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       # taz.de -- Kopfverletzungen im Fußball: Pfeifen für den Kopf
       
       > Das Bewusstsein für die Folgen von Gehirnerschütterungen wächst. Umso
       > bitterer sind die Bilder der Dänin Emma Smerle im Spiel gegen
       > Deutschland.
       
   IMG Bild: Emma Snerle wird von den dänischen Teambetreuenden untersucht
       
       Berlin taz | Eigentlich sind die Regeln klar. Besteht der Verdacht auf eine
       Gehirnerschütterung bei einer Spielerin, hat die Schiedsrichterin umgehend
       das Spiel zu unterbrechen. Das ärztliche Betreuendenteam hat dann drei
       Minuten Zeit, um zu entscheiden, ob die Spielerin die Partie fortsetzen
       kann oder nicht. Kann innerhalb dieser Zeit keine Entwarnung gegeben
       werden, muss die Spielerin aus dem Spiel genommen werden. Nach [1][dem Sieg
       der Deutschen gegen Dänemark] wurde viel über diese Regelung zum Schutz der
       Aktiven gesprochen.
       
       Kurz nachdem die Dänin Emma Snerle von einem scharf geschossenen Ball ihrer
       Kollegin Emma Færge am Kopf getroffen worden und zu Boden gegangen war,
       fiel das 2:1 für die Deutschen. Schiedsrichterin Catarina Ferreira Campos
       hatte das Spiel nicht unterbrochen, der Treffer zählte und im dänischen
       Team war man hinterher alles andere als glücklich mit dieser
       schiedsrichterlichen Fehlleistung. „Die Regeln sind klar. Wenn eine
       Spielerin eine Kopfverletzung hat, musst du abpfeifen“, meinte etwa der
       dänische Trainer Andrée Jeglertz. Es waren schreckliche Bilder, die da aus
       Basel zu sehen waren. Snerle konnte sich kaum aufrecht halten und wirkte
       benommen, als sie nach einer Behandlungspause vom Feld geführt wurde.
       
       Im Gegensatz zur Schiedsrichterin haben den Trainer der Däninnen die
       zahlreichen Diskussionen der vergangenen Jahre um das lange tabuisierte
       Thema Kopfverletzungen offensichtlich erreicht. Die Verbände haben
       zahlreiche sportmedizinische Studien angeregt, die sich sowohl mit
       Langzeitschäden durch wiederholtes Kopfballspiel als auch mit schweren
       Schädel-Hirn-Traumata etwa nach einem Zusammenprall von Spielerinnen
       befassen.
       
       Dabei wurde festgestellt, dass nicht nur bei den harten
       Vollkontaktsportarten wie Boxen oder [2][American Football] Langzeitschäden
       auftreten können. Auch Fußballerinnen müssen mit der Gefahr leben, an
       chronischer traumatischer Enzephalopathie, kurz CTE, zu erkranken. Dabei
       kann der andauernde Abbau von Gehirnzellen zu Spätfolgen wie
       Gedächtnisproblemen, Persönlichkeitsveränderungen oder Depressionen führen.
       
       ## Vorgaben für die Verbände
       
       Die europäische Fußballunion Uefa hat auf den wissenschaftlichen
       Ergebnissen basierend im November 2021 eine Concussion Charter vorgestellt,
       die von allen Mitgliedsverbänden unterzeichnet werden musste. Die Verbände
       sind angehalten, die Spielerinnen ihrer Nationalteams für das Thema zu
       sensibilisieren. Ein [3][niederschwelliges Infofilmchen wurde produziert]
       und die Schiedsrichter angewiesen, das Spiel bei einem Verdacht auf
       Gehirnerschütterungen umgehend zu unterbrechen. In der Frauenbundesliga
       gilt seit der Saison 2023/24 ein [4][„Protokoll für Kopfverletzungen“], in
       dem auch geregelt ist, dass Spielerinnen „nach einer Kopfverletzung eine
       körperliche Ruhe von 24 bis 48 Stunden einhalten sollen und anschließend
       die Belastung graduell gesteigert wird“.
       
       In Deutschland ist das Bewusstsein für die Folgen von Gehirnerschütterungen
       im Fußball seit dem Männer-WM-Finale der DFB-Elf gegen Argentinien 2014 in
       Rio de Janeiro gestiegen. Damals stand Nationalspieler Christoph Kramer
       trotz einer Gehirnerschütterung noch rund 15 Minuten auf dem Platz.
       
       Dennoch dauerte es fast zehn Jahre, bis jährliche Schulungen des
       medizinischen Personals zum Thema Kopfverletzungen in den Bundesligen der
       Männer und Frauen nach den Vorgaben der Concussion Charter der Uefa
       verpflichtend wurden.
       
       Die Regeln zum Umgang mit Gehirnerschütterungen in der Premier League gehen
       sogar noch über die Vorgaben der Uefa hinaus. Dort muss ein Spieler beim
       geringsten Verdacht auf eine Kopfverletzung umgehend das Feld verlassen.
       Nur wenn absolut keine Anzeichen für eine Gehirnerschütterung vorliegen,
       darf er wieder aufs Feld.
       
       Das Bewusstsein für das Thema ist also über die Jahre gewachsen. Umso
       erstaunlicher, dass Schiedsrichterin Ferreira Campos das Spiel nicht
       unterbrochen hat.
       
       9 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Deutsche-besiegen-Daeninnen/!6096122
   DIR [2] /Philip-Adams-und-CTE-durch-Sport/!5819295
   DIR [3] https://www.uefa.com/news-media/news/026f-13d657615f18-c0a169fbbd52-1000--protecting-players-uefa-s-concussion-charter-for-club-and/
   DIR [4] https://www.dfb.de/news/detail/protokoll-kopfverletzungen-ab-neuer-saison-auch-bei-frauen-258976
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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