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       # taz.de -- Klage gegen Zugriff auf Handy: Polizei wertete Smartphone-Daten von Journalisten aus
       
       > Der Journalist Hendrik Torner dokumentierte eine Aktion der Letzten
       > Generation. Die Polizei wertete danach seine Handydaten aus. Durfte sie
       > das?
       
   IMG Bild: Altes Haus für die Verhandlung aktueller Fragen: Hier in Bamberg wird der Fall verhandelt
       
       Freiburg taz | Der Gewerkschafter und Journalist Hendrik Torner hat am
       Donnerstag beim Landgericht Bamberg eine Klage eingereicht gegen die
       polizeiliche Auswertung seines beschlagnahmten Smartphones. Wegen der
       grundsätzlichen Bedeutung unterstützen Reporter ohne Grenzen und die
       Gesellschaft für Freiheitsrechte die Klage.
       
       Hendrik Torner ist ein engagierter bayerischer Gewerkschafter, derzeit ist
       er Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in
       Bamberg. Für die GEW-Zeitschrift Die deutsche Schule wollte er [1][über die
       Letzte Generation (die sich jetzt neue Generation nennt)] schreiben und
       besuchte daher im September 2023 eine Aktion der Gruppe in Bamberg. Dabei
       dokumentierte er mit seinem Smartphone akustisch eine Polizeimaßnahme gegen
       die Aktivist:innen.
       
       Die Polizei beschlagnahmte daraufhin sein Smartphone, weil er unbefugt das
       gesprochene Wort der Polizist:innen aufgenommen hätte. Das kann mit bis
       zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet werden, so Paragraf 201 des
       Strafgesetzbuchs. Weil Torner die PIN seines Geräts nicht preisgab, wurde
       es mit Hilfe der Extraktionssoftware UFED der israelischen Firma Cellebrite
       ausgelesen. Das Smartphone erhielt er erst ein Jahr später zurück, das
       Strafverfahren wurde eingestellt.
       
       Erst bei der Akteneinsicht erfuhr Torner, dass die Polizei anhand der
       Handydaten ein politisches Profil von ihm angefertigt hatte. Er sei in der
       „linken Szene“ Bambergs engagiert und habe eine Abneigung gegen die
       Polizei. Torner war über die Handyauswertung schockiert: „Das hat meine
       Privatsphäre und die Pressefreiheit verletzt.“ [2][Nun klagt er,] der
       Schriftsatz seiner Hamburger Anwältin Gül Pinar liegt der taz vor.
       
       ## Kein Anfangsverdacht
       
       Pinar argumentiert, dass schon [3][die Beschlagnahme des Smartphones
       rechtswidrig war], weil gar kein Anfangsverdacht gegen Torner bestand. Da
       die Polizeimaßnahme gegen die Letzte Generation in der Öffentlichkeit
       stattfand, habe es keine „vertrauliche“ Kommunikation geben können.
       
       Außerdem sei die Erstellung eines politischen Profils von Torner für die
       Prüfung des Tatvorwurfs überflüssig gewesen; es hätte genügt, die konkrete
       Tonaufnahme zu sichern. Es sei auch nicht ersichtlich, so die Anwältin,
       dass die Polizei den Kernbereich des privaten Lebens oder den Schutz von
       journalistischen Kontaktdaten im Blick hatte.
       
       Der Schwerpunkt der Klage ist aber viel grundsätzlicher. Hendrik Torner
       will gerichtlich klären lassen, ob die Beschlagnahme eines Handys wirklich
       eine umfassende Auswertung der darauf gespeicherten Daten erlaubt. Bisher
       gibt es hierfür keine spezielle Rechtsnorm. Das Mobiltelefon kann wie ein
       normaler Gegenstand beschlagnahmt werden. Wenn ein Gericht dies erlaubt,
       dann ist auch die Auswertung der gespeicherten Daten möglich.
       
       ## Grundrechtverletzung
       
       Die Beschlagnahmenorm (Paragraf 94 der Strafprozessordnung) genüge aber
       nicht als Grundlage für die Auswertung eines Smartphones, so Pinar, denn
       dabei könne ein „umfassendes Verhaltens- und Persönlichkeitsprofil“
       erstellt werden. Sie wendet sich damit gegen die Praxis der Polizei und
       auch der Gerichte, die Paragraf 94 für ausreichend halten. Dies verletze
       nicht nur das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch
       das strengere sogenannte Computergrundrecht (Schutz der Integrität
       informationstechnischer Systeme).
       
       Das Computer-Grundrecht will Pinar (anders als das
       Bundesverfassungsgericht) nicht nur bei heimlichen Polizeiermittlungen
       anwenden, sondern auch bei offenen Maßnahmen. Schließlich ermögliche auch
       eine Beschlagnahme des Handys der Polizei den „Einblick in wesentliche
       Teile der Lebensgestaltung“.
       
       Pinar stützt sich zudem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von
       2024 zu einem Fall in Österreich („Landeck“). Danach müsse die gesetzliche
       Norm, die der Polizei den Zugriff auf Mobiltelefone ermöglicht, auch
       regeln, bei welcher Art von Straftaten dies möglich ist. Auch dieser
       Anforderung werde die Beschlagnahmenorm nicht gerecht, so die Anwältin.
       
       19 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Neuausrichtung-des-Aktivismus/!6091019
   DIR [2] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/auswertung-von-handydaten-rsf-unterstuetzt-bei-klage
   DIR [3] /Beschluss-des-Landgerichts-Kassel/!5631059
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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