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       # taz.de -- Recherchen auf der Bühne: Journalismus ist showtauglich
       
       > Bei der Show „Jive“ präsentieren Journalisten ihre Arbeit live vor
       > Publikum. Dieses Format gehört nicht nur in die Großstadt, sondern aufs
       > Land.
       
   IMG Bild: Journalismus als Show und mit Orchester: Hier bei der Premiere dieses Formats im November 2023 in Berlin
       
       Hamburg taz | Adrian Garcia-Landa schlappt mit einem Stoß Karteikarten auf
       die Bühne. Ein Rednerpult mit Spielzeug-Mercedes und Mini-Flagge der Region
       Ostprignitz-Ruppin warten da, am Bühnenrand Pappschilder mit Begriffen wie
       [1][Pressefreiheit], Transparenz oder Steuergerechtigkeit. Spielten nicht
       die vier Musiker vom Orchester „Stegreif“ schon, man wähnte sich eher am
       Beginn eines Proseminars über Korruption in Brandenburg.
       
       Das Publikum wirkt auch etwas verhalten, applaudiert zögernd. Die Frage, ob
       eine Live-Journalismus-Show wirklich das ist, was man sich an einem
       sommerlichen Donnerstagabend antun will, schwebt förmlich über den Köpfen
       der rund 200 Leute im Saal.
       
       Bei der Reihe „Jive“, die auf [2][Kampnagel] in Hamburg zu Gast war,
       präsentieren Journalistinnen und Journalisten ihre eigenen Recherchen live
       einem Publikum. Hinter „Jive“, das setzt sich aus Journalismus und live
       zusammen, steht die gemeinnützige Organisation Headline. 2016 haben sie mit
       Journalismus-Slams á la Poetry-Slam begonnen und 2023 kamen dann die
       [3][Journalismus-Shows mit Orchester] dazu. Ein „Bühnenmagazin“, so nennen
       sie das.
       
       Die vier Geschichten des Abends sind auch so bunt wie eine Magazinstrecke:
       Eva-Lena Lörzers hat über die Demenz-Erkrankung ihres Vaters geschrieben,
       erzählt, auf der Bühne im Sessel sitzend, über [4][Pflegekrise] und
       Überlastung der Angehörigen. Der deutsch-russische Journalist Nik Afanasjaw
       nimmt das Publikum mit auf seine Recherchereise nach [5][Spitzbergen], wo
       ein neuer kalter Krieg herrscht.
       
       ## Dallas-Melodie zum Wirtschaftskrimi
       
       Die letzte Geschichte spielt in der [6][türkisch-syrischen Grenzstadt
       Mardin]. Jedes Jahr laden Künstler dort zum „Flying Carpet“-Festival.
       Fotografin Sina Opalk und Artistin Millie Turnad erzählen davon – mit Fotos
       und verträumt-starker Performance.
       
       Aber den Anfang der Journalismus-Show macht Garcia-Landa mit „Dallas in
       Neuruppin – eine Wirtschaftskrimisoap auf brandenburgisch“, hübsch
       aufbereitet mit Fotos von den Guten (die Bürger) und den Bösen (der Landrat
       und zwei gierige Geschäftsleute), untermalt vom Orchester, das an den
       passenden Stellen die Dallas-Titelmelodie spielt.
       
       Und das funktioniert. Das Publikum bleibt dran, weil Garcia-Landa mit
       seiner Recherche aufdeckte, wie sich zwei Immobilienhaie über das Geschäft
       mit Flüchtlingsheimen mindestens zwölf Millionen Euro Steuergeld in die
       Taschen schaufelten, korrupte Politiker und Dorfbewohner, die ihren Glauben
       an die demokratischen Grundfesten verloren haben, inklusive.
       
       Es ist dieser Werkstatt-Charakter, dieser Einblick in die Arbeitsweise von
       Journalisten, der „Jive“ interessant macht. Darum sollte diese Art und
       Weise, über Journalismus zu reden, nicht nur für ein einschlägiges
       Großstadtpublikum da sein. Wie wäre es mit den Bühnen in den
       Landgasthöfen? Dorthin, wo es oft nur noch eine oder [7][keine Zeitung
       mehr gibt].
       
       24 Jun 2025
       
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