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       # taz.de -- Wandel in der Industrie: E-Autos können Wachstumstreiber sein
       
       > Bleibt die EU untätig, drohen massive Jobverluste in der Autoindustrie,
       > warnt eine Studie. Mit Klima- und Industriepolitik ließe sich das
       > verhindern.
       
   IMG Bild: Im VW-Werk Zwickau werden nur E-Autos gefertigt, aber wegen geringer Nachfrage steht die Fabrik vor einer unsicheren Zukunft
       
       Berlin taz | Die Autoindustrie in Europa kann den Abbau von Arbeitsplätzen
       verhindern und die Löhne erhöhen, wenn sie aufhört, gegen Klimaschutz zu
       lobbyieren und sich stattdessen für eine wirksame Industriepolitik
       einsetzt. Das legt eine Studie der Denkfabrik Transport & Environment (T&E)
       nahe.
       
       Sie stellt drei Szenarien vor: Die Autoindustrie könnte europaweit in zehn
       Jahren bis zu einer Million Arbeitsplätze verlieren, wenn die derzeitigen
       EU-Klimaregeln abgeschwächt werden. Derzeit sind etwa drei Millionen
       Europäer*innen in der Autoindustrie beschäftigt.
       
       Szenario zwei: Bleiben die Klimaziele, werden aber nicht von zusätzlichen
       Maßnahmen untermauert, gehen T&E zufolge 15 Prozent der Jobs verloren.
       
       Wenn die EU aber [1][zusätzlich zu den Klimaregeln] die Stellung der
       europäischen Autoindustrie stärkt, sind es 2035 nur vier Prozent weniger
       Arbeitsplätze als aktuell.
       
       ## Grundaussage nachvollziehbar, sagt Forscher
       
       Für die Berechnung gehen die Studienautor*innen davon aus, dass ohne
       Änderung der Politik die Entwicklung des Sektors der Vorhersage des
       Branchendienstleisters GlobalData entspricht, der die Marktentwicklung der
       Autoindustrie intensiv beobachtet. Auf den Berechnungen von GlobalData
       basiert Szenario zwei, bei dem bis 2035 rund 15 Prozent der Jobs in der
       Autobranche verloren gehen.
       
       Bei wirksamer Industriepolitik könne die Autoindustrie auf dem bisherigen
       Höchststand von 2016 produzieren, bei abgeschwächten Klimaregeln dagegen
       auf dem Tiefstand des Jahres 2021.
       
       Die Szenarien mit den Daten 2016 und 2021 seien etwas willkürlich gewählt,
       sagt Axel Thielmann, Forscher am Fraunhofer-Institut für System- und
       Innovationsforschung ISI und nicht an der Studie beteiligt. „Die
       Grundaussage ist aber aus der Studie nachvollziehbar: Um die Autoindustrie
       nicht aufs Spiel zu setzen, muss die Transformation hin zur E-Mobilität
       gelingen.“
       
       „Europas Erfolg hängt davon ab, welchen Weg EU-Politiker heute
       beschreiten“, sagt T&E-Direktoriumsmitglied Julia Poliscanova. Wie derzeit
       geplant, ab 2035 [2][keine neuen Verbrenner mehr zuzulassen] und darüber
       hinaus die heimische Industrie und Nachfrage zu stärken, sei „die beste
       Chance, die die EU hat, um zu höherer Autoproduktion zurückzukehren.“
       
       Die EU müsste Investments durch Staatshilfen ankurbeln, die Nutzung lokal
       produzierter Autoteile und Materialien vorschreiben sowie große Unternehmen
       zum E-Dienstwagen-Kauf verpflichten, fordert T&E. Entscheidend seien aber
       auch die CO2-Flottengrenzwerte für Unternehmen, damit die Investitionen in
       elektrische Antriebe steigen. Ansonsten sei die Nachfrage nach E-Autos zu
       niedrig.
       
       ## Auch Löhne könnten steigen
       
       Die Studienautor*innen haben berechnet, dass die Wertschöpfung von
       E-Autos innerhalb Europas um 11 Prozent gesteigert werden kann, wenn durch
       entsprechende Vorgaben der Anteil der importierten Autoteile von derzeit 25
       auf 18 Prozent zurückgeht.
       
       Bleibt die Zahl der Arbeitsplätze in etwa gleich, wie die Studie es im
       besten Szenario modelliert, könnte das dank der höheren Wertschöpfung
       höhere Löhne für die Arbeiter*innen bedeuten, falls die Konzerne nicht
       einfach ihre Profite steigern. Darüber hinaus entstünden Jobs in der
       Batterieproduktion und der Ladeinfrastruktur.
       
       „Hier könnten sogar noch mehr Jobs entstehen, weil durch stärkere
       Batterieindustrie auch außerhalb der Autoindustrie Arbeitsplätze geschaffen
       werden können“, sagt Fraunhofer-Experte Thielmann.
       
       ## Gewerkschaft teilt Forderungen
       
       Die IG Metall will die Studie nicht bewerten, „wir teilen aber einige der
       Folgerungen der Studie“, sagte Ralph Obermauer, Auto-Experte der
       Gewerkschaft.
       
       „Wir brauchen eine aktive Industriepolitik für deutsche und europäische
       Batteriezellfertigung, mit Investitions- und Produktionshilfen“ sowie
       Vorgaben zur heimischen Produktion von Autoteilen. „Und wir müssen die
       Nachfrage nach elektrifizierten Fahrzeugen auf dem schleppenden
       europäischen Markt stimulieren. Darin steckt [3][sehr großes Potenzial]“,
       sagte er.
       
       In der T&E-Studie bleiben die Auswirkungen der Transformation auf die
       bestehenden Fabriken, die noch Verbrenner herstellen, unberücksichtigt.
       „Bestehende Standorte mit guter Beschäftigung dürfen im Wandel nicht unter
       die Räder kommen“, fordert deshalb der Gewerkschafter Obermauer.
       
       8 Jul 2025
       
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