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       # taz.de -- Neues Album von Rapcrew Tiefbasskommando: Pubertät war gestern
       
       > Immer schön provokant: Die Berliner HipHop-Crew Tiefbasskommando feiert
       > mit dem Album „Vol. 5“ basslastigen Rap und politische Reime.
       
   IMG Bild: Flexen mit Masken: Tiefbasskommando in Aktion
       
       Fulminantes Ende: „18 Uhr Treffen / Aber nicht zum Sandmann / Achtzehn
       Gramm Peppen / das schon mal ein Anfang“, reimten Tiefbasskommando zum
       Finale ihres letzten Albums, veröffentlicht 2023. Wie man jetzt weiß, ging
       jenes Treffen fast ewig weiter.
       
       Inzwischen ist auch klar warum, die Session hat ordentlich geknallt. Mit
       dem neuen Werk, „Vol. 5“, führt die Berliner Rapcrew ihr abgründiges
       Projekt als HipHop-Gesamtkunstwerk fort. Zwischen Happy-Hour-Frohlocken und
       After-Hour-Euphorie schleicht sich jetzt eine dritte Party-Dimension ein:
       Der Rausch wird wütend.
       
       Von einem martialisch-maschinellen Beat getragen, beginnt „Vol. 5“: „Keine
       Worte und kein Shake-Hands / Und sicher kein Pardon / Du hast Probleme mit
       Drogen / Meld dich beim Don“, fordert Rapper Don Juan frech im Intro. „Es
       ist Tape Volume fünf, es geht übertrieben hart“, Rapperin $hoki setzt noch
       einen obendrauf.
       
       ## Mit Haltung, ohne Faxen
       
       Tiefbasskommando (TBK) besteht aus den Rapper:innen Eisberg, Double G,
       Shoki, Don Juan und MC Kneipenkrieger, dem Beatschmied Retado und dem
       Videografen Downtown Destruction. Das Kollektiv steht mittlerweile an der
       Spitze einer Rap-Generation die Antiästhetik und No-Nonsens-Haltung
       lustvoll vereint.
       
       TBK stellt unter Beweis: Rappen über einen entgrenzten und bewusst kaputten
       Lebensstil findet den Weg in den Mainstream. In „Style gebietet“
       beansprucht man daher einen Platz am oberen Ende der Hackordnung,
       schließlich will man Primus inter Pares sein: „Und wir sind drinne seit
       fünf Jahren / Plötzlich tragen alle Maske / Rappen auf Elektrobeats /
       Nehm’n Pillen / Zieh’n Paste“, proklamiert Double G enthusiasmiert.
       
       Im Gespräch mit der taz relativiert der Rapper: „Also, wir haben das Rad
       nicht neu erfunden. Es ist einfach nur lustig, wenn wir feststellen,
       seitdem wir das machen, tun das andere auch wieder.“ Tiefbasskommando sind
       also nolens volens zu Trendsettern geworden. Double G spricht sogar von
       einer Renaissance des basslastigen Berliner Untergrund-HipHop-Sounds der
       nuller Jahre, die sie eingeläutet haben.
       
       ## Den Stumpfsinn aushalten
       
       Und wie: „Steinzeit“ ist eine Hommage an die Hyperprimitivität. Wie ein
       quer auf dem Gehweg stehen gelassener E-Roller wird die Geduld der
       Hörer:Innen mit einem Hyperpop-Beat enorm strapaziert. Tiefbasskommando
       erforschen als eine Art Experiment, wie viel Stumpfsinn aushaltbar ist.
       
       „Uga-Aga, ich bin völlig durch den Wind“, der Reim spricht für sich.
       Jedoch: In den vergangenen zwei Jahren hat TBK anscheinend erkannt, dass
       Hedonismus und Antihaltung alleine nicht auf Albumlänge tragen.
       
       Nun also wird es explizit mit dem Song „Schade Deutschland“. Er enthält die
       bisher straighteste Aussage der Rapper. Im Œuvre von TBK gab es bis dato
       nichts mit mehr gesellschaftlicher Relevanz. Auf übersteuerten Beats und
       wütenden Reimen, mit Anflügen von Punkraserei wird dieser Refrain ad
       infinitum wiederholt: „Schade Deutschland / Alles muss kaputt / Alles muss
       kaputt / Ihr habt es so gewollt“.
       
       ## Der aktuelle Scheiß
       
       Der Rant markiert eine Neuausrichtung. [1][Weg von nihilistischer Ästhetik]
       hin zu einer agitatorischen Haltung. Der Text richtet sich konfrontativ
       gegen Alte und Neue Rechte, Polizei und (Alb-)Träume vom Vaterland. „Man
       wacht auf und ist einfach gottlos konfrontiert mit dem aktuellen Scheiß,
       der abgeht. Ich glaube, daher kommt das. Für mich würde es sich jetzt
       irgendwie komisch anfühlen, sich gar nicht mit dem Rechtsruck
       auseinanderzusetzen“, sagt Retado der taz.
       
       Im Song spielt TBK poetisch mit einer romantischen Krawallironie, die ganz
       ähnlich auch bei den Konkurrenten von K.I.Z im Portfolio ist. „Im Stu gibt
       es Kapseln und lecker Bierchen zum Abendbrot / Danach geh’ ich raus und
       schlag’ natürlich keine Nazis tot“, reimt Eisberg, und beißt sich beim
       Rappen herrlich auf die Zunge. Konkrete Aussagen kennt man von TBK bisher
       eher als Subtext – diesmal klingt es super glaubwürdig, direkt und ohne
       doppelten Boden.
       
       Die Berliner erkennen die Zeichen einer Zeit, [2][in der die Brandmauer
       bisweilen schon gefährlich wankt] und rechte Rattenfänger:Innen ihre
       Hände nach jungen Leuten ausstrecken. Menschenverachtende Politik und hohle
       rechte Parolen sind so was von cringe. „Es tut mir nicht leid / Dinge, sie
       passieren / Alice, ich werd’ dir dein Nasenbein nach innen installieren“.
       Der Text ist selbstverständlich keine Handlungsanleitung für den Umgang mit
       Alice Weidel, sondern eine Fantasie wie in einem Italowestern mit Lee Van
       Cleef. TBK spielen auf ihrer kommenden Tour einen Gig im thüringischen
       Sonneberg, wo ein AfD-Landrat im Amt ist. Alle Erlöse werden
       antifaschistischen Projekten in der Region gespendet.
       
       ## Erst glotzen, dann pennen
       
       Auf politisch unterfütterte Wut in „Schade Deutschland“ folgt die gewohnt
       kantige TBK-Überzeichnung. „Bürgergeld“ widmet sich einem anderen Feld
       gesellschaftlicher Zumutung: steigende Armut, stagnierende Reallöhne und
       allgegenwärtiger Leistungsdruck. Provokant wird mit Klischees gespielt:
       „Glotz den ganzen Tag TV / Und danach penn ich weg“.
       
       Flankiert wird das schiefe Bild vom Müßiggangster [3][mit der konservativen
       Leier von angeblich „faulen“ Bürgergeldempfänger:innen]. Kürzlich
       hat der CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz den Deutschen vorgeworfen, zu
       wenig zu arbeiten. Da wirkt der Song „Bürgergeld“ als Comic-Relief. „40
       Stunden Woche ackern für’n paar warme Mahlzeiten / Als ich klein war,
       schwor ich mir / Gehe niemals arbeiten“, reimt Don Juan mit gespielter
       Wonne.
       
       Zur Aktendeckelhaftigkeit des amtierenden Kanzlers hat das Tiefbasskommando
       auch eine Meinung: „Merz hat einfach keine Antworten auf drängende
       Probleme“, erklärt Don Juan der taz. „Als Führungsperson ein
       Auslaufmodell“, ergänzt Retado. Sanktionen durch Sozialämter,
       gesellschaftliche Stigmata, das Abstempeln von Arbeitslosen als notorisch
       faul ist falsch, sie schieben mitnichten eine ruhige Kugel. „Dicka,
       Bürgergeld, das ist wirklich nix für schwache Nerven“, rappt Double G und
       bringt das mühsame Dasein ohne Job auf den Punkt.
       
       ## Größere Reichweite
       
       Es sind solche Aussagen über gesellschaftliche Schieflagen, wie Armut im
       reichen Deutschland, die dem Tiefbasskommando zu noch größerer Reichweite
       verholfen haben. Das Kollektiv wächst allmählich heraus aus der Rolle des
       Underdogs. Das zeigen die riesigen Bühnen, auf denen die Gruppe inzwischen
       gastiert – unter anderem beim Hurricane-Festival in Scheeßel oder im
       Velodrom in Berlin – aber auch, dass „Vol.5“ sofort auf Platz 6 der
       deutschen Albumcharts eingestiegen ist.
       
       „Ich verstehe gar nicht, warum es bei den Leuten ein Anspruch sein soll,
       Untergrund zu bleiben. Ist doch schön, wenn man irgendwann von der Mucke
       leben kann“, stellt Don Juan klar. „Wir sind nicht Untergrund, wir sind
       Independent“, fügt Double G hinzu. Unabhängigkeit von Major Labels sei der
       Gruppe am wichtigsten.
       
       Auf „Retox“ (2023) wurde sich noch „eingekackt“ und in die Ecke gekotzt.
       Pubertät war gestern. 2025 spielt das TBK Gratis-Konzerte gegen rechts, ob
       vor 18.000 im Kreuzberger Görlitzer Park oder in Hochburgen der AfD auf dem
       flachen Land. In den Reimen von „Vol. 5“ mag es zwar keine messerscharfen
       Gesellschaftsanalysen geben. Dafür bleibt Systemkritik Marke TBK im Style:
       Übertrieben, nihilistisch und provokant.
       
       Das ist schon mal gut. Und eine noch bessere Nachricht zum Schluss: Laut
       Tiefbasskommando sei „Vol. 5“ musikalisch noch das „Mildeste“. Das kann ja
       noch heiter werden und deshalb bleiben wir definitiv dran!
       
       17 Jul 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Victor Efevberha
       
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