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       # taz.de -- Verstorbener russischer Politiker: Ein Tod und viele Fragezeichen
       
       > Russlands Verkehrsminister Roman Starowoit wurde bei Moskau leblos
       > aufgefunden. Am Montag hatte Putin ihn entlassen. Über Hintergründe wird
       > spekuliert.
       
   IMG Bild: Roman Starowoit bei einem Treffen mit Präsident Putin im Kreml im Januar
       
       Berlin taz | Es kommt immer wieder vor, dass wichtige Verantwortungsträger
       in der Russischen Föderation ganz plötzlich und unter mysteriösen Umständen
       aus dem Leben scheiden. Jetzt ist ein weiterer Fall hinzugekommen.
       
       Am Montagnachmittag berichteten mehrere Telegram-Kanäle, wie 112, Mash und
       Shot, denen gute Beziehungen zu den Sicherheitsstrukturen nachgesagt
       werden, vom Tod des Verkehrsministers Roman Starowoit. Laut Angaben des
       Ermittlungskomitees (SK) sei die Leiche des 53-Jährigen mit
       Schussverletzungen am Kopf nebst Dienstwaffe in seinem Auto in der
       Kreisstadt Odinzowo (Großraum Moskau) gefunden worden. Man gehe von
       Selbstmord aus.
       
       Zum Todeszeitpunkt gibt es unterschiedliche Angaben. Starowoit sei bereits
       in der Nacht zum vergangenen Sonntag gestorben, weiß der Forbes zu
       berichteten. Am 6. Juli meldete der Pressedienst des Verkehrsministeriums,
       dass Starovoit im Lage- und Informationszentrum seiner Behörde eine
       Betriebsbesprechung abgehalten habe, da es im Hafen von Ust-Luga in der
       Region Leningrad während der Be- und Entladung des Tankers „Eco-Wizard“ zu
       einem Leck gekommen und Ammoniak ausgetreten sei. Laut dem Telegram-Kanal
       Mash hingegen sei Starowoi am Montagmorgen noch an seinem Arbeitsplatz
       aufgetaucht.
       
       ## Peskow bleibt vage bezüglich Entlassung
       
       Ebenfalls am Montagmorgen wurde Starowoi von Russlands Präsidenten Wladimir
       Putin seines Postens, den er erst [1][seit Mai 2024 innegehabt] hatte,
       enthoben. Dabei hatte Starowoi noch Anfang Juli bei einem Treffen mit dem
       Kremlchef zum Ausbau des Flughafennetzes vorgetragen. Auf Nachfrage von
       Journalist*innen nach den Gründen für den Rausschmiss, blieb
       Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vage: „Von Vertrauensverlust wird gesprochen,
       wenn es um einen Vertrauensverlust geht. Wie Sie gesehen haben, wurde diese
       Formulierung nicht verwendet“, sagte er.
       
       Angesichts der vielen Ungereimtheiten in Zusammenhang mit Starowoits
       Ableben wird derzeit heftig spekuliert. Einige Beobachter*innen und
       Expert*innen warten bereits mit Erklärungsversuchen auf. Derzeit laufen
       in der [2][russischen Region Kursk], die an die Ukraine grenzt,
       Ermittlungen wegen Unterschlagung im großen Stil. Laut der russischen
       Nachrichtenagentur Interfax seien in den Jahren 2022/23 umgerechnet rund
       211 Millionen Euro aus dem russischen Staatshaushalt an die Behörden in
       Kursk geflossen.
       
       Das Geld war für den Ausbau und die Befestigung von Grenzschutzanlagen
       bestimmt – mit dem Ziel, „das Land vor der militärischen Aggression der
       Ukraine zu schützen“. Dummerweise war Starowoit zum diesem Zeitpunkt
       bereits seit vier Jahren als Gouverneur von Kursk in
       Regierungsverantwortung. Im August 2024 eroberten ukrainische Truppen in
       einer Überraschungsoffensive Teile des Kursker Gebietes. Diese hat Russland
       mittlerweile wieder zurückerobert.
       
       ## Parallelen zu Toden russischer Topmanager
       
       Im April wurde Starowoits Nachfolger im Amt des Kursker Gouverneurs, Alexei
       Smirnow, wegen des Verdachts auf Unterschlagung von umgerechnet knapp elf
       Milliarden Euro festgenommen. Medienberichten, wie des russischen
       Kommersant zufolge, soll Smirnow gegen Starowoit ausgesagt haben. Diesem
       habe ebenfalls ein Ermittlungsverfahren gedroht.
       
       Der russische Antikorruptionsexperte Ilja Schumanow sieht Ähnlichkeiten
       zwischen dem Fall Starowoit und dem Tod russischer Topmanager. Die fielen
       aus dem Fenster, griffen plötzlich zu Waffen oder erlitten einen
       Herzinfarkt und stürben in ihren Büros, schreibt er in einem Beitrag für
       das russischsprachige oppositionelle Webportal Meduza. In diesem
       Zusammenhang verweist Schumanow auch auf Starowoits enge Beziehungen zu den
       milliardenschweren [3][Oligarchen-Brüdern] Arkadij und Boris Rotenberg, die
       zum engsten Kreis von Putin gehören.
       
       „Starowoit könnte nicht das letzte Glied in der Kette gewesen sein“, so
       Schumanow. „Es ist doch logisch, dass er hätte auspacken können – über
       Kontakte zu den Rotenbergs oder anderen Akteuren auf nationaler Ebene.
       Dieses hohe Risiko kann möglicherweise zum Grund für einen Mord werden, der
       als Suizid inszeniert wird.“
       
       8 Jul 2025
       
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