URI: 
       # taz.de -- Künstler über Krise der Demokratie: „Dass wir sie lächerlich finden, nützt der AfD“
       
       > Weil wir sie nicht ernst nehmen, kann die AfD die Demokratie zerstören,
       > sagt Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit.
       
   IMG Bild: Reichs- neben Bundeskanzler: Historischer Vergleich auf einer Demo in Berlin im Februar 2025
       
       taz: Herr Ruch, warum genügt es, die AfD beim Wort zu nehmen, um ihre
       [1][Verfassungsfeindlichkeit] zu beweisen? 
       
       Philipp Ruch: Manche der AfD-Ankündigungen lesen sich urkomisch. Man will
       einfach nur schreien. Beim genaueren Studium der NSDAP fiel mir aber auf:
       Das war damals nicht anders. Die sind zum Schreien komisch. Das Problem ist
       nur: Faschisten sind keine Comedians. Die meinen, was sie sagen. Während
       der Nationalsozialismus ankündigte, was er vorhat, war dies für die meisten
       eine große Quelle der Belustigung. Ja, war dann am Ende doch nicht ganz so
       lustig.
       
       taz: In Ihrem Buch ziehen Sie [2][Parallelen zur Situation am Ende der
       Weimarer Republik], als sich die Menschen zum Teil nicht vorstellen
       konnten, dass Witzfiguren wie Göring und Hitler die Macht erhalten. Gibt es
       heute ähnliche Verdrängungsmechanismen? 
       
       Ruch: Es sind dieselben: [3][Wer kann sich diese grölenden, vulgären
       AfD-Politiker mit Bierbauch als Justizminister vorstellen?] Wir müssen sie
       uns als Bundesminister vorstellen. Dann wird klarer, warum die Nazis ihre
       Obsessionen in eine Politik der Menschenjagd übersetzen konnten. Dass wir
       sie lächerlich finden, schützt das politische Projekt der AfD: die
       Zerstörung der Demokratie.
       
       taz: Anderseits schreiben Sie, dass damals der Widerstand gegen die Feinde
       der Demokratie stärker war. 
       
       Ruch: Mein Lieblingsbeispiel ist der bayerische Innenminister Karl Stützel,
       ein unbesungener Held der wehrhaften Demokratie. Stützel hat als
       Innenminister gegen Hitler angekündigt: „Verlassen Sie sich darauf, gegen
       die Nazis werden wir schießen, wenn es eines Tages erforderlich sein
       wird.“ Dagegen ist unser heutiger [4][Innenminister Dobrindt] ein Zwerg.
       Die Weimarer Republik hat die NSDAP militanter bekämpft als unser Staat
       heute die AfD. Wir sind gegen die AfD regelrecht handzahm.
       
       taz: Und die bürgerlichen Kräfte nehmen die Gefahr auch darum nicht ernst,
       weil nicht sie, sondern Minderheiten angegriffen werden – ganz wie damals? 
       
       Ruch: Absolut. Die NSDAP hat mit einem militanten Antimarxismus sehr viele
       Stimmen geholt. Damit waren übrigens weniger Kommunisten als die SPD
       gemeint. Da dachte sich das bürgerliche Lager: Wunderbar, wie die der
       Arbeiterpartei SPD auf die Mütze geben. Es hat gar nicht bemerkt, dass es
       selbst als Nächstes an der Reihe ist.
       
       taz: Sie schreiben auch über das antidemokratische Verhalten von
       AfDler*innen in den Parlamenten. Was meinen Sie? 
       
       Ruch: Die AfD schickt dieselbe Sorte Mensch in die Parlamente wie die
       NSDAP: Irre, Proleten, Schreihälse, absolut Ungebildete, Straftäter. In
       Karlsruhe sitzt seit zwei Jahren [5][eine gewählte
       AfD-Bundestagsabgeordnete als Anführerin einer Terrorgruppe] im Gefängnis,
       die mit ihren Komplizen die Stellen im Bundestagsgebäude ausgekundschaftet
       hatte, von denen aus sie einen Putsch organisieren wollten. Wir sind 2021
       einer gewaltsamen Machtübernahme durch die AfD näher gewesen, als wir alle
       denken. Der Generalbundesanwalt fand das gar nicht lustig. Der führt, von
       der Öffentlichkeit ignoriert, die größten Massenprozesse gegen eine
       Terrorgruppe seit der RAF.
       
       taz: Sie werfen der bürgerlichen Gesellschaft Bequemlichkeit angesichts der
       Gefahr durch die AfD vor. Was meinen Sie damit? 
       
       Ruch: Merz und Dobrindt halten die AfD für nützliche extremistische
       Idioten, mit denen sie die politischen Gegner, vor allem SPD und Grüne,
       einschüchtern können. Das ist exakt die Strategie des bürgerlichen Lagers
       ab 1930. Sie hat die Welt in den Holocaust geführt.
       
       taz: Und [6][dass die SPD ein AfD-Verbotsverfahren prüfen will], ist kein
       Schritt in die richtige Richtung? 
       
       Ruch: Das sind Theaterveranstaltungen, um uns ruhig zu halten. Es kommt bei
       der AfD genau wie bei der NSDAP darauf an, die Unruhe zu bewahren. Schon
       nächstes Jahr wird die Partei voraussichtlich den ersten
       Ministerpräsidenten stellen. Dem Land ist noch gar nicht klar, was das
       bedeutet. Es wird alles verändern – zum Negativen.
       
       5 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Was-steht-im-AfD-Gutachten/!6087894
   DIR [2] /Jens-Bisky-ueber-historische-Vergleiche/!6066678
   DIR [3] /AfD-mit-Helferich-und-Krah/!6068620
   DIR [4] /Politisch-motivierte-Kriminalitaet/!6085979
   DIR [5] /Prozess-gegen-Reichsbuerger-um-Prinz-Reuss/!6044191
   DIR [6] /Streit-um-AfD-Verbot/!6094778
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wilfried Hippen
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt AfD
   DIR NSDAP
   DIR Zentrum für Politische Schönheit
   DIR Krise der Demokratie
   DIR Rechtsruck
   DIR Social-Auswahl
   DIR Kolumne Der rechte Rand
   DIR Schwerpunkt Jürgen Elsässer
   DIR Schwerpunkt AfD
   DIR Weimarer Republik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Parteitag in Schleswig-Holstein: Wieso die AfD den Verfassungsschutz zu geheim findet
       
       Trotz enger Verbindungen in die rechtsextreme Szene beobachtet
       Schleswig-Holsteins Verfassungsschutz den AfD-Landesverband nicht.
       
   DIR Nach Compact-Verbot: Jetzt erst recht
       
       Das gekippte Compact-Verbot beweist, dass die Bemühungen um ein AfD-Verbot
       sinnlos wären? Im Gegenteil: Es liefert umso mehr Argumente dafür.
       
   DIR Zentrum für Politische Schönheit: Fremdgehen verboten
       
       Ein Banner des Zentrums für Politische Schönheit am Berliner Gorki-Theater
       wurde von der Polizei entfernt. Politiker kritisieren das als
       rechtswidrig.
       
   DIR Jens Bisky über historische Vergleiche: Wie Weimar ist die Gegenwart?
       
       Auf Demos und im Bundestag wird vor Verhältnissen wie kurz vor 1933
       gewarnt. Aber was bringt der Vergleich? Fragen an den Weimar-Experten Jens
       Bisky.