# taz.de -- Aufarbeitung der Affäre Gelbhaar: Die Grünen-Spitze laviert weiter herum
> Nach sechs Monaten veröffentlicht der Bundesvorstand der Grünen einen
> Bericht zur Gelbhaar-Affäre. Ihrer Verantwortung wird sie damit nicht
> gerecht.
IMG Bild: Der frühere Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen) in Berlin, Februar 2025
Das Fazit soll niemandem richtig wehtun. Ein halbes Jahr ist es her, dass
Belästigungsvorwürfe die Karriere des Grünen-Abgeordneten [1][Stefan
Gelbhaar] beendeten. Kurz darauf wurde offenbar, dass die heftigsten
Anschuldigungen fingiert waren. Nach knapp sechs Monaten Abklingzeit
veröffentlichte der Bundesvorstand jetzt Ergebnisse einer eigens
eingesetzten Jurist*innenkommission sowie eigene Schlussfolgerungen.
In diesem Resümee laviert die Grünen-Spitze herum. Sie präsentiert sich
etwas zerknirscht, aber nicht zu sehr, und gibt sich ansonsten Mühe,
niemanden komplett zu verärgern.
Das gilt für die Bewertung von Vorwürfen gegen Gelbhaar, die auch bestehen
blieben, nachdem andere schon als Lügen aufgeflogen waren. Entgegen einer
Ankündigung heißt es vom Vorstand, man könne den Fall nicht aufklären.
Weder eine „Rehabilitation“ noch eine (weitere) „Sanktionierung“
Gelbhaars werde man liefern.
Das gilt aber auch für die Schlüsse, die der Vorstand für den Umgang mit
künftigen Fällen zieht. Als zentrale Konsequenz aus dem Bericht der
Kommission setzt er eine neue Kommission ein. Sie soll ein neues Regelwerk
erarbeiten und dabei Unmögliches leisten: im Spannungsfeld zwischen den
Ansprüchen einer „sich sowohl feministisch als auch rechtsstaatlich
verstehenden Partei“ eine Lösung finden, die Widersprüche zwischen beiden
Prinzipien „auflöst“.
## Sowohl-als-auch ist nicht möglich
Die Parteispitze wünscht sich ein Sowohl-als-auch. Das kann aber nicht in
jeder Hinsicht funktionieren, was sich gerade an zwei nicht entschiedenen
Grundsatzfragen zeigt, die den Grünen auch nach Monaten ein Urteil im Fall
Gelbhaar unmöglich machen.
Erstens: Welches Ausmaß muss ein Fehlverhalten annehmen, damit für den
Verursacher gravierende Konsequenzen folgen? Sollte er Posten oder
Mitgliederrechte verlieren, wenn sich ein Vorfall zwar weit unterhalb der
Strafbarkeit bewegt, aber die Betreffende gemeinsame Parteiaktivitäten
trotzdem unerträglich findet? Falls ja, wäre die Verhältnismäßigkeit
gefährdet – falls nein, kommt es zwangsläufig zu Situationen, in denen sich
die betreffenden Frauen nicht ausreichend beschützt fühlen.
Zweitens: Wenn Aussage gegen Aussage steht und keine Beweise vorliegen –
hat dann unbedingt das mutmaßliche Opfer recht? Falls ja, haben Einzelne
die Macht, Existenzen willkürlich zu vernichten – falls nein, bleiben
zwangsläufig tatsächliche Vorfälle ungesühnt.
Keine triviale Frage. Richtig wäre, wenn die Grünen im Zweifel die
rechtsstaatliche Antwort wählten und nur den Rahmen, der so entsteht,
möglichst feministisch ausfüllten. Eine Partei mit dem Anspruch, den Staat
zu gestalten, kann sein zentrales Prinzip nicht ignorieren. Klarheit in
diesem Sinne hätte Defizite, würde Widersprüche provozieren und am
Selbstbild kratzen. Aber noch einen Fall Gelbhaar kann auch keiner wollen.
Um noch mal den Vorstand zu zitieren: In dieser Affäre wurde die Partei
„ihrer Verantwortung gegenüber allen Beteiligten nicht gerecht“.
13 Jun 2025
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## AUTOREN
DIR Tobias Schulze
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