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       # taz.de -- Berlin Fashion Week: Mit vollem Anachronismus voraus
       
       > Das Programm der Berlin Fashion Week war ungewöhnlich dicht, das Publikum
       > ungewöhnlich begeistert. Fünf Momentaufnahmen voll Hitze und Zeitreisen.
       
   IMG Bild: Die Jane Fonda unter den Drag Queens: Jazbazmaz
       
       Viele Jahre hatte die Berliner Fashion Week international wenig
       Strahlkraft. Hinter vorgehaltener Hand flüsterten dieses Jahr alle
       möglichen Akteure, dies würde sich gerade ändern. Woran sich Besuchende
       dieses Jahr erinnern könnten:
       
       LieblingsschweizerImmer mehr Plattformen gibt es und alle heißen irgendwas
       mit Berlin. Wie soll man da den Überblick behalten? Für Raum.Berlin
       jedenfalls hatte sich der Fashion Council Germany im Kranzler X mit dem
       Onlinemarktplatz Ebay zusammengetan. Dort präsentierten sich jeden Tag je
       drei Labels bei freiem Eintritt in begehbaren Installationen. An Tag eins
       beschallte Dagger eine Schar Skaterboys and -Girls, die in Baggy-Bermudas
       und Logoshirts zwischen Röhrenfernsehern abhingen, mit Nirvana und
       Soundgarden. Nicht in die 90s, sondern in Heidis Bergidylle schien sich
       Berlins Lieblingsschweizer Julian Zigerli unterstützt von Künstler Andi
       Fischer zu sehnen, darauf zumindest wiesen allerlei Ziegen- und
       Hüttenmotive hin. Als dritter war Iden dabei. bsh
       
       Work it, girl 
       
       Der krasse Muskelkater kommt zwei Tage danach. Am Dienstag präsentierte
       Effenberger Couture [1][im Schwuz] ihre Mode, darunter Caps mit dem Slogan
       „Friend of Dorothy“, der aus Wizards of Oz stammende Code für schwule
       Männer. Die meisten Teile sind Tops. Knallbunt, mit Einhörnern in
       69-Position oder Motiven von Tom of Finland, dessen Darstellungen
       übertrieben muskulöser Ledermänner, die sich mit gewaltigen Penissen
       penetrieren, längst Kulturgeschichte sind. Mein Muskelkater resultierte aus
       dem letzten von drei Workouts parallel zum Sale. Jazbazmaz ist die Jane
       Fonda unter den Drag Queens, wenig verblüffend also, dass viel Po und
       Oberschenkel trainiert wurde, gekrönt durch einen Cat Walk. gut
       
       HineingeschmiegtManchmal war es eine Farbe. Das Aquamarinblau eines
       Zweiteilers von Jon Liesfeld etwa, das sich in einer Krawatte auf einem
       Polaroid Helmut Newtons wiederfand. Oder die Form, wie bei Juliane
       Buchholz' Mänteln, deren Revers' und Schulterpartien mit dessen ikonischen
       „They are coming“ korrespondierten. Der Berliner Salon, die
       Gruppenausstellung junger Modetalente, war in diesem Jahr nach Bode-Museum
       und Gemäldegalerie ins Museum für Fotografie gezogen und hatte sich dort in
       die beiden Sonderausstellungen hineingeschmiegt, was mitunter tatsächlich
       so wirkte, als gehörten die gezeigten Entwürfe mit dazu. bsh
       
       Glattestes Glattleder 
       
       Mittwochs brüllte die Hitze, die Stadt stöhnte, Schweißperlen und
       Salzränder krönten die Outfits. Während die abendlichen Schauen der Labels
       Ottolinger und GMBH gut besucht waren, bussi-ten sich in einer schattigen
       Kreuzberger Seitenstraße vereinzelte Anhänger des jungen Designers Wali
       Mohammed Barech beim Launch seiner neuen Taschenkollektion zu. Sanft
       beschlagene Gläser voll Bubbles, komplexer Raumduft, animalisches
       Burgunderrot und kühles Schwarz. Ein Hauch der Glätte von Porsche Design,
       eine Prise der romantischen Geometrie Jil Sanders, eine kluge Kampagne im
       Röntgenbild-Stil und absolute Perfektion in der Ausführung sorgten für
       erstaunlich echten, internationalen Fashion-Glamour ungewöhnlich weit über
       dem gelernten Berliner Niveau. hd
       
       Typisch 032c 
       
       Der größte Konsens der Fashion-Week: Die Neunziger sind zurück. Ja, immer
       noch und nein, ohne gebrochene Pointe. Am konsequentesten zelebriert vom
       Genre-Grenzgänger Harry Nuriev mit seiner Edelstahl-CD-Installation im 032c
       red cube auf der Kantstraße. Bis Dienstag können sich Besuchende in vom
       Künstler kuratierte Alben reinhören. Die werden nicht auf Kopfhörern,
       sondern im Laden gespielt: von Jeff Mills über Mark Ernestus' Ndagga Rhythm
       Force bis [2][PJ Harvey] kann sich bedient werden an allem, was ein bei WOM
       sozialisiertes Herz nur so höher schlagen lassen könnte. Passend dazu
       launchten 032c und Nuriev eine Capsule-Collection in Kollaboration mit
       Telekom Elektronic Beats. Ist das Kunst, Design, Mode, Merch oder nur
       Content? Wir wissen es auch nicht. Was fest steht: Anachronismus war nie so
       cool. hd
       
       6 Jul 2025
       
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