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       # taz.de -- Berliner Landeshaushalt: Angst vor dem Kahlschlag
       
       > Während der schwarz-rote Senat im Roten Rathaus tagt, demonstriert davor
       > das Bündnis Soziales Berlin unter dem Motto #unkürzbar.
       
   IMG Bild: Der Protest gegen Kürzungen war vor dem Roten Rathaus gut hörbar. In den Sitzungssaal des Senats schallte er aber offenbar nicht
       
       Berlin taz | Eine Mischung aus schrillen Klängen von Trillerpfeifen und
       lauten Sprechchören ertönt auf dem Platz am Neptunbrunnen vor dem Roten
       Rathaus: „Berlin bleibt sozial“. Und immer wieder: „Unkürzbar! Unkürzbar!“
       [1][Unter diesem Motto] haben sich am späten Dienstagvormittag einige
       hundert Menschen versammelt, um gegen die Kürzungspläne des schwarz-roten
       Senats im sozialen Bereich zu protestieren.
       
       Die Landesregierung aus CDU und SPD tagt parallel dazu hinter den knapp 100
       Meter entfernten roten Backsteinmauern des Rathauses. Am 22. Juli wird sie
       voraussichtlich den Entwurf des Haushaltsplans für 2026 und 2027
       beschließen – die endgültige Entscheidung trifft ab September das
       Abgeordnetenhaus.
       
       Vor diesem Hintergrund hat das Bündnis Soziales Berlin zu der Kundgebung
       aufgerufen. Zahlreiche Vereine aus dem Bereich der sozialen Arbeit sind dem
       Aufruf gefolgt. Sie beklagen vor allem Planungsunsicherheit. Der dabei auch
       vertretene Paritätische Wohlfahrtsverband wird später eine Zahl von 1.500
       Teilnehmern nennen.
       
       Besonders aus dem Bereich der Jugendarbeit sind viele Stimmen vertreten.
       Hier würden besonders einschneidende Kürzungen drohen, sagt Mareike Stanz
       vom „Bündnis Perspektive Jugendarbeit“. Dieser Zusammenschluss habe sich
       Ende vorigen Jahres gegründet, „um „mehr Schlagkraft zu entwickeln“.
       
       ## „Wir brauchen Planungssicherheit“
       
       Das Bündnis befürchtet einschneidende Kürzungen im kommenden Jahr. Das
       bedeutet aus der Sicht von Stanz „die Schließung von Einrichtungen, das
       Ende von Straßenarbeit und Ferienfreizeiten – und vor allem ein
       Armutszeugnis für diese Stadt“.
       
       Beziehungen zu Jugendlichen aufzubauen brauche Zeit. „Wenn wir schon zur
       Jahresmitte um unsere Förderung bangen müssen, können wir nicht richtig
       arbeiten“, kritisiert auch Samira Bekkadour von Outreach. Der Verein ist in
       ganz Berlin in der Jugendsozialarbeit aktiv, viel auch im
       Streetwork-Bereich. „Wir brauchen Planungssicherheit über mehrere Jahre
       hinweg, damit wir Projekte aufbauen und den Jugendlichen Sicherheit geben
       können, dass wir nicht direkt wieder aus ihrem Leben verschwinden.“
       
       Auch vielen psychosozialen Beratungsstellen und Anti-Gewalt-Projekten drohe
       das Aus. „Wenn 50 Prozent der Förderung gekürzt werden, hängt da oft der
       ganze Verein dran. Die verschiedenen Bausteine eines Projekts funktionieren
       nur zusammen“, klagt Johanna Sprengel von Signal e. V. Der Verein verankert
       Gewaltschutzkonzepte in Gesundheitseinrichtungen und schult Fachpersonal in
       Gewaltprävention. In Anbetracht der ansteigenden Gewalt gegen Frauen sei es
       „kein guter Moment, uns wegzukürzen“.
       
       Symbolisch bauen die Kundgebungsteilnehmer*innen in Richtung Rathaus
       eine Mauer aus Umzugskartons auf, die mit Frust über Missstände, aber auch
       Wünschen für die Zukunft beschriftet ist. „Die Unsicherheit ist groß“,
       steht auf einer Kiste, „Unkürzbar oder Randale“ auf einer anderen. „Was
       Berlin zusammenhält, darf nicht wegbrechen“, ist von der Moderation auf
       einer Bühne vor den Teilnehmern zu hören.
       
       ## Senatorin stellt Pflegeplan vor
       
       Die Kundgebung ist auch noch im Gange, als um 13 Uhr Ina Czyborra (SPD) in
       die übliche Pressekonferenz nach der Senatssitzung kommt. Czyborra ist als
       Senatorin nicht nur für Wissenschaft, sondern auch für Gesundheit und
       Pflege zuständig.
       
       Aber hat der Protest die Mitglieder der Landesregierung tatsächlich
       erreicht, die in diesen Wochen vorrangig der Entwurf des Landeshaushalts
       für 2026 und 2027 beschäftigt? Sind die Forderungen am Mikro unten auf dem
       Rathausvorplatz im 1. Stock angekommen, wo der Senat tagt? „Gehört haben
       wir das nicht“, sagt Czyborra auf eine Frage dazu. Was daran liegt, dass im
       Sitzungssaal genau wie im Raum der Pressekonferenz die Fenster seitlich und
       nicht über das Hauptportal rausgehen.
       
       Czyborra stellt an diesem Dienstag [2][den neuen Pflegeplan des Landes vor]
       und geht davon aus, dass es in ihrem Bereich jenen Kahlschlag nicht gibt,
       den draußen vor dem Rathaus viele vermuten. „Bei der Pflege „sind wir gut
       aufgestellt und bleiben das auch in diesem Doppelhaushalt“, sagt die
       Senatorin.
       
       Den jetzigen Stand zu halten, reicht nach ihren Worten aber nicht aus. Seit
       2013 hat sich demnach die Zahl der Pflegebedürftigen in Berlin auf 210.000
       Menschen verdoppelt. Dabei ging der bisherige, 2016 aufgestellt
       Landespflegeplan davon aus, dass 2030 ein Stand von 170.000 erreicht sein
       würde. Laut Czyborra liegt der Anstieg zwar auch an einer Erweiterung des
       Begriffs der Pflegebedürftigkeit. „So werden nun wesentlich mehr Menschen
       mitgezählt als vorher.“
       
       ## Forderung nach mehr Prävention
       
       Ohne ein mehr an Prävention werde sich die Pflege künftig nicht bewältigen
       lassen. Darunter fasst die Senatorin auch eine passendere
       Wohnungseinrichtung, um Stürze zu verhindern. Diese seien neben Demenz die
       Hauptursache für Pflegebedürftigkeit. Wie das zusätzlich und in Zeiten von
       Kürzungen zu bezahlen sein soll, kann Czyborra nicht genau sagen, einen
       Betrag dafür soll es offenbar im Haushalt geben.
       
       Die Kundgebung draußen neigt sich dem Ende, das Publikum lichtet sich.
       „Soziale Arbeit wirkt – wer das kürzt, gefährdet die Zukunft dieser Stadt“,
       bekräftigt die Moderation zum Abschluss. Und dann noch einmal zusammen:
       „Unkürzbar!“
       
       8 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Demonstration-gegen-die-Kuerzungspolitik/!6070972
   DIR [2] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2025/pressemitteilung.1578276.php
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lea Kleinsorge
   DIR Stefan Alberti
       
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