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       # taz.de -- Ukrainisches Atomkraftwerk: Gefahr durch besetztes AKW Saporischschja
       
       > Die Internationale Atomenergiebehörde warnt – ebenso die
       > Umweltorganisation Greenpeace. Diese arbeitet derweil am ökologischen
       > Wiederaufbau der Ukraine.
       
   IMG Bild: Ein Block des Kernkraftwerks Saporischschja im Jahr 2022
       
       Kyjiw taz | Es vergeht kaum eine Woche, in der die Internationale
       Atomenergiebehörde IAEA nicht vor den Gefahren warnt, die von Europas
       größtem Atomkraftwerk ausgehen, dem AKW Saporischschja. Seit dem russischen
       Überfall im März 2022 wird das in der südostukrainischen Stadt Enerhodar
       gelegenen Kraftwerk von Russland kontrolliert. Panikmache kann man der
       Organisation, zu deren Hauptzielen per Statut die Förderung der
       „friedlichen“ Nutzung der Kernenergie gehört, sicherlich nicht vorwerfen.
       
       So äußerte der Generaldirektor der IAEA, Rafael Mariano Grossi, in einer
       Sitzung des IAEA-Vorstands vergangenen Donnerstag [1][große Besorgnis über
       die prekäre Sicherheitslage] an dem AKW. Die Stromversorgung, so Grossi,
       sei „extrem verwundbar“. Seit einem Monat stehe nur noch eine externe
       Stromleitung zur Verfügung. Diese Leitung liefert den für die Kühlung der
       Reaktoren und abgebrannten Brennelemente notwendigen Strom. Vor Beginn des
       Krieges hatte man noch zehn externe Stromleitungen.
       
       Aktuell, so Grossi, seien die Reaktoren in einem sogenannten
       Kaltabschaltzustand. Das für die Kühlung der abgebrannten Brennstäbe
       erforderliche Wasser erhalte man von elf Brunnen, ist doch die
       ursprüngliche Wasserversorgung aus dem Kachowka-Staudamm nach dessen
       Zerstörung nicht mehr möglich. Letztlich sei die Nutzung von Grundwasser
       aber nur eine Zwischenlösung. Zusätzliche Sorgen bereiten anhaltende
       Drohnenangriffe auf das Trainingszentrum des Kraftwerks, das sich
       unmittelbar außerhalb des Sicherheitsbereichs befindet. Laut Grossi hörte
       das vor Ort stationierte IAEA-Team am Donnerstag wiederholt Schüsse und
       Explosionen. Es war bereits der vierte dokumentierte Angriff in diesem
       Jahr.
       
       Nun gibt es mehrere Hinweise darauf, dass Russland das AKW wieder ans
       russische Netz bringen will. Bereits am 27. Mai hatte die [2][New York
       Times] dementsprechende Hinweise und Satellitenfotos von Greenpeace-Ukraine
       veröffentlicht. Seit einem Treffen von Grossi und dem Chef des staatlichen
       russischen Atomkonzerns Rosatom am 6. Juni im russischen Kaliningrad
       scheinen sich diese Hinweise zu verdichten.
       
       ## Zurück ans russische Netz
       
       „Rosatom bereitet sich auf die Wiederinbetriebnahme des AKW Saporischschja
       vor; der Plan für die schrittweise Inbetriebnahme der Blöcke wird derzeit
       von der russischen Regierung genehmigt. Die Lizenz für den Betrieb des
       ersten Blocks des KKW ZNPP wird bis 2025 verlängert. Rosatom richtet eine
       schwimmende Pumpstation ein, um die Wasserversorgung sicherzustellen“,
       berichtet das russische Onlineportal [3][www.mk-zap.ru].
       
       Auf russischer Seite macht man sich auch schon Gedanken über den aktuell in
       den Reaktoren befindlichen Brennstoff. Und das ist in vier der sechs
       Reaktoren US-amerikanischer Brennstoff. Nun will die russische Seite mit
       den USA in Verhandlungen treten, ob man den Brennstoff in den Reaktoren
       belassen soll oder wieder in die USA schicken soll.
       
       Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnt eindringlich vor einem
       Wiederhochfahren der Reaktoren. Die Ausrüstung der Anlage sei in
       abgenutztem Zustand. Außerdem [4][fehle es an erfahrenem Personal], so
       Greenpeace. Viele qualifizierte ukrainische Fachkräfte hätten das AKW
       verlassen. Wegen des Ausfalls mehrerer Leitungen sei die externe
       Stromzufuhr gefährdet.
       
       Gefährlich, so Greenpeace, sei auch die unzureichende Zirkulation von
       Kühlwasser. Dies könnte schlimmstenfalls zu einer Überhitzung und
       Beschädigung des Reaktorkerns führen.
       
       ## Ökologischer Wiederaufbau
       
       Seit 2022 ist Greenpeace in der Ukraine aktiv. Die Umweltorganisation
       konzentriert sich auf die Beobachtung und Dokumentation nuklearer Gefahren,
       arbeitet gleichzeitig praktisch an einem ökologischen Wiederaufbau des
       Landes. So wurden an einer Schule in Hostomel und einer Klinik in Mykolajiw
       Solarsysteme installiert.
       
       Unterdessen bietet Greenpeace in Zusammenarbeit mit der ukrainischen NGO
       „Women in Tech“ Kurse für angehende Solartechnikerinnen an. Und die sind
       sehr beliebt. 200 Interessentinnen hätten sich für den letzten Kurs
       gemeldet. Leider habe man nur 30 Plätze für Kursteilnehmerinnen gehabt.
       
       Es seien mehrere Gründe, warum man sich entschieden habe, diese Kurse
       gerade für Frauen anzubieten, berichtet Polina Kolodyazhna, Senior
       Campaigner bei Greenpeace Ukraine, gegenüber der taz. Zum einen dienten
       viele ukrainische Männer in der Armee. „Zweitens wollen wir mit dem Mythos
       aufräumen, dass die Installation von Solarkraftwerken ein Männerberuf ist.
       Wir wollen Frauen unterstützen, die im Energiesektor arbeiten wollen, ihnen
       helfen, ihr Potenzial zu verwirklichen und Veränderungen in der
       Gesellschaft anzustoßen.“
       
       „Ukrainische Frauen sind Superfrauen, die bewiesen haben, dass sie auch in
       Kriegszeiten alles schaffen können! Das Engagement von Frauen im Bereich
       der erneuerbaren Energien ist nicht nur ein Beitrag zur nachhaltigen
       Entwicklung, es ist auch ein wichtiger Schritt zur Überwindung von
       Geschlechterstereotypen“, sagt Oksana Zabolotna, Mitbegründerin von „Women
       in Tech Ukraine“, der taz. „Wir von Women in Tech Ukraine sind stolz
       darauf, diese Reform im ukrainischen Energiesektor zu unterstützen und
       somit gleichzeitig an neuen Perspektiven für Frauen in technischen Berufen
       zu arbeiten.“
       
       16 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.iaea.org/newscenter/pressreleases/update-296-iaea-director-general-statement-on-situation-in-ukraine
   DIR [2] https://www.nytimes.com/2025/05/27/world/europe/russia-ukraine-nuclear-zaporizhzhia.html
   DIR [3] https://www.mk-zap.ru/politics/2025/06/06/rosatom-likhachev-i-grossi-obsuzhdayut-bezopasnost-zaes-na-fone-obstrelov-vsu.html
   DIR [4] /Buergermeister-ueber-AKW-in-Saporischschja/!6023989
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
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