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       # taz.de -- Gewollt kinderlos: Es ist gut, wie es ist
       
       > Muss da noch was kommen oder darf ich weiter entspannt im Café sitzen und
       > mit mir alleine sein? Unsere Autorin hat für sich eine Antwort gefunden.
       
   IMG Bild: Einfach mal den Moment genießen
       
       Ich sitze vor einem Café und drücke mich noch ein wenig vor dem Arbeiten.
       Vor mir steht ein Cappuccino, da läuft eine Mutter an mir vorbei. Ich
       vermute, dass sie Mutter ist, wobei sie auch irgendeine andere Frau mit
       Care-Auftrag sein könnte. Jedenfalls schiebt sie einen Baggy, in dem ein
       Kind sitzt, das sich lautstark bei ihr beschwert. Unsere Blicke treffen
       sich, und ich meine, so etwas wie Sehnsucht in ihren Augen lesen zu können,
       die eigenen Bedürfnisse nicht dauernd hintenanstellen zu müssen. Ich
       lächele sie mitfühlend an.
       
       Im Gegensatz zu ihr [1][habe ich keine eigenen Kinder] und bin die meiste
       Zeit froh darüber, denn ich liebe es, mit mir alleine zu sein. Ich lese
       dann, denke nach, schreibe, gehe ins Theater oder fahre spontan für ein
       paar Tage weg. Mal abgesehen davon bin ich auch ohne Kinder ein
       fürsorglicher Mensch. Ich kümmere mich gerne um meine Familie und
       Freund*innen, ich betreue journalistischen Nachwuchs, und dann muss ja auch
       noch jemand meine Wäsche waschen, und das bin dann ja wohl ich.
       
       Es ist ein Trugschluss, dass alles immer nur von der Kleinfamilie abgedeckt
       werden muss. Mein neuer Freund und ich, wir sind Familie füreinander. Zum
       Geburtstag schenkte mir eine meiner besten Freundinnen einen kleinen
       Glitzerhut, auf dem „Happy Birthday“ stand, und ich habe mich herrlich
       bemuttert gefühlt.
       
       Ostern verbrachte ich bei meinen Nachbarn, mit denen ich Crémant trank und
       ausgepustete Eier bemalte. Das Kinderthema ist trotzdem omnipräsent. Die
       meisten aus meinem Freundeskreis sind mittlerweile Eltern, andere probieren
       es noch. Als Kinderlose bin ich mit einem Mal in der Unterzahl und muss
       mich in meiner neuen Rolle noch zurechtfinden. Unabhängig von meiner
       geringen Eizellreserve fühlt sich die Welt für mich aber immer weniger nach
       einem guten Ort für die Gründung einer eigenen Familie an.
       
       ## Stress und Performancedruck
       
       Frauenrechte werden derzeit brutal beschnitten, die soziale Ungerechtigkeit
       nimmt zu. Viele Mütter, die ich kenne, klagen über Stress und
       Performancedruck. Sie führen ermüdende Diskussionen zur Arbeitsaufteilung
       oder nervenaufreibende Sorgerechtsstreite. Mit ihnen tauschen möchte ich
       nicht, zumal ich den Lohn für all die Strapazen ja schon erlebt habe. Eine
       Kindheit: meine. Und diese besondere Bindung auch: nämlich die [2][zu
       meinen Eltern.]
       
       Nach einem persönlichen Essay über Mutterschaft stellte mich jemand als
       Opfer der Emanzipation dar, weil ich angeblich deshalb viel zu lange mit
       dem Kinderkriegen gewartet hätte. Was für ein Bullshit!
       
       Ich kann der Frauenbewegung gar nicht genug danken, dass sie mir einen Raum
       eröffnet hat, in dem ich zögern, zweifeln und abwägen konnte. In dem es
       alleine bei mir lag, ob ich Mutter werden will oder nicht. Wobei: Wie frei
       war ich wirklich? Vielleicht wollte ich – von ein paar hormonellen Irrungen
       und Wirrungen mal abgesehen – ja noch nie wirklich ein Kind, aber habe mich
       nicht getraut, mir das einzugestehen. Aus Angst, verlassen zu werden, und
       weil kinderlose Frauen trotz all der feministischen Kämpfe selbst im 21.
       Jahrhundert noch immer schief angesehen werden.
       
       Jetzt bin ich da zum Glück weiter. Mit [3][40]. In einer Großstadt lebend,
       wo die Lebensentwürfe viel mannigfaltiger sind als auf dem Land. Aber muss
       da nicht noch etwas kommen?, fragte neulich eine Freundin. Finde ich nicht.
       Denn es kann ja auch einfach mal schön sein, wie es ist.
       
       20 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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