URI: 
       # taz.de -- US-Deutsche Beziehungen unter Trump: Der Kollaps des Westens
       
       > Die „transatlantische Partnerschaft“ war immer schon ein vager Begriff.
       > Heute taugt er nicht einmal mehr zum Selbstbetrug.
       
   IMG Bild: Die „transatlantische Partnerschaft“ interessiert US-Präsident Donald Trump nur noch wenig
       
       Viele aufmerksame Zeitgenossen hatten schon vor den US-Wahlen im
       vergangenen Herbst darauf hingewiesen, dass [1][eine zweite Präsidentschaft
       Donald Trumps] radikal ausfallen würde. Genau so kam es. Regierungsämter
       wurden an Radikalinskis vergeben, das FBI ging an den ultraloyalen
       Trump-Bewunderer Kash Patel, Elon Musk fuhr wie ein Berserker durch die
       Ministerien. Dann knüpfte man sich die Universitäten vor, allen voran
       Harvard – ganz nach dem Prinzip: Wenn man eine prominente Institution
       medienwirksam fertigmacht, sind alle anderen mit eingeschüchtert. In die
       Straßen der Städte schickt man Militär, [2][das auf Menschenjagd geht].
       Damit jeder in Schrecken versetzt wird, schoss die Innenministerin
       Selfies vor Internierungscamps in El Salvador. Und jetzt inszeniert man
       einen Aufruhr, um ihn [3][mit autoritärer Repression niederschlagen zu
       können]. Es läuft alles wie aus dem Lehrbuch: wie errichte ich eine
       Diktatur?
       
       In wenigen Wochen wurden atemberaubende Schritte in Richtung Terror- und
       Unrechtsregime gemacht. Wir können lange analysieren, ob das jetzt der Weg
       in den Faschismus ist oder ob diese seltsame Allianz aus libertärer
       Staatsfeindschaft und autoritärem Repressionsstaat nach anderen Vokabeln
       ruft. Fakt ist: Es ist übel.
       
       In der transatlantischen Allianz herrscht Katzenjammer. Transatlantische
       Allianz, das ist im engen Sinne die Nato als Verteidigungsbündnis, aber
       natürlich in einem weiteren Sinne dieser vage Gleichklang unterschiedlicher
       Nationen, traditionell als „der Westen“ bekannt. Verbunden durch „westliche
       Werte“.
       
       Gewiss, man wagt das Wort nicht mehr aufzuschreiben. Nicht nur wegen des
       immer schon gültigen, Mahatma Ghandi zugeschriebenen Bonmots, der auf die
       Frage, was er denn von den westlichen Werten halte, geantwortet haben soll:
       „Ich hielte sie für eine gute Idee.“ Die Doppelmoral und Verlogenheit
       dieser Werte konnte man immer gut anklagen, bloß: Heute taugen sie nicht
       einmal mehr zum Selbstbetrug.
       
       ## Danach der Zerfall
       
       Sowohl die Außenpolitik als auch die Wirtschaftspolitik tappt nun im
       Dunkeln, weiß nur, dass das Alte nicht mehr funktioniert, und hat zugleich
       keine Ahnung, was künftig funktionieren könnte.
       
       Sonderlich überraschend ist das nicht, blickt man auf all das einmal
       [4][aus historischer Perspektive]. Bis 1989 hatten wir die bipolare Welt,
       danach diesen kurzen Augenblick des Unilateralismus, einen triumphierenden
       Westen und die USA als globalen Hegemon. In den oberen Etagen meines
       Bücherregals verstauben die Texte aus dieser Epoche, Francis Fukuyamas
       Analyse vom Sieg der liberalen Demokratie und Studien, die den Hegemon USA
       als neues „Imperium“ charakterisieren. Danach kam der Zerfall und das
       Zerfransen an den Rändern, eine Bewegung hin zu einem Multilateralismus,
       dessen Fürsprecher gute und schlechte Argumente vorbrachten. Das Gute: Die
       Welt ist plural und kann nicht nur von einem imperialen Zentrum aus
       organisiert werden. Das Schlechte: Die Werte der anderen müssen geachtet
       werden, mögen sie auch finstere Autokratien oder religiöse Despotien
       etablieren.
       
       Der nächste Schritt ist nun der Kollaps des Multipolaren in Kriegen und
       Chaos und das Überschwappen des Chaotischen auf den Westen selbst. Auch in
       westlichen Nationen sind die liberale Demokratie und der Wertepluralismus
       nur mehr eine Möglichkeit. Sie können ganz schnell von liberal in Richtung
       Autoritarismus kippen, manchmal liegt nur ein nationaler Wahlgang
       dazwischen.
       
       Allianzen werden mobiler. Kanada, Australien und andere Länder sowie die
       Europäische Union verstärken ihre Fäden untereinander, wenn sich die USA
       abwenden. Westliche Autoritäre tun sich mit Javier Mileis Argentinien
       zusammen, westliche (Links-)Liberale eher mit Brasilien unter Lula. Jede
       Liaison ist fragil und temporär, sie verlangt mangels der Verlässlichkeit,
       die aus langer Dauer entsteht, auch so viel Beziehungsarbeit, dass sie die
       Akteure überfordert. Der Handelskrieg der USA macht China und die
       Europäische Union zu Partnern, da man sich wechselseitig als Absatzmarkt
       benötigt, was nicht nur in den europäischen Außenpolitikzirkeln für
       Diskussionen sorgt, sondern auch in China.
       
       Hier zu manövrieren, eine neue Doktrin zu formulieren und ihr mit Nachdruck
       zu folgen, ist eine Aufgabe, die absolut nötig ist – und zugleich kaum zu
       bewältigen. Und würde jedenfalls Persönlichkeiten von wirklich historischer
       Statur erfordern, die Idealismus und totalen Pragmatismus vereinen
       müssten.
       
       14 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-USA-unter-Trump/!t5079612
   DIR [2] /Proteste-gegen-US-Migrationspolitik/!6090251
   DIR [3] /Einsatz-der-Nationalgarde-in-Los-Angeles/!6090079
   DIR [4] /Buch-ueber-westliche-Aussenpolitik/!5919871
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Misik
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Friedrich Merz
   DIR Bundesregierung
   DIR Donald Trump
   DIR GNS
   DIR Kanzler Merz
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Sigmar Gabriel
   DIR Nato
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Handelskonflikt wegen Trumps Buddy: Hohe Zölle wegen Jair Bolsonaro
       
       US-Präsident Donald Trump droht Brasilien mit üppigen Abgaben auf
       US-Importe. Seine Begründung: Ein Verfahren gegen seinen Freund, den
       Ex-Präsidenten.
       
   DIR Trump, Netanjahu und Co.: Schurken in Shakespeares Welt
       
       Die Zeit ist aus den Fugen: Donald Trump, Elon Musk, Benjamin Netanjahu –
       sie alle sind Erzschurken, wie sie im Buche des englischen Dichters stehen.
       
   DIR Deutsch-amerikanische Freundschaft: Bridge over Troubled Water
       
       Vor dem Nato-Gipfel ist die Beziehung zwischen Deutschland und den USA
       unter Druck. Kanzler Merz setzt auf Gespräche. Was aber, wenn keiner mehr
       zuhört?
       
   DIR Politikwissenschaftler Heinze über Trump: „Trump ist hilfreich, aber nicht das Ende“
       
       Der Politologe Rüdiger Heinze sieht den US-Präsidenten Trump nur als Figur
       eines Langzeitprojekts. Es wird von rechtskonservativen Kräften gesteuert.
       
   DIR Proteste gegen US-Migrationspolitik: Weitere Verhaftungen und Truppeneinsatz in L.A.
       
       US-Präsident Trump rechtfertigt den Einsatz der Nationalgarde mit einer
       „ausländischen Invasion“. Kaliforniens Gouverneur wirft ihm Machtmissbrauch
       vor.
       
   DIR Sigmar Gabriel über die USA: „Donald Trump hält nichts von Allianzen“
       
       Der US-Präsident setzt auf bilaterale Deals und spielt mit der Verfassung.
       Die US-Demokratie müsse man aber nicht gleich aufgeben, findet Sigmar
       Gabriel.
       
   DIR Friedensgutachten 2025: Keine gemeinsame Wertebasis mit Trump
       
       In ihrem diesjährigen Gutachten raten die führenden deutschen
       Friedensinstitute Europa zu mehr sicherheitspolitischer Unabhängigkeit von
       den USA.