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       # taz.de -- Schau in Frankfurt: Carte blanche für die Kunst der Stadt
       
       > Mit der Schau „And This Is Us“ präsentiert der Frankfurter Kunstverein
       > junge Künstler*innen mit Themen zu dystopischen Zuständen im Iran bis
       > zu schwulen Datingportalen.
       
   IMG Bild: Simon Gilmers Installation: „Im-2OG-rechts-hinter-der-Wand“, Frankfurt, 2025
       
       Frankfurt ist die Stadt der kurzen Wege, auch institutionell. Freilich kam
       das früher gefühlt öfter vor: Dass ein Kunstwerk relativ direkt von der
       Städelschule in eine der Museumssammlungen oder gleich ins Ausstellungshaus
       Portikus zog, wie 2013 Anne Imhof, ist heute eher eine Anekdote. Was
       vielleicht damit zu tun hat, wer in der Stadt geblieben ist und noch davon
       erzählen kann und wer wegzieht.
       
       Zum generational shift gehört nicht nur hier, dass kaum noch jemand in eine
       mittelgroße Stadt zum Kunststudium kommt, um für immer dort zu bleiben.
       Lingua franca in vielen Klassen ist, wie fast überall, inzwischen Englisch.
       
       Der Frankfurter Kunstverein (FKV) hat ein Format gefunden, das in
       Erinnerung ruft, was lokale Beziehungen und Bezüge leisten können – auch
       wenn einige, die hier jetzt ausstellen, schon mit einem halben Bein in
       Berlin oder anderswo auf der Welt stehen.
       
       Zuvor aber haben sie eine Schau zusammengestellt, die sich durchs gesamte
       Steinerne Haus am Römerberg zieht. Und dabei unter anderem Geheimwege im
       Gebäude offenlegt (wie Simon Gilmer in seiner kongenial „Im 2. OG rechts
       hinter der Wand“ betitelten Installation), Stadträume performativ
       durchzieht (wie Nelly Habelt, die sich unter anderem von roten Ampeln
       herabhängen und die Ergebnisse dokumentarisch festhalten lässt) oder, in
       Form des Duos La Caoba alias Larry Bonchaka und Sopo Kashakashvili, gleich
       eine ganze Sozial- und Öko-Utopie zur Realisierung ausschreibt.
       
       ## Widerstand ist intimer Akt
       
       Ihre Installation ist zugleich Einladung zum Zusammenkommen wie ganz
       pragmatisch Spendengenerierung zum Erhalt eines Stücks bedrohter Natur in
       Ghana. „Unsere Arbeit beginnt immer mit dem Persönlichen“, schreiben beide
       in ihrem Text zur Arbeit, und dass Widerstand für sie „keine große Geste,
       sondern ein intimer Akt“ sei.
       
       Die dystopischen Zustände des iranischen Regimes sind Ausgangspunkt für
       Nazanin Hafez: Aus Found-Footage-Bildern öffentlicher Hinrichtungen schält
       sie Fragmente heraus und collagiert sie zu schauderhaften
       Stadtarchitekturen zusammen. Im selben Raum zeigt die in Shiraz geborene
       Künstlerin Gegenentwürfe: Vor den Toren der Stadt stehen junge Frauen mit
       unbedecktem Haar vor malerischer Kulisse. Eine leise Geste des Widerstands,
       die viel riskiert.
       
       Es scheint eine neue Dringlichkeit eingezogen zu sein in diese Räume. Alle
       zwei Jahre präsentiert „And This Is Us“ junge Künstlerinnen und Künstler,
       die für den Kunstverein eine eigene Arbeit anfertigen. Dreizehn sind es in
       diesem Jahr. Sie haben an der Städelschule, der Offenbacher Hochschule für
       Gestaltung oder der Kunsthochschule in Mainz studiert, einige studieren
       noch.
       
       ## Chance für NachwuchskünstlerInnen
       
       Bewerben kann man sich nicht auf diese Schau – Direktorin Franziska Nori,
       die viele Rundgänge in der Region besucht, begleitet die
       NachwuchskünstlerInnen meist über Jahre und trifft dann ihre Auswahl. Für
       ihre oft erste institutionelle Arbeit erhalten sie eine Carte blanche. Man
       sieht es an der thematischen wie formalen Bandbreite dieser Ausstellung, in
       der Franziska Krumbachners atmosphärisch dichte Miniaturen in Öl ihren Raum
       finden wie Sargon Khnus hyperdefinierte Körperskulpturen, die sich auf
       schwule Online-Datingpraktiken beziehen.
       
       Und, was leider keineswegs selbstverständlich ist: Der Kunstverein zahlt
       ein Produktions- wie Ausstellungshonorar, das zumindest für den Zeitraum
       der Vorbereitung eine konzentrierte Arbeit ermöglichen soll.
       
       21 Jul 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina J. Cichosch
       
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