# taz.de -- Neue Medizin-Hochschule: Osnabrück will sich selbst heilen
> Stadt und Landkreis Osnabrück wollen kommunal getragene Hochschule für
> Humanmedizin aufbauen. Niedersachsens Landespolitik hatte das stets
> abgelehnt.
IMG Bild: So könnte das aussehen: 50 Studierende sollen ab dem Wintersemester 2027 in Osnabrück Humanmedizin studieren
Osnabrück taz | Wer einen Neuaufbruch verkündet, muss optimistisch klingen.
Anna Kebschull (Grüne), Landrätin des Landkreises Osnabrück, weiß das. Wenn
sie über die medizinische Hochschule spricht, die sich Stadt und Landkreis
Osnabrück gönnen wollen, als kommunal getragenes, privatwirtschaftliches
Kooperationsmodell von Universität und Hochschule Osnabrück, zudem
örtlicher Kliniken, sagt sie Griffiges wie: „Wir nehmen das Heft jetzt in
die eigene Hand!“ „Wir brauchen Medizinstudierende für Stadt und Landkreis
Osnabrück“, betont sie. Es gehe darum, die „Gesundheitsversorgung
sicherzustellen“, gemäß der „Bedarfe gerade im ländlichen Raum“.
Diese Bedarfe sind massiv unter Druck. Nicht nur, [1][dass es an Hausärzten
fehlt]. Die Niels-Stensen-Kliniken, der größte Gesundheitsverbund im Raum
Osnabrück-Emsland, [2][dünnt sich kontinuierlich aus], was Kebschulls
Landbevölkerung massiv beunruhigt, vom hitzigen Bürgergespräch bis zur
Demo.
Ende des Sommers [3][schließt der Niels-Stensen-Verbund sein Krankenhaus
St. Raphael Ostercappeln]. Die Gynäkologie und Geburtshilfe seines
Christlichen Klinikums Melle ist schon dicht. Sein Marienhospital
Ankum-Bersenbrück ist [4][zum regionalen Gesundheitszentrum degradiert].
## Zehn Jahre bis zur Vollauslastung
Universität und Hochschule Osnabrück sind nicht unerfahren in
Medizinthemen. Die Universität lehrt nicht zuletzt
Gesundheitswissenschaften und Psychologische Psychotherapie. Der
Fach-Fächer der Hochschule reicht von der Hebammenwissenschaft bis zur
Ergotherapie.
Zehn Millionen Euro wollen Stadt und Landkreis investieren, als Anschub.
Zehn Jahre könnten von der Initiierungsphase bis zur „Steady
State“-Vollauslastung vergehen. Am Ende soll sich die Neugründung, geplant
für bis zu 500 Studierende, eigenständig tragen, durch Drittmittel, nicht
zuletzt über Studiengebühren. Geht nichts schief, geht der Lehrbetrieb zum
Wintersemester 2027 los, mit 50 Studierenden.
Osnabrück hatte sich jahrelang beim Land Niedersachsen um eine medizinische
Fakultät beworben – vergeblich. „Unsere Initiative versteht sich
ausdrücklich nicht als Konkurrenz zur staatlichen Hochschulpolitik, sondern
als notwendige Ergänzung“, schreiben Arne Köhler und Henning Müller-Detert
auf Fragen der taz, Sprecher der Stadt beziehungsweise des Landkreises
Osnabrück. „Die Versorgungslage duldet keinen Aufschub.“
## Noch nicht in trockenen Tüchern
„Uns ist bewusst, dass zehn Millionen Euro knapp erscheinen“, so Köhler und
Müller-Detert. „Umso wichtiger sind schlanke Strukturen, starke regionale
Partnerschaften und die Nutzung vorhandener Infrastruktur. Wir setzen auf
Synergien statt teure Neuinvestitionen“. Welche das sein könnten, sagen sie
nicht.
Und wer übernimmt die Kosten, wenn das Modell scheitert? „Die Nachfrage
nach Medizinstudienplätzen ist seit Jahren ungebrochen hoch“, so die
Sprecher der Kommunen. Man gehe daher davon aus, „dass die Hochschule
voll ausgelastet sein wird“. Das sei „Voraussetzung für das Finanzmodell“.
Noch ist nicht alles in trockenen Tüchern. Die Zustimmung der politischen
Gremien in Stadt und Landkreis Osnabrück steht noch aus. Die Verwaltungen
von Stadt und Landkreis seien allerdings „sehr optimistisch“, dass der Rat
der Stadt und der Kreistag die Grundsatzbeschlüsse „mit großer Mehrheit“
fassen. In wenigen Wochen ist es so weit.
„Grundsätzlich begrüße ich die Pläne“, schreibt Volker Bajus, Osnabrücker
Landtagsabgeordneter und parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, der
taz. „[5][Der Ärztemangel] ist in unserer Region bereits spürbar und das
ist erst der Anfang.“
## Gemeinden sollen bei Studiengebühren helfen
Aber, so Bajus: „Ich bin eigentlich gegen Studiengebühren. Deswegen ist die
geplante privatwirtschaftliche Lösung für mich nur zweite Wahl.“ Vor 15
Jahren habe sich die damalige CDU/FDP-Regierung für Oldenburg als dritten
staatlichen Medizinstudiengang entschieden. „Damit war der Zug für
Osnabrück abgefahren.“ Ein vierter staatlicher Studiengang sei in
Niedersachsen angesichts der schwierigen Finanzlage nicht drin. „Das können
wir jetzt lange beklagen. Bringt nur nichts.“
Hoffnung mache, dass sich Kommunen, Firmen und Förderer mit Stipendien
beteiligen. „Damit können Studierende nicht nur entlastet, sondern auch
zum Bleiben in der Region verpflichtet werden.“ Das Modell: Ärztlich
unterversorgte Gemeinden helfen Studierenden bei den Studiengebühren, dafür
praktizieren die neuen Ärzte eine Weile dort.
Der Osnabrücker Vorstoß weckt auch in Bremen Begehrlichkeiten. „Was
Osnabrück heute macht, hätten wir in Bremen längst tun müssen“, schreibt
Rainer Bensch, gesundheitspolitischer Sprecher der
CDU-Bürgerschaftsfraktion, Anfang Juni in einer Erklärung. „Dass Stadt und
Landkreis Osnabrück jetzt sogar eine private medizinische Hochschule
gründen, zeigt den Willen, Verantwortung zu übernehmen. In Bremen hingegen
herrscht seit Jahren Stillstand.“
18 Jun 2025
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## AUTOREN
DIR Harff-Peter Schönherr
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