# taz.de -- Türkische Opposition: Gefragter Autokrat Erdogan
> Die Solidarisierung mit der türkischen Opposition wirkt routiniert und
> formelhaft. Dabei kommt es jetzt darauf an, sie wirklich zu unterstützen.
IMG Bild: Erdogan wird wieder hofiert, wie hier auf dem Nato-Gipfel in Den Haag, egal wie brutal er die Opposition im eigenen Land unterdrückt
Der Vorsitzende [1][der bedrängten türkischen Oppositionspartei CHP, Özgür
Özel], tourte in den vergangenen Wochen durch Europa und suchte
Unterstützung: zuerst bei der Tagung der sozialistischen Internationale in
Sofia, wo er sich mit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez traf,
zuletzt am Wochenende auf dem Parteitag der SPD, [2][wo er als Gast mit
einer eindringlichen Rede zu Verteidigung der Demokratie in der Türkei
auftrat]. Man klopfte ihm zwar überall auf die Schulter und der
SPD-Parteitag solidarisierte sich dann auch einstimmig mit dem verhafteten
Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu, aber das war es dann auch.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan steckt seine Kritiker in den
Knast, na ja, das kennt man schon. Und dass der Autokrat am Bosporus es mit
der Demokratie wohl nicht so genau nimmt, ist auch nicht neu. Die
Verhaftung von İmamoğlu im März sorgte zwar zunächst für einiges Aufsehen
in Europa, doch das war auch bald wieder vorbei. Die Parteifreunde von der
SPD steckten gerade mitten in den Koalitionsverhandlungen, und die EU hatte
mit Trump und Putin genug zu tun und konnte sich nicht auch noch um Erdoğan
kümmern.
So ist es bis heute geblieben; Erdoğan setzt seine Zerschlagung der
Opposition mittels einer willfährigen Justiz ungestört fort. Es gibt keine
Sanktionsdrohungen aus Brüssel. Erdoğan ist trotz seiner autokratischen,
undemokratischen Politik gefragt wie lange nicht. Er hält die Migranten von
Europas Grenzen fern, er [3][könnte zwischen Russland und der Ukraine
Friedensverhandlungen moderieren], und er befehligt die größte Nato-Armee
diesseits des Nordatlantiks.
Der Mann wird gebraucht, wie der neue Kanzler Merz längst erkannt hat,
schließlich sorgt er für Stabilität an der Südostgrenze der Nato. Doch die
von Erdoğan garantierte Stabilität steht auf tönernen Füßen. Er hat die
Unterstützung der Mehrheit im Land verloren. Wenn man sich schon nicht für
die Demokratie einsetzen will, sollte man gerade im Interesse langfristiger
Stabilität die Alternativen zu Erdoğan nicht vorzeitig fallen lassen.
1 Jul 2025
## LINKS
DIR [1] /Prozess-gegen-CHP-Fuehrung/!6094550
DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=KcU1d18HfF4
DIR [3] /Verhandlungen-ueber-Ukraine-Krieg/!6087951
## AUTOREN
DIR Jürgen Gottschlich
## TAGS
DIR Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
DIR Türkei
DIR Özgür Özel
DIR CHP
DIR Recep Tayyip Erdoğan
DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
DIR Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
DIR Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
DIR Kurden
DIR Ekrem İmamoğlu
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Trump empfängt Erdoğan: Fördern und Fordern
Beim Besuch in Washington erlebt der türkische Staatschef eine willkommene
internationale Aufwertung. Aber Trump fordert klarere Kante gegen Russland.
DIR Attacke auf Satiremagazin in Türkei: Wegen Mohammed-Zeichnung verhaftet
Eine Zeichnung löst Gewalt in der Türkei aus: Islamisten stürmen die
Redaktion des Satiremagazins Leman. Der Staat greift durch – aber nicht
gegen die Angreifer.
DIR Prozess gegen CHP-Führung: Ankaras neue Attacke auf die türkische Opposition
Der türkische Präsident Erdoğan will per Gerichtsurteil CHP-Chef Özgür Özel
absetzen. Die wichtigste Oppositionspartei wäre empfindlich geschwächt.
DIR Türkische Politik in Nahost: Erdoğans Inszenierung
Der türkische Präsident gibt sich dieser Tage als Mittler zwischen USA und
Iran. Bei einem großen Krieg hätte er viel zu verlieren.
DIR Mit Drohnen gegen Kurden: In Erdoğans Schussfeld
Ein ARD-Film dokumentiert den brutalen türkischen Krieg gegen Kurden in
Nordsyrien. Und zeigt, wie ein NATO-Mitglied unbehelligt Leben vernichten
kann.
DIR Nach Festnahme von İmamoğlu: Wie die türkische Justiz gegen die Opposition vorgeht
Kritische Medien und Politiker unter Druck: Nach dem Istanbuler
Oberbürgermeister İmamoğlu geraten jetzt CHP-Chef Özel und ein TV-Sender
ins Fadenkreuz.