eigene Ästhetik hat sich in der Zielgruppe des Genres etabliert:
       Der sogenannte Old-Money-Stil spielt auch visuell in „Solange wir lügen“
       eine Rolle. Die drei Sinclair-Erben verbringen ihre Sommer auf der
       Privatinsel des Großvaters. Charakterisiert wird die reiche Jugend durch
       eine so makellose Haut, wie sie nur Generationen der sorglosen Nichtarbeit
       hervorbringen können, durch ihre Tennisröckchen und ihre Polohemden.
       
       ## Der unerträglich devote Blick
       
       Die Hauptfigur Cadence (Emily Alyn Lind) verliebt sich in Gat (Shubham
       Maheshwari), der weniger teures Blut in sich trägt und daher von der
       Familie als ihr Partner abgelehnt wird. Die Serie wird im Rückblick
       erzählt, Cadence erleidet einen Gedächtnisverlust und kann sich an eine
       Familienkatastrophe nicht mehr erinnern, woraufhin sie versucht, zu
       rekonstruieren, was in dieser einen Sommernacht geschah.
       
       Dass die Buchvorlage von E. Lockhart, eigentlich Emily Jenkins und
       promovierte Literaturwissenschaftlerin, wenigstens in Ansätzen versucht,
       Trauma und Verlust aufzufangen, ist im „Young Adult“-Genre nicht
       selbstverständlich und durchaus erwähnenswert.
       
       Die Umsetzung in der Serie ist gleichermaßen enttäuschend wie erwartbar:
       äußerst wenig Plot in äußerst vielen Minuten. Teilweise ist die Besetzung
       gut gewählt, Meryl Streeps Tochter Mamie Gummer glänzt als reiche
       Mutterfigur, Esther Rose McGregor als sensible junge Sinclair. Linds
       devoter Blick ist für die Zuschauerschaft leider schnell nicht mehr zu
       ertragen, die Liebesgeschichte zwischen Cadence und Gat wirkt unrealistisch
       und konservativ.
       
       ## Authentische Liebesgeschichten und Identifikation
       
       Nachvollziehbare Romantik und überzeugendes Begehren scheitern an Besetzung
       und Regie. Dass auch „Young Adult“-Verfilmungen berührende, authentische
       Liebesgeschichten voller Identifikationspotenzial sein können, zeigt die
       Jugendserie „Der Sommer, als ich schön wurde“ (ab 16. Juli auf Amazon
       Prime).
       
       In „Solange wir lügen“ bleibt die Romanze so unglaubwürdig wie die Einsicht
       der Hauptfiguren, dass millionenschwere Familienoberhäupter sich nicht
       immer politisch korrekt verhalten. Natürlich wollen Jugendliche davon
       lesen, was sie nicht täglich erleben.
       
       Beim Ansehen von „Solange wir lügen“ kommt unwillkürlich die Frage auf, wie
       viel Sehnsucht überbordendem Reichtum wirklich entgegengebracht werden
       sollte – und ob es nicht sinnvollere und originellere
       Identifikationsflächen für Jugendliche geben könnte.
       
       19 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abkehr-vom-Binge-Watching-bei-Serien/!5847186
   DIR [2] /BookTok/!5930403
   DIR [3] /Romane-mit-Spice-und-Happy-End/!5979599
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marie-Sofia Trautmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Amazon Prime
   DIR Roman
   DIR TV-Serien
   DIR Coming-of-Age-Film
   DIR Coming-of-Age
   DIR Italien
   DIR Serien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bericht von der Frankfurter Buchmesse: Ist immer noch Krise?
       
       Young-Adult-Leser:innen kaufen viele Bücher. Chinesische Stände haben ihr
       eigenes „Narrativ“. Und natürlich wurde auf der Messe über KI diskutiert.
       
   DIR Erwachsenen-Faible für Teenie-Serien: Noch einmal jung sein
       
       „The Summer I Turned Pretty“ ist nicht die einzige Teenie-Serie, die auch
       von Erwachsenen geliebt wird. Woran liegt das?