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       # taz.de -- Europameisterschaften in Hamburg: Rugby soll raus aus der Komfortzone
       
       > Bei der EM im schnellen Format „Rugby 7s“ haben die deutschen Frauen und
       > Männer mit dem Titel nichts zu tun. Aber es gibt große Pläne.
       
   IMG Bild: Da hilf kein Klagen: Gegen die Favoriten aus Spanien war für die deutschen Männer zweimal nichts zu holen
       
       Hamburg taz | Diese Veranstaltung ist etwas für Eingeweihte. Nur eine
       schmale Zufahrt führt zur Sport-Anlage Steinwiesenweg – doch hier im
       Hamburger Stadtteil Eidelstedt ist gleich neben dem Gymnasium Dörpsweg
       einiges gewachsen in den vergangenen Jahren. Bewegungsräume für Kinder und
       Jugendliche, ein schmucker Rasenplatz mit Laufbahn, ein Ort für
       Flag-Football weiter hinten und jedes Jahr im Juni Heimat der Rugby
       7s-Europameisterschaft.
       
       Was für die einen wie der ideale, gemütliche Ort [1][für die
       Rugby-Gemeinschaft] wirkt, ist anderen zu klein geworden. In der
       Rugby-Familie beliebt und honoriert, peilt Steffen Große den nächsten
       Schritt an und stellt sich dieses Turnier in einem opulenteren Stadion vor.
       „Wir brauchen mehr Sichtbarkeit und müssen größer denken“, sagt Große. Er
       ist der neue Sportdirektor von „Rugby Deutschland“.
       
       Von Rugby am Millerntor im Rahmen der Hamburg 7s ist schon seit ein paar
       Jahren die Rede. Die Verträge laufen bis 2028. Fraglich, ob es den Umzug
       ins Stadion des FC St. Pauli bis dahin geben wird. Ein Titelsponsor könnte
       das ermöglichen. Von Seiten des Weltverbandes „World Rugby“ soll es zudem
       Interesse an der Austragung eines Weltserienturniers der ersten Kategorie
       in Deutschland geben. Große könnte sich so etwas in Köln oder Düsseldorf
       vorstellen.
       
       Wer am Sonntag schon vormittags um 10.14 Uhr ran muss, hat irgend etwas
       falsch gemacht. Bei den deutschen Herren in der olympischen
       Siebener-Variante begann das Unheil schon im ersten Spiel der Hamburg 7s:
       Als das „Wolfspack“ genannte Team am Freitag überraschend Tschechien mit
       7:19 unterlag, war der Weg ins erhoffte Halbfinale weit geworden. „Wir
       haben am Freitag einfach kacke gespielt“, sagte Linksaußen Bennet Veil am
       Sonntagvormittag – da hatten die besten deutschen Rugbyspieler gerade
       denselben Gegner mit 26:12 bezwungen.
       
       ## Sieg gegen Tschechien erst im zweiten Anlauf
       
       „Völlig losgelöst“ dröhnte aus den Lautsprechern, die 2.500 Menschen
       johlten und die Gesichter wirkten zufriedener als noch am Tag zuvor: Da
       waren die Deutschen von Trainer Clemens von Grumbkow zweimal Spanien
       unterlegen; erst im letzten Gruppenspiel mit 12:26, dann im begeisternden
       Viertelfinale 12:14. Spanien gilt in der schnellen, actionreichen
       Rugby-Variante als das Maß der Dinge in Europa – nach zweimal sieben
       Minuten ist alles vorbei. Aus der Niederlage in der Runde der letzten Acht
       ergab sich für das „Wolfspack“ die frühe Spielzeit gegen Tschechien. Am
       Nachmittag sicherten die deutschen Männer sich gegen Belgien immerhin noch
       Platz fünf.
       
       Bei den deutschen Frauen lief es schon am Freitag in der Vorrunde besser:
       mit einem Sieg gegen die favorisierten und in der Europa-Rangliste an eins
       liegenden [2][Französinnen] – denen das Team um die Hamburgerin Mette
       Zimmat dann aber im Viertelfinale am Samstag 19:31 unterlag. Durch einen
       Sieg und eine Niederlage am Sonntag zum Turnierabschluss kam die Gruppe von
       Trainer Curtis Bradford auf Rang sechs des Hamburger Teils der
       Europameisterschaft. Beim ersten Teil im kroatischen Markarska war sie
       Achter geworden. Eine Steigerung, die die neuformierten Männer verpassten.
       
       „Wir sind mit den Resultaten nicht zufrieden“, sagt deren Coach Clemens von
       Grumbkow, „aber wir haben hier eine im Schnitt 22 Jahre junge Mannschaft,
       die gegen gute Gegner Erfahrung sammeln soll.“ Von Grumbkows Fünf ist etwas
       anders besetzt als die, die im Mai in Los Angeles überraschend den Aufstieg
       in die Weltliga schaffte, die höchste Staffel mit allen großen Gegnern.
       Leider allerdings hat der Weltverband die Weltserie von 2026 an in zwei
       Ligen aufgeteilt und „Rugby Deutschland“ hat seinen Startplatz in der
       Abteilung zwei. Start im Januar. Dann könnte über eine mehrstufige Auswahl
       der Aufstieg in die „echte“ Weltserie beginnen.
       
       Die mögliche Beute hängt dem „Wolfsrudel“ also vor der Nase. Doch von
       Grumbkow weiß, wie weit der Weg ist: „Verglichen mit den Top-Teams fehlt
       uns die Tiefe im Kader. Unsere Mannschaft steht eigentlich immer schon
       fest, wir haben wenig Konkurrenzkampf im Training. Niemand muss um seine
       Position kämpfen.“ Nur 15 geeignete Spieler hat von Grumbkow. Er hätte gern
       22 oder mehr.
       
       Dem neuen Sportdirektor von „Rugby Deutschland“, Steffen Große, schwebt
       vor, hinter jedem Topspieler einen gleichwertigen Ersatz zu haben, bei den
       Männern wie bei den Frauen. Das sei neben dem internen Wettbewerb auch aus
       einem anderen Grund wichtig: „Unsere Teams spielen wegen Verletzungen
       selten in der besten Besetzung“, sagt er, „deswegen wäre es umso wichtiger,
       auf Ausfälle reagieren zu können.“
       
       Von Grumbkow sagt, das Ziel sei, aus der U18 verletzungsbedingte Ausfälle
       zu kompensieren oder solche Lücken zu stopfen, die entstehen, wenn einer
       wie Bastian van der Bosch aus Heidelberg aufhört – er beendete seine
       Nationalmannschaftskarriere am Sonntag.
       
       Trotz aller Schwierigkeiten eines kleinen Verbandes sehen die
       Verantwortlichen Chancen für den Aufstieg in die erste Weltliga und die
       Teilnahme an den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles: „Aber ohne
       Konkurrenzkampf ist das utopisch“, sagt Nationalcoach von Grumbkow. Was ihn
       hoffen lässt, ist der Aufstieg in die zweite Staffel der Weltliga und damit
       verbundene starke Gegner.
       
       29 Jun 2025
       
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