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       # taz.de -- Attacke auf Naturschutz in Brandenburg: SPD und BSW sparen sich die Umwelt
       
       > Ein Gesetzentwurf der Landesregierung schränkt das Klagerecht von
       > Naturschutzverbänden massiv ein. Nabu und Grüne üben scharfe Kritik.
       
   IMG Bild: In Landschaftsschutzgebieten sollen künftig Photovoltaikanlagen gebaut werden dürfen
       
       Grunow taz | Eine Marina erweitern, die ohnehin schon im
       Landschaftsschutzgebiet liegt? Keine gute Idee, fand der Naturschutzbund
       Nabu in Brandenburg und reichte gegen den Ausbau der Marina am Zernsee in
       Werder an der Havel Klage ein. Mit Erfolg. [1][Das Verwaltungsgericht
       Potsdam wie auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gaben der
       Klage statt].
       
       Björn Ellner, Vorsitzender des Nabu in Brandenburg, brachte das Beispiel
       aus Werder vergangenen Freitag bei einer [2][Anhörung des Sonderausschusses
       für Bürokratieabbau] im Potsdamer Landtag zur Sprache. Denn die Koalition
       aus SPD und BSW will das Verbandsklagerecht – also das Recht von
       Umweltverbänden, gegen behördliche Entscheidungen mit negativen Folgen für
       den Naturschutz vor Gericht zu ziehen – massiv beschneiden.
       
       Von „nicht gerichtlich überprüfbaren rechtswidrigen Zuständen“ spricht
       Ellner und von einer „Schwächung der Demokratie“. Der Nabu befürchtet, dass
       die Brandenburger Landesregierung das Gesetz noch vor der Sommerpause durch
       den Potsdamer Landtag peitschen will.
       
       Tatsächlich plant die Landesregierung unter dem Deckmantel des
       Bürokratieabbaus einen weitreichenden Angriff auf bisherige
       Umweltstandards. Dazu gehört auch eine Novellierung des Brandenburgischen
       Naturschutzgesetzes. Im [3][Entwurf von SPD-Umweltministerin Hanka
       Mittelstädt] heißt es in Paragraf 37: „Die Klagebefugnis einer vom Land
       anerkannten Naturschutzvereinigung (…) besteht nach den jeweils geltenden
       Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes“.
       
       Heißt im Klartext: Die in Brandenburg bisher geltenden zusätzlichen
       Klagebefugnisse werden ersatzlos gestrichen. Klagen können Nabu, BUND oder
       andere anerkannte Naturschutzverbände nur noch nach den weitaus
       restriktiveren bundesgesetzlichen Bestimmungen. Diese hätten, so der Nabu,
       eine Klage gegen die Erweiterung der Steganlage in Werder nicht erlaubt.
       Neben Brandenburg gehen auch die Naturschutzgesetze in Baden-Württemberg,
       Berlin, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen,
       Schleswig-Holstein und Thüringen über die Standards des Bundesrechts
       hinaus.
       
       Beschnitten werden soll aber nicht nur das Klagerecht der
       Naturschutzverbände, sondern auch deren Beteiligung insgesamt. Bei
       Bauvorhaben etwa, bei denen ein „geringer Umfang von Auswirkungen auf Natur
       und Landschaft“ zu erwarten seien, wären Nabu und BUND außen vor. „Dabei
       wird gerade erst durch die Beteiligung der Verbände oft deutlich, wie
       gering oder groß die Auswirkungen von Vorhaben sind“, so Ellner.
       
       ## Solarparks in Schutzgebieten
       
       Auch in Landschaftsschutzgebieten wollen SPD und BSW Kommunen und
       Investoren einen Freibrief ausstellen. So sollen sogenannte
       Agri-Photovoltaikanlagen künftig genehmigungsfrei sein, wenn sie
       „landschaftsintegriert“ errichtet werden. Darüber hinaus sollen in einem
       Abstand von 300 Metern zum Ortsrand Bauten ohne landschaftsschutzrechtliche
       Genehmigung entstehen dürfen. [4][Schon im Mai hatte der Nabu in einer
       Stellungnahme kritisiert, „dass sich die Orte also Stück für Stück in die
       Landschaftsschutzgebiete hineinfressen“.]
       
       Auch die Grünen haben auf dieses Vorhaben mit scharfer Kritik reagiert.
       Käme das Gesetz durch, könnten in Schutzgebieten wie Schorfheide-Chorin
       künftig 20 Prozent der Flächen ohne naturschutzrechtliche Genehmigung
       bebaut werden, [5][betonte die Landesvorsitzende Andrea Lübcke]. „Das ist
       ein klarer Bruch mit dem Prinzip des Schutzgebietserhalts und eine Gefahr
       für Biodiversität, Lebensqualität und den Tourismus.“
       
       Im Gegensatz zu Grünen und Nabu findet der Gesetzentwurf der SPD-Ministerin
       beim Landesbauernverband Zustimmung. Ein „begrüßenswertes Gesetz“, lobt
       Präsident Henrik Wendorff. Von einem „großartigen Gesetzentwurf“ spricht
       auch das Forum Natur, ein Zusammenschluss von Landnutzern, dessen
       ehemaliger Geschäftsführer Gregor Beyer nun als Staatssekretär von
       Mittelstädt freie Hand hat bei der Rückabwicklung der Brandenburger
       Naturschutzstandards.
       
       ## Teuer für die öffentliche Hand
       
       Allerdings könnte das Gesetz, so es denn den Landtag passiert, nicht nur
       Genehmigungsverfahren beschleunigen, sondern Brandenburg auch teuer zu
       stehen kommen. Die ebenfalls vorgesehene Einschränkung des Vorkaufsrechts
       durch das Land in Schutzgebieten soll nämlich nicht mehr durch Stiftungen
       wie den Naturschutzfonds oder die Stiftung Naturlandschaften ausgeübt
       werden können. Bislang hatte die öffentliche Hand dieses Vorkaufsrecht
       zugunsten Dritter ausgeübt, die den Erwerb von Flächen für den Naturschutz
       finanziert haben.
       
       Damit soll nun Schluss sein. Um Naturschutzflächen im Rahmen eingegangener
       Verpflichtungen zu sichern, müsste dann die öffentliche Hand deren Kauf
       finanzieren, sagt Ellner. Darüber hinaus drohen Vertragsstrafen der EU,
       wenn etwa Maßnahmen in FFH-Schutzgebieten nicht umgesetzt werden können.
       
       Den Vorwurf, das besondere Klagerecht in Brandenburg habe bislang Verfahren
       verzögert und sei ein Investitionshemmnis, wies Ellner zurück. So habe der
       Nabu im Jahr 2024 bei 1.000 Beteiligungen nur drei Klagen erhoben. Dass die
       Klagen der Naturschutzverbände insgesamt eine Erfolgsquote von 42 Prozent
       hätten, wertet Ellner als Beweis dafür, „dass Klagen von anerkannten
       Naturschutzvereinigungen absolut gerechtfertigt und ein wichtiges Korrektiv
       für Fehlentscheidungen von Genehmigungsbehörden sind“.
       
       Für die grüne Landeschefin Lübcke ist ohnehin klar: „Was hier als
       Bürokratieabbau verkauft wird, ist in Wahrheit ein massiver Kahlschlag
       gegenüber dem Umweltschutz.“
       
       7 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://brandenburg.nabu.de/natur-und-landschaft/gewaesser/35669.html
   DIR [2] https://www.landtag.brandenburg.de/de/termine/5._(oeffentliche)_sitzung_des_sonderausschusses_buerokratieabbau/44091?stream=1
   DIR [3] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w8/drs/ab_0900/956.pdf
   DIR [4] https://brandenburg.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/gesellschaft-politik/36210.html
   DIR [5] https://gruene-brandenburg.de/startseite/single-news/buendnisgruene-kritisieren-gesetz-zum-buerokratieabbau-als-angriff-auf-naturschutz-und-beteiligung
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
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