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       # taz.de -- Gegen Queerfeindlichkeit: Berlin muss Rückgrat zeigen
       
       > Entwurf diskutiert: Die Arbeit an der Berliner Landesstrategie für queere
       > Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit neigt sich dem Ende entgegen.
       
   IMG Bild: Angriff von ganz rechts: Auch Marzahn-Pride und der Neonazi-Aufmarsch waren Thema auf der Konferenz am Mittwoch
       
       Berlin taz | Das hier ist ein Wohlfühltermin für Cansel Kiziltepe (SPD),
       die Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt
       und Antidiskriminierung. Am Mittwochmorgen hält sie im Kreuzberger
       Coworking-, Event- und Community-Ort [1][bUm] am Paul-Lincke-Ufer ein
       kämpferisches Grußwort. Auf einer ganztägigen Konferenz beschäftigen sich
       rund 100 Menschen mit dem Entwurf zur [2][„Berliner Landesstrategie für
       queere Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit“]. In den Richtlinien ihrer
       Regierungspolitik hatten sich CDU und SPD zum Ziel gesetzt,
       Queerfeindlichkeit und Hasskriminalität gegen LSBTIQ+-Personen konsequent
       zu bekämpfen.
       
       Der breit angelegte, wissenschaftlich begleitete Beteiligungsprozess wurde
       im März 2024 eröffnet, an ihm haben sich bereits mehr als 300
       Vertreter:innen von Vereinen, Verbänden, Initiativen, Polizei und
       Senatsverwaltungen beteiligt. Die Konferenz am Mittwoch bildet den
       Abschluss dieses Prozesses. Ende August wird die Landesstrategie an den
       Senat übergeben, sagt deren [3][Queerbeauftragter Alfonso Pantisano]. Ende
       des Jahres will die Landesregierung darüber beraten.
       
       Spürbar ist, wie sehr Kiziltepe das Thema am Herzen liegt, als sie erwähnt,
       wie rau das gesellschaftliche Klima geworden ist, wie sehr sie die stark
       zunehmende Zahl [4][queerfeindlicher Angriffe] besorge. Allein am
       Wochenende kam es zu drei Fällen – auf eine Bar in Prenzlauer Berg, ein
       Café im Schöneberger Nollendorfkiez und ein Paar in der Hasenheide.
       Teilnehmer:innen der Konferenz werden immer wieder darauf verweisen –
       das unterstreicht die Fassungslosigkeit.
       
       Kleinbeigeben und wegducken ist nicht – so könnte ein Motto der
       Diskussionsbeiträge am Vormittag lauten. Und während auf dem Reichstag
       keine Regenbogenfahne zum Berliner CSD wie in den Jahren zuvor wehen wird,
       „zeigt Berlin Rückgrat“, wie Kiziltepe es formuliert. Am Roten Rathaus wird
       die Regenbogenfahne in Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters Kai
       Wegner (CDU) gehisst. Kiziltepe kann zudem einen Erfolg verbuchen: Der
       Senat hat am Dienstag auf ihre Vorlage hin beschlossen, im Bundesrat eine
       Grundgesetzänderung zu beantragen und sexuelle Identität unter Schutz zu
       stellen.
       
       ## „Sicherheit der queeren Communitys“
       
       Der nun vorliegende Entwurf zur Landesstrategie umfasst rund 40 eng
       bedruckte DIN-A4-Seiten. Ausführlich beschrieben werden der
       Beteiligungsprozess, die Ausgangssituation, die bestehenden Strukturen – so
       gesehen, könnte das Papier durchaus als Lehrmaterial in Sachen
       Regenbogenhauptstadt durchgehen.
       
       In vier Punkten – hier Kernbereiche genannt – sind konkrete Ziele
       aufgelistet, die es umzusetzen gilt. Kernbereich 1 dreht sich um die
       „Sicherheit der queeren Communitys“ und meint nicht nur den Schutz von
       Orten und Einrichtungen, sondern auch den Umgang mit Diskriminierung
       innerhalb queerer Communitys. Allein 13 Maßnahmen sollen den Senat in die
       Pflicht nehmen. Da geht es etwa um das öffentlichkeitswirksame Werben für
       Zivilcourage im Alltag oder um eine dringend nötige Handreichung zum
       Vorgehen bei queerfeindlichen Übergriffen – diese ist bereits in Arbeit.
       
       „Queere Sicherheit in öffentlichen Räumen“ ist ein zweites Paket mit Zielen
       und Forderungen überschrieben, „Sicheres Zusammenleben in vielfältigen
       Gemeinschaften“ ein drittes. Und im Kernbereich „Schutz vor
       Queerfeindlichkeit in allen Lebensphasen“ dreht sich alles ums Aufwachsen
       und Lernen ohne Queerfeindlichkeit, aber auch um Sicherheit queerer
       Personen am Arbeitsplatz oder im Versorgungssystem.
       
       Faszinierend ist, wie umfänglich die angesprochenen Problemfelder und
       daraus resultierenden Forderungen an die Landesregierung sind. So heißt es
       unter anderem: „Der Senat wirkt darauf hin, dass im Rahmen von Schulneubau
       und -sanierung verpflichtend geschlechtsunspezifische Toiletten und
       Umkleiden eingerichtet werden.“
       
       Bleibt eine Frage, die am Vormittag wiederholt gestellt wurde: Gibt es für
       die Umsetzung dieses ambitionierten und umfangreichen Forderungs- und
       Maßnahmenkatalog genügend finanzielle Mittel? Nicht dass es am Ende nur
       „eine weitere schöne Broschüre“ ist, formuliert es Benji Reding in der
       Diskussion, die in den Schubladen verschwindet – Reding hat an insgesamt
       neun Beteiligungsformaten teilgenommen.
       
       2 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bum.berlin/
   DIR [2] https://queere-sicherheit.berlin/
   DIR [3] /Der-Queerbeauftragte-wird-bedroht/!6023909
   DIR [4] /Demos-fuer-queere-Sichtbarkeit/!6092757
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
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