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       # taz.de -- Novelle des Berliner Polizeigesetzes: Kamera ab, Kamera läuft
       
       > CDU und SPD basteln schon wieder an einer Novelle des Polizeigesetzes.
       > Ein zentraler Punkt: die dauerhafte Videoüberwachung ausgewählter Parks
       > und Plätze.
       
   IMG Bild: Big brother is watching you: Die temporäre Videoüberwachung des Görlitzer Parks könnte bald zum Dauerprogramm werden
       
       Berlin taz | Der Görlitzer Park in Kreuzberg bekommt ab dieser Woche nicht
       nur einen Polizeizaun samt Drehkreuzen an den Eingängen verpasst. Geht es
       nach den Spitzen der schwarz-roten Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus,
       wird er künftig wohl auch dauerhaft videoüberwacht.
       
       Am Wochenende haben die Fraktionsvorstände von CDU und SPD auf einer
       Arbeitsklausur den Weg freigemacht für eine Novelle des Allgemeinen
       Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog). [1][Es ist bereits die zweite
       Anpassung des Gesetzes], seit Schwarz-Rot 2023 die Amtsgeschäfte übernommen
       hat. Und diesmal soll es ein richtig großer Wurf werden. „Mit der
       umfassenden Reform des Berliner Polizei- und Ordnungsrechts lösen wir das
       Versprechen ein, mehr Sicherheit für Berlin zu schaffen“, heißt es in dem
       gemeinsamen Beschlusspapier.
       
       Analog dazu sparen die Fraktionsvorsitzenden Dirk Stettner und Raed Saleh
       am Sonntag bei der Vorstellung der Klausurergebnisse auch ansonsten nicht
       mit Selbstlob. „Wir springen damit beim Polizei- und Ordnungsrecht von
       einem der hintersten auf einen der vordersten Ränge bundesweit“, sagt
       Stettner für die CDU. „Wenn wir ein Gesetz anfassen, dann aber richtig“,
       verkündet Saleh für die SPD.
       
       Klar ist: Die Polizei soll mehr Kompetenzen bekommen. Dazu gehören
       erweiterte Befugnisse bei Onlinedurchsuchungen ebenso wie eine
       [2][„rechtssichere“ Regelung für den „finalen Rettungsschuss“], also den
       gezielt tödlichen Einsatz einer Schusswaffe durch Polizist:innen, etwa
       bei eskalierenden Geiselnahmen. Dazu gehört unter anderem aber eben auch
       ein Mehr an Videoüberwachung.
       
       ## Datenauswertung mit KI
       
       An vier der berlinweit aktuell sieben „kriminalitätsbelasteten Orte“ sollen
       dauerhaft Kameras installiert werden, deren Daten auch mit Künstlicher
       Intelligenz (KI) ausgewertet werden. Konkret gehe es, so die Koalition,
       nicht darum, Personen zu identifizieren. Vielmehr soll die KI „auffällige
       Verhaltensweisen“ wie Schlägereien frühzeitig erkennen.
       
       Welche vier Orte genau, will man noch festlegen. Dass [3][der Görlitzer
       Park] wie auch [4][das komplette Kottbusser Tor in Kreuzberg] mit von der
       Partie sind, darf als gesetzt gelten. Auf beide Areale hat sich nicht
       zuletzt die CDU bereits seit Jahren als kreuzgefährliche und daher dringend
       zu befriedende Orte eingeschossen.
       
       Mehr Beinfreiheit bei der Strafverfolgung verspricht sich die Koalition
       auch bei ihrem zweiten Videoprojekt im Rahmen der Asog-Novelle: der
       Verlängerung der Speicherdauer von Aufnahmen aus Überwachungskameras der
       BVG von bisher 48 auf dann 72 Stunden. Zur Begründung heißt es, das gebe
       Opfern von Straftaten mehr Zeit, sich bei der Polizei zu melden und
       auszusagen.
       
       Die Gewerkschaft der Polizei ist zufrieden. Das Asog-Paket enthalte „viel
       GdP-Handschrift“, sagt Landesvize Thorsten Schleheider. Wie
       SPD-Innensenatorin Iris Spranger und die CDU-Fraktion hätte er sich zwar
       eine um 24 Stunden längere Speicherdauer von Aufnahmen aus dem ÖPNV
       gewünscht. Aber die als Kompromiss mit Sprangers widerborstigen
       Fraktionskolleg:innen gefundenen 72 Stunden seien wenigstens „der
       richtige Weg“.
       
       ## Vernichtende Kritik aus der Opposition
       
       Für die oppositionelle Linke ist die Gesetzesnovelle in der jetzt
       vorgelegten Form vor allem ein Weg in den Überwachungsstaat. Künftig werde
       es „kaum noch jemanden geben, der nicht von staatlichen
       Überwachungsmaßnahmen im öffentlichen Raum betroffen ist“, warnt jedenfalls
       Niklas Schrader, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion.
       
       Nicht ganz so weit geht der Innenexperte der Grünen-Fraktion. Für Vasili
       Franco ist der große Videoplan zuvorderst „Symbolpolitik zu einem hohen
       Preis“. Denn „mehr Kameras ersetzen keine Einsatzkräfte“. Sicherheit werde
       so lediglich simuliert. Gleichzeitig, so Franco weiter, spare der Senat
       halb Berlin kaputt – „Personal, Sanierungen und Fuhrpark“ von Polizei,
       Feuerwehr und Rettungsdienst inklusive. Das passe vorn und hinten nicht
       zusammen.
       
       Tatsächlich muss die Koalition für ihre neuen Sicherheits-Spielzeuge erst
       mal – bislang nicht vorhandenes – Geld locker machen. Im aktuellen
       Doppelhaushalt standen für die Einführung der Videoüberwachung von
       „kriminalitätsbelasteten Orten“ zwar 1,5 Millionen Euro zur Verfügung.
       Schon bei der ersten Kürzungsrunde 2024 entschied Schwarz-Rot dann aber:
       [5][Das kann weg.]
       
       CDU-Fraktionschef Dirk Stettner gibt sich umso optimistischer, dass
       Sprangers toter Etatposten im nächsten Haushalt wiederbelebt wird. Er
       rechnet inzwischen mit zwei Millionen Euro Kosten: „Die bleiben da jetzt
       aber drin, und die Videoüberwachung wird im kommenden Jahr ausgerollt.“
       
       22 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Rainer Rutz
       
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