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       # taz.de -- Brandanschlag mit vier Toten 2024: Neue Vorwürfe gegen Angeklagten von Solingen
       
       > Legte der mutmaßliche Brandstifter von Solingen noch ein weiteres Feuer?
       > Neue Indizien deuten darauf hin – und legen erneut ein rechtsextremes
       > Motiv nahe.
       
   IMG Bild: Der Brandanschlag war wohl keine Einzeltat des mutmaßlichen „Einzeltäters“ von Solingen
       
       Frankfurt am Main taz | Es gibt neue Vorwürfe gegen den mutmaßlich
       rechtsextremen Brandstifter von Solingen. Daniel S. steht bereits vor
       Gericht, weil er hinter [1][einem Brandanschlag vom März 2024 stecken
       soll], bei dem vier Mitglieder einer bulgarisch-türkischen Familie ums
       Leben kamen und 21 Menschen teils schwer verletzt wurden. Jetzt gibt es
       Hinweise, dass der 40-Jährige ein weiteres Feuer legte.
       
       Es geht dabei um einen Brand im Keller eines Wohnhauses in Wuppertal 2022.
       In diesem Haus hatte zuvor die Freundin des Angeklagten gewohnt. 2021 war
       es zu einem Streit zwischen diesem und einem marokkanischen Nachbarn
       gekommen – beide zeigten sich damals gegenseitig an.
       
       Der 55-jährige Nachbar, Jammal H., war am Mittwoch als Zeuge am Landgericht
       Wuppertal geladen. Er berichtete, dass der Angeklagte immer wieder
       Konflikte mit ihm begonnen habe. So habe Daniel S. ihn frühmorgens mit
       Pfefferspray attackiert, immer wieder auf der Straße beleidigt und „öfter
       böse angeguckt und beobachtet“.
       
       Die Nebenklage-Anwältin Seda Başay-Yıldız wies darauf hin, dass im
       Suchverlauf des Angeklagten mehrfach nach Jammal H. und seinen persönlichen
       Informationen gesucht wurde. Einen Grund dafür könne Jammal H. nicht genau
       nennen, einziger Konflikt in dem Haus sei gewesen, dass der Angeklagte und
       seine Partnerin immer laut Musik gehört hätten – das habe aber auch alle
       anderen Nachbarn gestört.
       
       ## Dürftige Ermittlungen
       
       In dem Zeitraum, in dem Daniel S. und seine Freundin in dem Haus wohnten,
       sei Jammal H. zudem seine Bankkarte samt PIN aus dem Postfach gestohlen
       worden. Sein Konto sei angegriffen worden, damit habe jemand Lotto gespielt
       und mehrfach Geld abgehoben. Zudem habe er drei- bis viermal Flüssigkeit
       vor seiner Wohnungstür festgestellt: „Es war wie Öl ist, das ist nicht
       normal.“
       
       Am 5. Januar 2022 kam es schließlich in dem Haus zu dem Brand. Er habe den
       Rauch früh genug bemerkt, berichtet H. und habe versucht, durch die Haustür
       zu entkommen. Doch diese sei an dem Tag verschlossen gewesen – was sie
       normalerweise nie gewesen sei. Mit seinem Schlüssel habe er die Tür dann
       geöffnet.
       
       Die anderen Bewohner des Hauses, Menschen mit syrischem und rumänischem
       Hintergrund, wurden mit einer Feuerwehrleiter gerettet. H. habe danach
       einen Tag im Krankenhaus verbracht, bis heute habe er durch den Brand
       entstandene Beeinträchtigungen. Doch die Polizei habe ihn nie zu dem Fall
       vernommen. „Die haben nur den Namen genommen, aber nichts gefragt.“
       
       Bekannt ist: ein Brandsachverständiger war nach dem Brand nicht vor Ort.
       Die Ermittlungen wurden wenige Monate nach dem Vorfall eingestellt –
       möglicherweise ein Kabelfehler, hieß es in der Presse. Die Vermutung am
       Wuppertaler Gericht: Auch für diesen Brand ist Daniel S. verantwortlich.
       „Sie hatten doch vielleicht Ihre Finger in der Sache“, sagte der
       Vorsitzende Richter am Landgericht Wuppertal, Jochen Kötter. „Wenn man
       alles zusammen denkt, könnte es passen.“
       
       ## Nazi-Musik und rassistische Sprüche
       
       Bekannt ist, dass Daniel S. bereits mehrfach mit Betrugsdelikten auffiel
       und regelmäßig Glücksspiel spielte. Im November 2022 und im Februar 2024
       setzte er mutmaßlich weitere Häuser in Brand. Auch in diesen Gebäuden
       hatten sich zur jeweiligen Tatzeit Menschen aufgehalten, aufgefallen war
       Zeug*innen Öl vor der Tür.
       
       Am Mittwoch las Richter Kötter auch die Nachrichten zwischen dem
       Angeklagten und seiner Partnerin am Tag des Brands im Januar 2022 vor. Dem
       zufolge sei der Angeklagte „irgendwo noch Matratze und Bilder abholen“
       gewesen.
       
       Ein Bekannter des Angeklagten und seiner Freundin berichtete der taz, dass
       S. und seine Freundin auch nach ihrem Auszug im September 2021 ihre Möbel
       noch im Keller gelagert haben. S. habe nach dem Auszug seiner Freundin
       Druck gemacht, schnell ihre Möbel aus dem Keller zu holen – wenige Tage
       nachdem die Möbel dann weg waren, sei es dann zu dem Brand gekommen.
       
       Zudem berichtete der Bekannte, dass Daniel S. NS-Musik gehört habe. Auf
       Beschwerden habe er gesagt: „Das hat im Dritten Reich funktioniert, so
       funktioniert es auch.“ Er habe zudem Ärger über die „Ausländer in Solingen“
       geäußert und behauptet, dass man sich dort deshalb nicht mehr aufhalten
       könne. Zudem seien im Freundeskreis des Täters „rassistische Witze über
       Türken“ üblich gewesen.
       
       Die Anwält*innen der Nebenklage gehen [2][von einem rechtsextremen
       Tatmotiv] aus, doch das Gericht zeigt sich bislang davon nicht überzeugt.
       Würde ein solches Motiv anerkannt, wäre das für die Betroffenen nicht nur
       Aufklärung, sondern würde für die Überlebenden Nihat und Ayşe K. sowie die
       Angehörigen der ermordeten Familie auch eine Voraussetzung für
       Opferentschädigung erfüllen.
       
       Die Opferberatungsstelle VBRG e.V. hat zuletzt eine Spendenaktion für die
       Überlebenden und Angehörigen gestartet. Ihr Leben sei durch den Anschlag
       „grundlegend erschüttert“, die bisherigen Hilfen reichten „kaum für das
       Nötigste“. Der Prozess gegen den 40-jährigen Angeklagten wird am 24. Juni
       vor dem Landgericht Wuppertal fortgesetzt.
       
       12 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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