URI: 
       # taz.de -- Verwaltungsreform: Grüne: Wegner muss jetzt liefern
       
       > Das Abgeordnetenhaus hat die jahrzehntelang diskutierte Reform
       > beschlossen. Sie künftig mit Leben zu erfüllen, könnte noch schwieriger
       > werden.
       
   IMG Bild: Zur Umsetzung der Verwaltungsreform liegen noch einige Schritte vor Kai Wegner und seiner zuständigen Staatssekretärin Klement
       
       Berlin taz | Um 11.19 Uhr ist das beschlossen, was Kai Wegner, der
       Regierungschef von der CDU, mal als Jahrhundertwerk bezeichnet hat: Das
       Abgeordnetenhaus stimmt an diesem Donnerstagmorgen der Verwaltungsreform
       zu. In diesem Erfolgsmoment aber ist er zurückhaltender, auch wenn er nicht
       mit Lob spart – indirekt für sich selbst, direkt für seine Mitstreiter von
       SPD, Grünen und Linkspartei. Zusammen machen sie die Zweidrittelmehrheit
       möglich, die die Reform nun in der Verfassung verankert.
       
       Für die Vergleiche auf literarisch-philosophischer Ebene sind an diesem
       Tag, der über zweieinhalb Jahrzehnte vielfacher Reformanläufe beendet,
       andere zuständig. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner etwa. Der sieht in Berlin
       bislang einen durch bürokratische Vorschriften gefesselten Riesen, wie den
       am Boden liegenden Gulliver im Jugendbuchklassiker von Jonathan Swift.
       Allerdings war dieser Vergleich zuletzt, auf ganz Deutschland bezogen,
       schon schier in jeder Zeitung zu lesen. „Wir starten heute Berlin 2.0“,
       sagt Stettner. Für ihn dafür hauptverantwortlich: „unser Berlin-Macher Kai
       Wegner“.
       
       Die Fraktionen von Grünen und Linkspartei mühen sich zu erklären, warum sie
       Wegners schwarz-roter Koalition zu diesem Beschluss verhelfen, den CDU und
       SPD absehbar als großen politischen Erfolg verkaufen werden. Beide sehen
       sich schlicht im Dienst von Land und Bürgern. Grünen-Fraktionschefin
       Bettina Jarasch vergisst aber nicht, daran zu erinnern, dass die Reform auf
       [1][Vorarbeit der früheren rot-grün-roten Koalition] aufbaut.
       
       Schnell gehen die beiden Fraktionen dann aber auf Distanz zu Wegner, sehen
       Versäumnisse und nicht erfüllte Versprechen. Für alles Weitere soll der nun
       allein geradestehen, nachdem das Parlament mit seiner Zustimmung den Weg
       freigemacht hat. „Sie tragen die Verantwortung, liefern Sie!“, sagt Jarasch
       Richtung Wegner zu dem, was erst beginnt: auf Basis der jetzt beschlossenen
       Gesetzesänderungen die Verwaltung umzugestalten. Wegner mag das aber gar
       nicht allein erledigen: „Ich möchte diesen Weg gern mit Ihnen weiter
       gestalten“, wird er sagen, als er später am Rednerpult steht.
       
       ## Kritik aus der SPD-Fraktion
       
       Etwas schwieriger wird die Sache an diesem Morgen für SPD-Fraktionschef
       Raed Saleh. Der zieht zwar wie CDU-Mann Stettner große Vergleiche heran und
       setzt den Beschluss der Verwaltungsreform mit einem durchgeschlagenen
       Gordischen Knoten gleich. Saleh kann aber nicht ganz ignorieren, dass in
       seiner Fraktion nicht alle gleichermaßen davon begeistert sind. Tags zuvor
       hat sich [2][der SPD-Abgeordnete Martin Matz wie folgt zitieren lassen]:
       „Das ist keine Jahrhundertreform. Das sind nur ein paar kleinere
       Korrekturen, wie man Zuständigkeiten klärt.“ Die Reform werde hochgejazzt
       und gehe „an 80 Prozent der Probleme vorbei“.
       
       „Es mag vereinzelte Stimmen geben, die fragen: Geht es nicht noch
       konsequenter?“, sagt Fraktionschef Saleh, ohne Matz’ Namen zu nennen. Der
       sitzt auf seinem Platz in der fünften Reihe der Fraktion und wird kurz
       darauf wie seine SPD-Kollegen der Reform zustimmen. Das passiert in zwei
       Schritten: Erst beschließt die Parlament [3][Verfassungsänderungen], dann
       [4][ein neues Landesorganisationsgesetz].
       
       Auch Links-Fraktionschef Tobias Schulze greift die Matz-Kritik auf – und
       dreht sie um: Selbst wenn die Reform 80 Prozent nicht löst, hieße das, dass
       sie das mit 20 Prozent macht. Die aber sind für ihn die entscheidenden.
       Weil die Reform ohne die AfD-Fraktion zustande kommt, die von Wegner nicht
       zur Mitarbeit eingeladen wurde, belegt Schulze sie mit einem besonderen
       Etikett: „Das ist eine demokratische und antifaschistische
       Verwaltungsreform.“
       
       Als AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker es hingegen für undemokratisch
       hält, ihre Fraktion nicht zu beteiligen, kontert Regierungschef Kai Wegner
       unter Applaus von CDU bis Linkspartei, die AfD habe gar kein Interesse an
       einem funktionierenden Berlin: „Da wären Sie völlig fehl am Platz gewesen.“
       
       26 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berliner-Verwaltungsmisere/!5897042
   DIR [2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/geht-an-80-prozent-der-probleme-vorbei-spd-kritisiert-die-berliner-verwaltungsreform-13913989.html
   DIR [3] https://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/IIIPlen/vorgang/d19-2519.pdf
   DIR [4] https://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/IIIPlen/vorgang/d19-2520.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
   DIR Abgeordnetenhaus
   DIR Reform
   DIR Kai Wegner
   DIR Verwaltung
   DIR Reform
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin 
   DIR Abgeordnetenhaus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Zwischenstand bei der Verwaltungsreform: Viel erreicht, aber noch viel mehr zu tun
       
       Staatssekretärin Martina Klement (CSU) müht sich, bei der im Juni
       beschlossenen Reform aus bloßen neuen Gesetzen funktionierende Praxis zu
       machen.
       
   DIR Verwaltungsreform in Berlin: Nur der erste Schritt
       
       Wenn CDU, SPD, Grüne und Linkspartei am 26. Juni im Abgeordnetenhaus
       zustimmen, ist das bloß der rechtliche Rahmen für eine Reform der
       Verwaltung.
       
   DIR Verwaltungsreform: Wegner: Reformbeschluss schon nächste Woche
       
       Die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und Linkspartei stimmen in ihren
       Sitzungen den seit Jahrzehnten diskutierten Änderungen zu.
       
   DIR Senat und Bezirke: CDU dementiert: „Da wackelt gar nichts“
       
       Die Verwaltungsreform ist nach jahrzehntelanger Diskussion fast im Ziel.
       Aber nur theoretisch. Denn ein zentraler Punkt ist weiter offen.