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       # taz.de -- Neue Umfrage zu Berlins Parteien: Linke im linken Lager Spitze
       
       > Erstmals seit Jahren liegt die Linkspartei laut neuer Umfrage wieder vor
       > SPD und Grünen – und bis zur Abgeordnetenhauswahl sind es nur noch 15
       > Monate.
       
   IMG Bild: Fahnenschwenkend im Herbst 2026 nicht auf die Barrikaden, sondern ins Rote Rathaus?
       
       Berlin taz | Sieben Jahre. Sieben lange Jahre hat die Linkspartei
       zurückscrollen müssen auf jener langen Liste mit Umfrageergebnissen, um
       sich dort in Führung zu finden. Bis zum Mittwochabend. Denn [1][nach den
       dort veröffentlichten Ergebnissen] ist die Partei aktuell alleinige
       stärkste Kraft im linken Lager, zwar hinter der CDU, aber deutlich vor
       Grünen und SPD. Wäre die nächste Abgeordnetenhauswahl am Sonntag und nicht
       in 15 Monaten, würde die Linkspartei das Rote Rathaus übernehmen und
       erstmals dort – mutmaßlich – mit einer Regierenden Bürgermeisterin
       einziehen.
       
       Das ist nicht bloß ein schlichter Führungswechsel. Die jetzigen 19
       Umfrageprozente sind vielmehr schier unglaublich. Ende November noch kam
       die Partei bei einer Befragung mit 6 Prozent gerade noch so über die
       5-Prozent-Hürde, die zum Einzug ins Abgeordnetenhaus berechtigt. Auf
       Bundesebene drohte sie, komplett unterzugehen und bei der nahenden Wahl aus
       dem Bundestag zu fliegen. Die anfangs viel belächelte [2][„Mission
       Silberlocke“ der Parteisenioren Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar
       Bartsch] schien die letzte Hoffnung zu sein, über drei gewonnene Wahlkreise
       im Bundestag bleiben zu können.
       
       Doch dank einer beeindruckenden Mobilisierungskampagne, dem großen Fehler
       von CDU-Chef Friedrich Merz, ein gemeinsames Abstimmen mit der AfD zu
       riskieren, und der schon jetzt legendären „Auf die Barrikaden“-Rede von
       Linken-Frontfrau Heidi Reichinnek wurde daraus im Februar ein sicherer
       Einzug in den Bundestag – und in Berlin mit fast 20 Prozent Platz 1.
       
       Was das landespolitisch heißen würde, war offen. Gut möglich schien auch,
       dass die Wählerschaft allein nach bundespolitischen Themen abstimmte und
       sich landespolitisch ganz anders entscheiden würde. Zumal bei der
       Bundestagswahl Migration und AfD dominierende Themen waren, während Berlin
       dauerhaft über zu wenig Wohnungen und aktuell über Tempo 30 diskutiert.
       
       ## Starkes Mitgliederwachstum
       
       Die neue, allein auf die Wahl zum Abgeordnetenhaus zielende Umfrage zeigt
       nun: Das Wahlergebnis vom 23. Februar war mehr als eine spontane
       Bauchentscheidung. Das ist umso überraschender, weil nicht wirklich klar
       ist, wie die Politik der Berliner Linkspartei künftig aussehen wird. Denn
       [3][der starke Mitgliederzuwachs seit Jahresbeginn] ist groß genug, um
       bisherige innerparteiliche Mehrheiten aushebeln können.
       
       Absehbar ist immerhin, dass innerhalb der Partei statt der sogenannten
       Regierungslinken zunehmend die Bewegungslinken das Sagen haben. Offenbar
       aber war und ist die Unzufriedenheit mit der aktuellen schwarz-roten
       Landesregierung derart ausgeprägt, dass diese politische Blackbox in Kauf
       genommen wird.
       
       Was auch deutlich wird: Die SPD ist weniger denn je eine Anlaufstelle für
       Protest – ihre jetzigen 14 Prozent liegen selbst noch unter ihrer
       18-Prozent-Schlappe von 2023, ihrem schlechtesten Berlin-Wahlergebnis
       überhaupt. Ähnliches gilt für Grünen: Sie lagen in der November-Umfrage
       noch bei 20 Prozent und sind nun auf 15 abgerutscht.
       
       Nun erstmals seit sieben Jahren wieder stärkste Kraft im linken Lager zu
       sein, hat für die Linkspartei eine viel größere Bedeutung als zum damaligen
       Zeitpunkt. 2018 war die nächste Abgeordnetenhauswahl noch drei Jahre
       entfernt, was in politischen Dimensionen eine Ewigkeit ist. Nun aber sind
       es bloß noch 15 Monate bis zum Wahltermin am 20. September 2026. Und wenn
       Berlin aus der in drei Wochen beginnenden parlamentarischen Sommerpause
       zurückkehrt, wird davon gerade mal noch ein Jahr übrig sein.
       
       ## Die erste von der Linkspartei geführte Koalition
       
       Das inzwischen schon mehrfach im Parlament gehörte Angebot von der
       Linkspartei an die SPD, zu einer auch jetzt schon möglichen rot-grün-roten
       Koalition zurückzukehren – es könnte in nur 15 Monaten eine umso realere
       Option sein. Bloß eben in umgekehrter Reihenfolge: Das erste und führende
       „Rot“ im Koalitionsnamen stünde dann nicht mehr für die SPD, sondern
       erstmals in Berlin für die Linkspartei. Was es bundesweit bislang nur in
       Thüringen gab, zwischen 2014 und 2024.
       
       Wer dann im Roten Rathaus den CDU-Mann Kai Wegner ablösen würde, ist
       allerdings noch offen. Als naheliegendste Lösung galt noch im vergangenen
       Jahr, Katja Kipping zur Spitzenkandidatin zu machen. Die frühere
       Bundesvorsitzende der Partei hatte als Sozialsenatorin von 2021 bis 2023
       einen anerkannt guten Job gemacht und arbeitet zurzeit für den
       Paritätischen Wohlfahrtsverband. Fraglich ist, ob die neuen Mehrheiten sie
       an der Spitze sehen wollen. Wobei: In der SPD war Franziska Giffey 2021
       auch weit entfernt von den linken Vorstellungen einer Parteitagsmehrheit
       und wurde doch Spitzenkandidatin.
       
       Mehr und mehr ins Gespräch hat sich in den vergangenen Monaten parallel
       dazu Vize-Fraktionschefin Elif Eralp gebracht. Was nicht allein im
       HIntergrund passierte, sondern sich auch in engagierten Reden im
       Abgeordnetenhaus spiegelte. Sie war es auch, die dort bereits im Januar
       forderte: „Liebe SPD, brich die Koalition mit der CDU und lass uns eine
       antifaschistische Koalition bilden.“ Angeblich gibt es [4][Überlegungen in
       der SPD, das im Herbst tatsächlich zu tun]. Dann könnten die
       Sozialdemokraten immerhin wenigstens ein Jahr lang wieder den
       Regierungschef stellen – bis 2026 nach der Wahl die Linkspartei übernimmt.
       
       19 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.wahlrecht.de/ergebnisse/berlin.htm
   DIR [2] /Wahlkampf-der-Linkspartei/!6069707
   DIR [3] /Landesparteitag-der-Linken/!6088853
   DIR [4] /Berliner-Landesparlament/!6090345
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
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