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       # taz.de -- Südkoreas neuer Präsident Lee Jae-myung: Hart gesottener Überlebenskünstler aus der Arbeiterschaft
       
       > Der 61-jährige linksliberale Oppositionspolitiker hat die vorgezogene
       > Präsidentschaftswahl klar gewonnen und wurde bereits vom Parlament
       > vereidigt.
       
   IMG Bild: Südkoreas neuer Präsident Lee Jae-myung spricht am Mittwoch bei seiner Vereidigung im Parlament in Seoul den Amtseid
       
       Berlin taz | Jetzt hat er es im dritten Anlauf geschafft: Südkoreas
       linksliberaler Oppositionsführer Lee Jae-myung ist am Dienstag zum neuen
       Staatspräsidenten gewählt worden. 2017 hatte der heute 61-Jährige die
       Nominierung seiner Demokratischen Partei zu ihrem Spitzenkandidaten noch
       verpasst, 2022 dann gegen den konservativen Yoon Suk-yeol mit weniger als
       einem Prozentpunkt den Kampf um das höchste Staatsamt verloren.
       
       Doch statt in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, führte Lee seine Partei
       im April 2024 zum Erdrutschsieg bei den Parlamentswahlen und konnte so
       Yoons rechte Politik ausbremsen. Als dieser im Dezember 2024 deshalb
       [1][kurzzeitig überraschend das Kriegsrecht verhängte], übernahm Lee eine
       führende Rolle im Widerstand.
       
       Bei seiner Siegesrede in der bereits am Mittwoch erfolgten Vereidigung im
       Parlament sagte er jetzt, die erste Aufgabe bestehe darin, „dafür zu
       sorgen, dass es nie wieder einen Militärputsch mit Gewehren und Schwertern
       gegen das Volk gibt.“ Das [2][Verfassungsgericht] hatte im April [3][die
       vom Parlament wegen der Kriegsrechtserklärung beschlosse Amtsenthebung]
       Yoons bestätigt.
       
       Lee hat jetzt 49,42 Prozent der fast 35 Millionen abgegebenen Stimmen
       bekommen, während sein konservativer Rivale Kim Moon Soo 41,15 Prozent der
       Stimmen erhielt. Der bisherige Arbeitsminister Kim hat seine Niederlage
       eingeräumt. Im Wahlkampf hatte er sich nur halbherzig von Yoon distanziert.
       Die Wahlbeteiligung lag bei fast 80 Prozent und war damit die höchste bei
       einer Präsidentschaftswahl seit 1997.
       
       ## Lee ist Anti-Establischment-Politiker
       
       Der linkspopulistische Anti-Establishment-Politiker Lee ist für
       Konservative eine Reizfigur, die ihn stets zu verunglimpfen versuchten. Das
       konnte Lee aber zunehmend an sich abprallen lassen.
       
       Dabei hat er mehrere Gerichtsklagen am Hals, die von angeblichen
       Korruptionsvorwürfen zu seiner Zeit als Bürgermeister eines Vororts der
       Hauptstadt Seoul bis hin zu angeblichen Falschaussagen im Wahlkampf 2022
       reichen. Die Vorwürfe, die er stets zurückwies, bedrohten seine Kandidatur.
       Jetzt wird er in seiner fünfjährigen Amtszeit Immunität genießen.
       
       Für seine Anhänger macht ihn allein schon seine Vita glaubwürdig. Denn er
       wuchs in bitterer Armut auf, seine Eltern reinigten Toiletten und nach der
       Grundschule musste er selbst als Kinderarbeiter seinen Lebensunterhalt in
       Sweatshops bestreiten. Er hatte zwei schwere Arbeitsunfälle, bei einem
       verkrüppelte eine Presse sein Handgelenk. Auch überlebte er einen
       Suizidversuch.
       
       Ohne weiteren Schulbesuch bestand er die Aufnahmeprüfung fürs College.
       Danach studierte er Jura und vertrat als Menschenrechtsanwalt Arbeiter vor
       Gericht. Er wurde Bürgermeister, Provinzgouverneur, Parlamentsabgeordneter
       und Parteivorsitzender. Im vergangenen Jahr überlebte er verletzt einen
       [4][Attentatsversuch].
       
       ## Klassisch linke Positionen
       
       Politisch vertrat er lange klassische Positionen der koreanischen Linken:
       Stärkung der Arbeitnehmerrechte, mehr Sozialstaat, Kritik an den USA und
       der früheren Kolonialmacht Japan, [5][Entspannung mit China und Nordkorea].
       Jetzt schwächte er im Wahlkampf vieles davon ab. Seine Gegner nehmen ihm
       das nicht ab. Sie stellten ihn stets als unverbesserlichen linken Ideologen
       dar.
       
       In seiner Rede nach dem Amtsantritt erklärte Lee, er strebe eine
       diplomatische Annäherung gegenüber Nordkorea an. Doch werde seine Regierung
       möglichen nordkoreanischen Aggressionen mit „starker Abschreckung“
       begegnen, die auf der Militärallianz zwischen Südkorea und den USA basiere.
       Bisher hatte weder eine linke Entspannungspolitik noch ein harter Kurs
       rechter Regierungen das Regime in Pjöngjang zu grundsätzlichen Reformen
       bewegen können. Gegenüber Trumps USA und Japa versprach Lee eine
       pragmatische Diplomatie an. Er wolle die trilaterale Zusammenarbeit
       zwischen Seoul, Washington und Tokio stärken.
       
       Viele bezweifeln, ob Lee [6][die tief gespaltene Gesellschaft] wieder wird
       vereinen können. Doch wurde dies seinem unterlegenen Gegner noch weniger
       zugetraut.
       
       4 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Machtkaempfe-in-Seoul/!6050087
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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