# taz.de -- Caster Semenya: Olympiasiegerin erringt Teilerfolg im Testosteron-Prozess
> Die Läuferin war von Wettkämpfen ausgeschlossen worden. Nach einem
> Klagemarathon erhält sie 80.000 Euro, doch die diskriminierende Regel
> darf bleiben.
IMG Bild: „Wenn du eine Frau bist, bist du eine Frau“, sagt die Läuferin Caster Semenya
Nicht nur auf der Laufbahn hat Caster Semenya alles gegeben, auch
juristisch ist sie bis zur letzten Instanz gegangen. Am Donnerstag hat der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) das Urteil gefällt.
Bei ihrer Geburt in Südafrika im Jahr 1991 wurde Semenya als weiblich
eingestuft. Doch sie hat männliche XY-Chromosome und innenliegende Hoden
statt Eierstöcke und Gebärmutter; ihr Testosteronspiegel ist dadurch
erhöht. Semenya wird [1][als Person mit „Abweichungen in der sexuellen
Entwicklung“] eingestuft, als intergeschlechtliche Person.
„Wenn du eine Frau bist, bist du eine Frau. Egal welche Abweichungen du
hast“, sagte sie 2023 der BBC. Sportwissenschaftlich ist umstritten, ob
Semenyas Intergeschlechtlichkeit ihr einen physischen Leistungsvorteil
gegenüber anderen Frauen bringt. Doch der Leichtathletikverband World
Athletics hat eine klare Haltung dazu. Seit 2019 gilt: Wer als Frau einen
[2][Testosteronspiegel von über 2,5 Nanomol pro Liter], – zum Vergleich:
bei Männern liegt dieser zwischen 12 und 35 Nanomol – aufweist, ist von
internationalen Wettkämpfen über 400 Meter bis zu einer Meile
ausgeschlossen.
Das trifft genau Semenyas Hauptdisziplinen: die 1.500 und die 800 Meter.
Ihre Stärke ist seit jeher der 800-Meter-Lauf. 2012 und 2016 gewann sie in
dieser Disziplin Olympisches Gold, dreimal wurde sie Weltmeisterin. Das
erste Mal 2009 in Berlin. Damals war sie 18 Jahre alt und eine Newcomerin.
Ihre auffallende Leistung, ihr muskulöser Körper und ihre tiefe Stimme
lösten eine heftige Kontroverse aus. Sie musste sich einem Geschlechtstest
unterziehen. Es war der Anfang einer jahrzehntelangen Debatte, die sie ihre
ganze Laufbahn begleiten sollte. Und weiter relevant bleibt.
## Sie hatte Panikattacken durch Medikamente
Bevor sie ihre Karriere beendete, wich sie aufgrund der Testosteron-Regel
bei Wettkämpfen auf die 5.000 Meter aus. Denn Semenya weigert sich seit dem
Entschluss von World Athletics ihren Testosteronspiegel künstlich durch
Medikamente zu senken. Als sie diese probiert hatte, hatten sie
Panikattacken bei ihr ausgelöst.
Stattdessen klagte sie – zuletzt vor dem EGMR – gegen die Schweiz. Davor
hatte sie vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne sowie
dem Schweizer Bundesgericht geklagt. Sie sieht sich durch die
[3][Testosteron-Regelung von World Athletics] diskriminiert. CAS und das
Schweizer Bundesgericht sahen das nicht so.
Es folgte die nächste Instanz: der EGMR. Dieser urteilte 2023 tatsächlich,
dass Semenya durch die Verbandsregeln diskriminiert worden sei. Ein kurzer
Erfolg, doch wegen der knappen Mehrheit unter den Richter*innen
beantragte die Schweizer Bundesregierung eine erneute Verhandlung vor der
Großen Kammer des EGMR.
Dieser hat am Donnerstag – zwei Jahre später und sieben Jahre nach Semenyas
erster Klage – ein endgültiges Urteil gefällt: Die Südafrikanerin ist von
der Schweiz in ihrem Menschenrecht auf ein faires Verfahren verletzt
worden. Das Gericht sprach ihr 80.000 Euro für Kosten und Auslagen zu.
Allerdings ließ es die umstrittenen Testosteron-Regeln unangetastet.
„Es ist ein positives Ergebnis“, meinte Semenya. Dennoch hatte sie mehr
erwartet. Bei einer Anhörung in Straßburg hatte sie zuletzt gesagt, sie
hoffe, „dass die Entscheidung des Gerichtshofs den Weg dafür ebnen wird,
dass die Menschenrechte aller Sportlerinnen ein für alle Mal mit aller
Kraft geschützt werden. Und dass sie alle jungen Frauen dazu inspiriert,
sie selbst in ihrer ganzen Vielfalt zu sein und sich zu akzeptieren.“
10 Jul 2025
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## AUTOREN
DIR Ruth Lang Fuentes
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