# taz.de -- Social-Media-Verbot: Sperrt sie nicht aus!
> CDU-Politiker*innen fordern ein Social-Media-Verbot für Kinder. Statt
> digitalen Rückzug braucht es mehr Medienkompetenz und Unterstützung.
IMG Bild: Posten, liken, scrollen: Ein Social-Media-Verbot ist die falsche Strategie, um Kinder zu schützen
Kinder sollen „Frei von Social Media“ aufwachsen können. Das wünscht sich
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Und meint damit
eigentlich, Menschen unter 16 Jahre aus einem großen Teil der Medien- und
damit Informationslandschaft auszuschließen.
Da kann einem schon flau werden. Die Bundeszentrale für Kinder- und
Jugendmedienschutz sieht ein Verbot dieser Zugänge als „einen Verstoß gegen
die UN-Kinderrechtskonvention“. Es wäre das Gegenteil von dem, was es
braucht: besseren Kinder- und Jugendschutz. Minderjährige werden auf den
Plattformen mit Inhalten konfrontiert, vor denen sie dringend bewahrt
werden müssen: Videos voller Blut und Tod, Hate Speech, sexualisierte
Gewalt. Sie werden radikalisiert, gegroomt, psychisch verletzt. Um sie
davor zu beschützen, braucht es andere Maßnahmen als einen Ausschluss.
Auf die kommt allerdings nicht, wer emotionalisiert. Karin Prien,
Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (CDU),
sagte der Welt Anfang Juni: „Wir lassen unsere Kinder doch auch nicht ins
Bordell“. Ein schnittiges, tolles, verruchtes Bild!
Schutz von Kindern und Jugendlichen ist eine grundlegende Aufgabe von Staat
wie Gesellschaft. Daher gibt es auch Regeln, die Kinder schützen sollen:
Rauchen erst ab 18, Trinken erst ab 16 oder 18, Arbeit erst ab 14.
## Nachteile von Alterskontrollen
Doch wir müssen bei Social Media Verboten abwägen. Wollen wir Minderjährige
vor Mobbing, Radikalisierung, sexualisierter Gewalt auf Social Media
schützen? Klar! Doch sind wir auch bereit, im Gegenzug ihre Daten
weiterzugeben? Denn bei einer Alterskontrolle werden unweigerlich an
einigen Stellen Identitäten – wenn auch verschlüsselt – mit Accounts
verbunden werden. Namen, Geburtsdaten, digitales Verhalten und damit
wiederum verknüpfte Daten etwa über Aufenthaltsorte. All diese
Informationen befinden sich dann außerhalb ihrer Reichweite, aber immer in
Reichweite von Hacker*innen und missbräuchlichen Staaten. Im Zweifel ein
Leben lang. Kann man nicht auch diese Daten schützen?
Am Mittwoch hat sich sogar der Lehrerverband gegen eine [1][Altersgrenze
bei Tiktok] und Co gestellt. Sie sei „realitätsfern und auch nicht
sinnvoll“. Stattdessen müssten junge Menschen lernen, sich zurechtzufinden.
Ein Schrei nach Medienkompetenzunterricht! In Bayern hätte ein Beschluss
des Kabinetts helfen können: Das wollte alle Schüler*innen ab der
fünften Klasse mit Tablets ausstatten. Gemeinsam lernen an und mit Technik.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat es sich jetzt aber anders
überlegt. Erst ab der 8. Klasse soll es Tablets für die Kinder geben. So
sehr will er also, dass auch [2][junge Menschen sich qualifiziert und
eigenständig informieren können.]
Doch Bildung allein reicht nicht: Digitale Gewalt, Hass, Lügen, schädliche
Erzählungen über Attraktivität und persönlichen „Wert“ sind große Probleme.
Genauso wie die – leider auch erfolgreichen – Rekrutierungsversuche von
Extremist*innen aller Art. Staat, und Plattformen müssen daher mit
diversen Mitteln digital daran arbeiten, nach illegalen Inhalten zu suchen
und ihre Urheber*innen zu verfolgen. Doch die Probleme stammen nicht
aus einer digitalen Welt. Sie haben sich dort nur festgesetzt wie in allen
Bereichen des Lebens. Deswegen kann es keine rein digitale Lösung geben.
Wer Kinder und Jugendliche schützen will, muss sie stärken, nicht
aussperren. Sie brauchen Medienbildung, politische Bildung, Sozialarbeit
(analog wie digital), starke und einfühlsame Lehrkräfte, Jugendclubs,
Sportvereine, sie brauchen Beistand und endlich genügend
Psychotherapieplätze.
## Gute Werte online vermitteln
Sie brauchen liebevolle Peer-Groups, um sich gegenseitig zu stärken. Sie
brauchen Erwachsene, die ihnen nicht Informationen verbieten, sondern ihnen
beistehen. Das geht auch online. Denn nicht nur Menschenfänger*innen
können es in die Feeds von Minderjährigen schaffen. Sondern auch Menschen,
die ihnen ganz andere Werte wie Mut, Verletzlichkeit oder Antifaschismus
vorleben.
22 Jun 2025
## LINKS
DIR [1] /Altersbeschraenkung-fuer-Social-Media/!6081885
DIR [2] /Auch-die-Bildungsministerin-ist-fuer-ein-U16-TikTok-Verbot-besser-waere-etwas-anderes/!6091617
## AUTOREN
DIR Johannes Drosdowski
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