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       # taz.de -- Deutsche Comedy-Serie: Wenn alles kippt
       
       > In der ARD-Serie „Warum ich?“ kippen Alltagssituationen ins Absurde. Die
       > sechs Geschichten sind so klug wie witzig inszeniert – und
       > massentauglich.
       
   IMG Bild: Ein Unbekannter (Merlin Sandmeyer, li.) mit einer Waffe zwingt Dominik (Thomas Schubert, re.) in sein Auto
       
       Eigentlich will Country-Schlagersänger Jeff Kanter (Charly Hübner) wie fast
       jeden Abend nur eines seiner legendären Wohnzimmerkonzerte geben, um so
       seinen sechsstelligen Schuldenberg weiter abzutragen.
       
       Aber in der piefigen Wohnung von Monika (Andrea Sawatzki), die ein treuer
       Fan des in die Jahre gekommenen Stars ist und die ihn zum Geburtstag ihres
       Mannes eingeladen hat, scheint etwas nicht zu stimmen. Bald erfüllen sich
       die allerschlimmsten Befürchtungen.
       
       Jeff Kanter kann sich irgendwann nur noch fragen: „Warum ich?“ So ist das
       auch in allen anderen Geschichten, die David Schalko in seiner
       starbesetzten sechsteiligen Serie erzählt. Es geht in diesen an absurdes
       Theater erinnernden Storys um Ausnahmesituationen, die Menschen dazu
       bringen, sich die titelgebende Frage zu stellen: „Warum ich?“
       
       Die Personalmanagerin Saskia (Nora Waldstätten) hat zum Beispiel gerade
       über 20 Leute in einem Betrieb gefeuert und ist auf dem Heimweg, als sich
       jemand vor den Zug wirft, in dem sie sitzt.
       
       War das einer der Männer, die sie arbeitslos gemacht hat? Und was will der
       eigenartige Psychologe (Bjarne Mädel), der plötzlich in ihrem Abteil sitzt
       und seltsame Fragen stellt?
       
       Schriftsteller und Regisseur David Schalko gilt mittlerweile auch als
       Experte schräger Unterhaltung im Serienformat, wie er mit seinem
       Berlinale-Beitrag „Ich und die anderen“ (2021) unter Beweis gestellt hat.
       
       In „Warum ich?“ schickt er seine Figuren auf eine Gratwanderung nach der
       anderen. Im Restaurant Casa Carmen, dessen Besitzer immer so tut, als
       spräche er mit spanischem Akzent, sobald Gäste auftauchen, gerät etwa ein
       Ehepaar so in Streit, dass schließlich ein Auftragskiller loszieht, um den
       aggressiven Ehemann abzuknallen. Das geht auch für den Killer schief und
       endet im totalen Chaos. Wie könnte es anders sein?
       
       Das Ehepaar Hans (Robert Palfrader) und Gertraud (Sylvie Rohrer) lädt seine
       überkandidelten erwachsenen Kinder ein, um ihnen von Papas
       Alzheimerdiagnose und dem geplanten Selbstmord zu erzählen. Die Kinder sind
       entsetzt und sauer, dass ihnen so eine Nachricht zugemutet wird.
       
       Sympathische Figuren finden sich in diesen Geschichten keine, eher
       durchgeknallte Egomanen, die sich leidend und rachsüchtig an ihren
       Mitmenschen abarbeiten und trotz oder gerade wegen gutbürgerlicher
       Verhältnisse soziale Verwahrlosung zur Schau stellen.
       
       Das wirkt mitunter übertrieben und gendertechnisch etwas altbacken – so
       neigen alle Frauenfiguren arg zu Hysterie, während die Männer eine
       selbstbewusste Arroganz an den Tag legen.
       
       Trotz des dominierenden österreichischen Akzents vieler Schauspieler sind
       alle Geschichten in Deutschland angesiedelt. Wobei gerade mit dem
       österreichischen Schmäh und dem dazugehörigen Charme im Gepäck die
       Geschichten doch immer wieder richtig zünden.
       
       Damit sprengt Schalko gängige TV-Sehgewohnheiten und bietet mit diesen
       kammerspielartigen 20-minütigen Geschichten Einblicke in die seelischen und
       moralischen Abgründe unserer Zeit.
       
       Doch so sehr dieser Sechsteiler mit repetitiv deklamierenden Schauspielern
       („Ich gehe nach Afrika!“, sagt der Sohn des Alzheimerpatienten immer
       wieder) an das zeitgenössische, mitunter absurd daherkommende Theater
       erinnert, ist diese öffentlich-rechtliche Produktion dann doch etwas zu
       mainstreamig und kann etwa einem René Pollesch nicht wirklich das Wasser
       reichen.
       
       Aber wer sich gerne auf den wohl dosierten Wahnsinn David Schalkos
       einlassen will, sollte dieses halbe Dutzend manischer Gratwanderungen nicht
       verpassen.
       
       25 Jun 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Schmid
       
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