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       # taz.de -- Big Tech will bei EU-Regeln mitreden: Mehr Mitsprache für die Mächtigen
       
       > US-Tech-Konzerne könnten Mitspracherechte bekommen bei der Umsetzung der
       > Regeln, die ihre Marktmacht begrenzen sollen. Das ist verrückt – und
       > extrem gefährlich.
       
   IMG Bild: Bla bla bla Musk
       
       Was für ein Krimi: Der Mann im Weißen Haus entscheidet im Alleingang über
       exorbitante Zollerhöhungen. Panik bricht aus, auch bei der deutschen
       Autoindustrie. Verhandlungen, Aufschübe, mehr Verhandlungen. Und weil
       Voldemort mal erwähnt hatte, dass er die – in der Realität sehr sinnvollen
       – [1][europäischen Regeln zur Begrenzung der Marktmacht von Tech-Konzernen]
       für das Böse hält, steht auf einmal folgender Vorschlag im Raum: den
       Konzernen Mitsprachemöglichkeiten geben bei [2][der Umsetzung dieser
       Regeln]. Im Gegenzug würde dann von US-Seite ein Entgegenkommen in der
       Zollfrage zu erwarten sein.
       
       Ganz abgesehen davon, dass die Konzerne durch ihre [3][Armada an
       Lobbyist:innen in Brüssel] nun wahrlich keinen Mangel an
       Mitsprachemöglichkeiten haben: Ein derartiges Arrangement wäre ein guter
       Deal für die USA – und ein desaströser für Europa.
       
       Allerdings tritt an dieser Stelle ein überraschender Akteur auf die Bühne:
       die deutsche Wirtschaft. Aus ihren Reihen, das muss man dazu sagen, kam in
       den vergangenen Wochen meist so etwas wie ein versonnenes Grinsen, wenn es
       um die neue Bundesregierung ging. Endlich Habeck weg, endlich ein
       konsequent unternehmensfreundlicher Wind, endlich wieder kurze Drähte, um
       die eigenen Anliegen einzubringen.
       
       Aber nun ist es zumindest bei der deutschen und europäischen Digitalbranche
       aus mit dem Grinsen: Das [4][Handelsblatt zitiert] exklusiv aus einem
       Brandbrief der Unternehmenschefs von hiesigen Firmen, darunter der
       Modeplattform Zalando, des Software-Entwicklers Personio und des
       Suchmaschinen-Anbieters Ecosia an Kanzler Friedrich Merz. Die
       Bundesregierung scheint nämlich Mitsprachemöglichkeiten für Big Tech
       gegenüber offen zu sein.
       
       ## Ernstzunehmenden Wettbewerb gibt es nicht
       
       Der Tenor des Schreibens: Bloß nicht! Die EU-Regeln seien womöglich die
       „letzte Chance“, die Macht von Big Tech zu begrenzen. Und die
       Start-up-Verbände aus mehreren europäischen Ländern schicken einen
       [5][offenen Brief an die EU-Kommission]. „Wenn die EU europäische
       Technologiechampions fördern will, kann sie nicht gleichzeitig die
       wichtigsten regulatorischen Grundlagen für faire digitale Märkte
       untergraben“, heißt es darin.
       
       Damit ist ein zentrales Argument genannt. Einen ernstzunehmenden Wettbewerb
       gibt es im Digitalmarkt in weiten Bereichen nicht. Cloud-Anbieter,
       Hersteller von Smartphone-Betriebssystemen, Werbenetzwerke – da dominieren
       jeweils nur wenige große Namen. Und diese marktbeherrschenden Unternehmen
       im Digitalsektor kommen nun mal aus den USA.
       
       Wer das noch weiß? Der neue deutsche Digitalminister. Der sagte kürzlich
       auf einer Veranstaltung: „Über 75 Prozent der europäischen Cloud-Daten
       landen derzeit in den Händen von US-amerikanischen Hyperscalern.“
       Hyperscaler, das sind die großen Cloud-Anbieter wie Amazon und Microsoft.
       Der Minister stellte seinem Satz eine rhetorische Frage nach: „Warum?“
       
       ## Sie kuschen jetzt schon vor Trump
       
       Nun, die Antwort kennt auch Digitalminister Karsten Wildberger – und damit
       sollte das Wissen auch beim Rest der Bundesregierung vorhanden sein: Weil
       wenige große Konzerne den Markt beherrschen. Und weil sich das ohne
       konsequente Regulierung auch nur in eine Richtung ändern wird: hin zu einer
       noch stärkeren Dominanz der jetzt schon großen Anbieter.
       
       Denn dass sich so ein Appeasement-Mitspracherecht in einer hoffentlich zu
       erwartenden Nach-Trump-Ära wieder zurückdrehen lässt, das glaubt doch
       niemand ernsthaft. Da wären Nachverhandlungen bei den Zollhöhen schon
       vielversprechender, nämlich spätestens dann, wenn in der US-Regierung
       angekommen ist, dass die Zollinflation für die eigene Wirtschaft auch
       merkbare Nachteile bringt.
       
       Dazu kommt: US-Konzerne – ob Tech oder nicht – kuschen ja jetzt schon vor
       Trump. Zum Beispiel bei [6][Diversity-Programmen] oder den öffentlich
       verlautbarten politischen Positionen. Wie verlässlich sind eigentlich
       angesichts dessen die Vertragsverhältnisse von deutschen und europäischen
       Firmen und Behörden mit den großen US-Anbietern?
       
       Nein: Wer auch nur darüber nachdenkt, US-Konzernen mehr
       Mitsprachemöglichkeiten zu geben bei der Umsetzung von europäischen Regeln,
       braucht am nächsten Tag überhaupt nicht von digitaler Souveränität in
       Europa zu sprechen. Den Wunsch nach einem deutschen oder europäischen
       Google/Amazon/ChatGPT sollte man aber dann konsequenterweise gleich mit
       begraben.
       
       30 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Digital-Markets-und-Digital-Services-Act/!5992274
   DIR [2] /Marktmacht-der-Internetkonzerne/!5997686
   DIR [3] /Digital-Markets-Act-und-Lobbyismus/!6042829
   DIR [4] https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/handelskrieg-deutsche-tech-firmen-schreiben-brandbrief-an-bundeskanzler-merz/100137735.html
   DIR [5] https://startupverband.de/fileadmin/startupverband/mediaarchiv/Politik/250625_OpenLetter_DMA_FINAL.pdf
   DIR [6] /USA-nach-Trump-Wiederwahl/!6054178
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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