# taz.de -- Menschen mit Behinderung: Mühsamer Weg zur Teilhabe
> Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Menschen mit
> Behinderung unbürokratisch geholfen wird. Die Hürden sind jedoch oft sehr
> hoch.
IMG Bild: Immer wieder von Barrieren gestoppt: Menschen mit Behinderungen müssen um Teilhabe bisweilen radikal kämpfen
Wer darf heute noch anecken – und wer wird dafür aus der Debatte gedrängt?
Diese Frage stellt sich besonders scharf, wenn Menschen mit Behinderungen
nicht um Teilhabe bitten, sondern sie einfordern. 1984 gründeten
Aktivist*innen in Hamburg „[1][Autonom Leben]“. Sie wollten kein
Mitleid, sondern Selbstbestimmung – und störten damit bewusst die
gesellschaftliche Ordnung. Ihr Protest war radikal. Und notwendig.
Radikal ist, wer an die Wurzel will. [2][Gerlef Gleiss] war so jemand: Er
gründete die Hamburger Assistenz Genossenschaft und grenzte sich bewusst
von der Aktion Sorgenkind ab, deren mediale Mitleidskampagnen er für
unvereinbar mit dem Selbstbestimmt-Leben-Ansatz hielt. Gleichzeitig
kritisierte er Bioethik-Debatten, in denen das Lebensrecht von Menschen mit
Behinderungen zur Verhandlungsmasse wurde.
Ziviler Ungehorsam war für Gleiss kein Extremismus, sondern politische
Strategie. Wer von Behörden entmündigt wird, kann sich nicht einfügen. Wer
warten muss, bis andere Inklusion „gewähren“, bleibt abhängig. Gleiss
forderte Teilhabe durch Machtverschiebung – nicht Integration als Gnade.
Auch heute gilt: Ein Konzern darf jahrzehntelang das Klima schädigen – das
nennen wir Wirtschaft. Aber wer Assistenz, Zugang oder Pflege einfordert,
gilt schnell als „zu radikal“. Dabei geht es auf beiden Seiten um
Interessen.
Nur dass die eine auf Profite abzielt – und die andere auf Würde. Nicht
jede*r muss sich ankleben. Nicht jede*r muss laut sein. Aber wir sollten
aufhören, das Wort radikal zu fürchten – und anfangen, radikal ehrlich zu
sein über das, was falsch läuft. Und darüber, wer es ändern darf. Denn wer
nicht stört, wird überhört. Wer heute Unterstützung für ein
selbstbestimmtes Leben beantragt, kämpft oft monatelang mit
Sachbearbeiter*innen, Gutachten und bürokratischer Willkür.
Die Logik dahinter: Nur wer seine [3][Hilfsbedürftigkeit] beweist, bekommt
Unterstützung. Selbstbestimmung wird zur Bringschuld gemacht – in einem
System, das Kontrolle über Vertrauen stellt.
23 Jun 2025
## LINKS
DIR [1] https://autonomleben.de/
DIR [2] https://jungle.world/artikel/2014/08/gegen-die-kopfstreichler
DIR [3] /Leben-mit-Behinderung/!t5032186
## AUTOREN
DIR Jan Uhlenberg
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