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       # taz.de -- Umstrittenes Bauprojekt in Berlin-Pankow: Was ist das eigentlich, Nachhaltigkeit?
       
       > Die BI „Grüner Kiez Pankow“ kritisiert das Bekenntnis der landeseigenen
       > Gesobau zur Natur als Greenwashing. Die wehrt sich gegen den Vorwurf.
       
   IMG Bild: Wut auf Projekte, die Stadtnatur dezimieren: Transparente bei einer Demo der BI in Pankow
       
       Berlin taz | Jazz und Soul im Schlosspark Niederschönhausen, Workshops und
       Magie für die Kinder, dazu eine „Naturmeile“, auf der die Grün Berlin GmbH
       Renaturierungsprojekte in der ganzen Stadt präsentiert: Das [1][24.
       „Kunstfest Pankow“], das die Gesobau am Wochenende ausrichtet, steht unter
       dem Motto „In der Natur“. Im Einladungsflyer verspricht die landeseigene
       Wohnungsbaugesellschaft, zu zeigen, „welche Pracht und Vielfalt es um uns
       herum gibt und warum die Natur schützenswert ist“.
       
       Nur ein paar hundert Meter weiter sind Gesobau-MieterInnen alles andere als
       amüsiert. „Wir halten das Motto angesichts des zerstörerischen Vorgehens
       der Gesobau in der Stadt für unverfrorenes Greenwashing“, so die
       [2][Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow], die seit Jahren gegen ein
       Nachverdichtungsprojekt in den baumbestandenen Höfen ihrer Wohnblöcke
       kämpft. Auch wenn das Kunstfest laut BI-Sprecherin Britta Krehl „ein
       schönes Fest“ ist, will die Gruppe das „nicht unwidersprochen stehen
       lassen“.
       
       An der Ossietzkystraße, an der die umstrittenen Höfe liegen, hat sie für
       Samstagnachmittag eine Kundgebung geplant. Redebeiträge, Plakate und Musik
       sollen die BesucherInnen des nahen Festgeländes darauf aufmerksam machen,
       „dass die Gesobau AG ihren eigenen Nachhaltigkeits-Versprechungen
       zuwiderhandelt“. Höhepunkt wird ein Flashmob sein, bei dem sich die
       Teilnehmenden auf die Straße legen, „um die Hitzetoten und die sterbende
       Stadtnatur zu symbolisieren“.
       
       Apropos Hitze: Mit der von der Gesobau geplanten Fällung des Baumbestands
       für das umstrittene Bauprojekt erwartet die Initiative den „Komplettverlust
       der natürlichen Klimaanlage“ in ihrem Wohngebiet. Gerade angesichts immer
       heißerer Sommer gehe das genau die falsche Richtung.
       
       Seit zwei Jahren schon sind die Bäume eingezäunt und werden rund um die Uhr
       im Auftrag der Gesobau bewacht – damit sie umgehend gefällt werden können,
       sobald der Bezirk Pankow dafür die Genehmigung erteilt. Wann das geschieht,
       ist aber weiterhin offen.
       
       [3][Im vergangenen Jahr konnte die Bügerinitiative] mit Unterstützung des
       BUND, der NaturFreunde Berlin und der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft
       Naturschutz (BLN) das Bezirksamt davon überzeugen, dass die
       artenschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen der Gesobau – etwa neu
       gepflanzte Büsche als Lebensraum für Vögel – nicht oder noch nicht ihren
       Zweck erfüllten.
       
       ## Noch keine Fällgenehmigung
       
       Auch in diesem Jahr hatte die Wohnungsbaugesellschaft zum 1. März – an dem
       die Brutsaison beginnt, in der Rodungen ausgeschlossen sind – [4][noch
       keine Fällgenehmigung in der Tasche]. Eine Ausnahmegenehmigung innerhalb
       der Saison, die bis Ende September geht, ist unwahrscheinlich.
       
       Immerhin wollte der Bezirk selbst einen „Klima-Bebauungsplan“ aufstellen,
       der nur eine reduzierte Bebauung erlaubt hätte. Bis ihm die Zuständigkeit
       für das Projekt entzogen wurde. Die Gesobau hatte die von ihr geplanten
       Gebäude zum Geflüchteten-Wohnheim umdefiniert, und das versetzte die
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in die Lage, die Baugenehmigung am
       Bezirk vorbei zu erteilen.
       
       Gebe der Bezirk dann im Herbst grünes Licht für die Fällarbeiten, würden
       die Naturschutzverbände klagen, so Krehl gegenüber der taz. Auch dann
       sollte es also eigentlich noch nicht zum befürchteten Kettensägenmassaker
       kommen. Die Bürgerinitiative hofft laut Britte Krehl weiterhin auf
       Gespräche mit allen Beteiligten, die am Ende in eine Kompromisslösung
       münden.
       
       Bislang hat die Gesobau allerdings kein Interesse signalisiert, von ihrem
       Plan abzuweichen. In ihrer Reaktion auf einen offenen Brief der BI
       wiederholte sie unlängst ihre bekannte Position und erklärte, alle
       Argumente seien „bereits mehrfach ausgetauscht worden“. Man sehe keinen
       Gesprächsbedarf, zudem entspreche „der Austausch über ‚offene Briefe‘ nicht
       unserer Verfahrensweise“.
       
       ## „Nachhaltigkeit ist nicht nur Ökologie“
       
       Auf Anfrage der taz teilte die Gesobau mit, der Vorwurf des Greenwashings
       entbehre „jeglicher Grundlage“. Das Thema Nachhaltigkeit, das beim
       diesjährigen Kunstfest im Mittelpunkt stehe, sei „seit vielen Jahren fest
       in den Strukturen und Geschäftsprozessen der Gesobau verankert“ und werde
       „in allen Unternehmensbereichen gelebt“, so Sprecherin Birte Jessen. Sie
       verwies „zum besseren Verständnis auf die Definition von Nachhaltigkeit“.
       Die BI verenge den Begriff auf die Ökologie, tatsächlich habe
       Nachhaltigkeit aber „drei Säulen“, nämlich „Ökologie, Ökonomie und
       Soziales“.
       
       Auftrag der Gesobau als landeseigene Wohnungsbaugesellschaft sei es,
       bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung zur Verfügung zu
       stellen, sagte Jessen. Zum Projekt an der Ossietzkystraße teilte sie mit,
       man habe nach einem Partizipationsverfahren – an dem sich die
       Bürgerinitiative nicht beteiligt habe – die ursprünglich geplanten rund 180
       Wohnungen schon auf 99 reduziert. Die Gesobau befinde sich mit dem
       Bezirksamt Pankow „derzeit in engem Austausch“ und gehe „anschließend von
       einem kurzfristigen Baubeginn aus“.
       
       BI-Sprecherin Britta Krehl sagt, die Initiative habe „aus gutem Grund“
       nicht am Partizipationsverfahren teilgenommen. Aus Sicht von „Grüner Kiez
       Pankow“ konnte in dem Verfahren keine Variante diskutiert werden, die dem
       reduzierten Ausmaß des bezirklichen „Klima-Bebauungsplans“ entsprochen
       hätte. Laut der Initiative seien bei der Abschlussveranstaltung auch
       maximal zehn von rund 600 MieterInnen des Komplexes anwesend gewesen.
       
       ## Unterstützung aus Blankenfelde und Wittenau
       
       Unterstützt wird der „Grüne Kiez Pankow“ am Samstag von zwei anderen
       Bürgerinitiativen, die sich für Naturräume einsetzen, die aus ihrer Sicht
       durch den Senat und landeseigene Unternehmen bedroht sind. Die BI
       Elisabeth-Aue fordert Landschaftsschutz für das gleichnamige
       Entwicklungsgebiet im Pankower Ortsteil Blankenfelde, wo das Land bis zu
       5.000 Wohnungen bauen lassen will. Die Gesobau ist zu 50 Prozent an der
       Entwicklungsgesellschaft beteiligt.
       
       Derweil kritisiert die „BI zur Erhaltung des Wittenauer Stadtwaldes“ ein
       ähnliches Projekt im benachbarten Bezirk Reinickendorf: Hier plant die
       Gesobau mehrere hundert Wohneinheiten auf dem Gelände der ehemaligen
       Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik – und auch hier soll alter Baumbestand den
       neue Gebäuden weichen.
       
       Für Michaela Heiler von der Wittenauer BI handelt es sich um hochwertigen
       ökologischen Lebensraum – „eine Mischwaldfläche mit artenreicher Flora und
       Fauna“, der einer „landeseigenen Beton-Ideologie mit ökologischem
       Mindeststandard“ weichen soll. „Aus Rückzugs-Orten werden Wegzieh-Orte“, so
       Heiler. „Tragfähige Zukunft heißt nicht, die Gegenwart zu zerstören.“
       
       13 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.gesobau.de/mieterservice/feste-und-veranstaltungen/kunstfest-pankow/
   DIR [2] https://xn--grner-kiez-pankow-32b.de/
   DIR [3] /Konflikt-um-Nachverdichtung/!6035646
   DIR [4] /Umstrittenes-Bauprojekt-in-Berlin-Pankow/!6072914
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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