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       # taz.de -- Jurastudium an der Bucerius Law School: Studierende künftig ehrenamtlich im Praxiseinsatz
       
       > Hamburgs Bucerius Law School verpflichtet Studierende, ehrenamtlich
       > Rechtsberatungen durchzuführen. Dabei sollen sie soziale Realitäten
       > kennen lernen.
       
   IMG Bild: Raus aus der Theorie: Vorlesung im Helmut Schmidt-Auditorium der Bucerius Law School in Hamburg
       
       Hamburg taz | Bei den Feierlichkeiten zu ihrem 25-jährigen Bestehen hat die
       Bucerius Law School in Hamburg eine Neugestaltung ihres Studienangebotes
       angekündigt. Die Hochschule habe die juristische Ausbildung seit ihrem
       Bestehen maßgeblich geprägt und wolle nun ihre Vision des „Jurastudiums von
       morgen“ umsetzen, sagte Präsident Michael Grünberg. Dazu gehöre auch,
       praktische Erfahrung zu sammeln. Deswegen werden die Law Clinics der
       privaten Stiftungshochschule ab dem Wintersemester 2026/27 verpflichtend
       ins Studium integriert.
       
       Law Clinics sind praxisorientierte Einrichtungen an juristischen
       Fakultäten, in denen Studierende unter Anleitung erfahrener Jurist:innen
       echte Fälle bearbeiten. Die Rechtsberatung folgt dem „Access to
       justice“-Ansatz – Zugang zur Gerechtigkeit – und ist kostenlos. Menschen,
       die sich keinen Rechtsbeistand leisten können oder keine passende
       juristische Beratung finden, werden dort von Studierenden unterstützt.
       Diese wiederum können ihr Wissen anwenden und das juristische Arbeiten
       kennenlernen.
       
       Das Konzept ist in den USA längst verbreitet. In Deutschland sind Law
       Clinics ein junges Phänomen. Erst seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2008
       können Studierende beratende Tätigkeiten aufnehmen. Seither finden sie
       großen Anklang. Mittlerweile gibt es bundesweit etwa 90 Law Clinics. Viele
       haben sich in Folge des gestiegenen Beratungsbedarfs von Eingewanderten
       nach 2015 gegründet, den die Fachanwälte nicht auffangen konnten.
       Studierende füllten diese Lücke.
       
       Auch die [1][Law Clinic der Bucerius Law School] ist auf Initiative einer
       Studentin entstanden. Sie hatte während eines Praktikums im
       Integrationszentrum Hamburg-Nord festgestellt, dass vielen Klient*innen,
       die Rechtsbeistand brauchen, der Zugang dazu verwehrt war. So entstand 2012
       eine Kooperation mit der Bucerius Law School. Mittlerweile deckt die Law
       Clinic fünf Rechtsbereiche ab, arbeitet mit über 30 Sozialberatungsstellen
       zusammen und berät 200 bis 300 Ratsuchende pro Jahr.
       
       ## Kooperation mit Refugee Law Clincs in Kiel und Hamburg
       
       Außerdem gibt es eine Law Clinic, die gemeinnützige Organisationen
       unterstützt, und es besteht eine Kooperation mit den [2][Refugee Law
       Clinics der Unis Hamburg] und [3][Kiel] im Bereich Abschiebehaftrecht.
       Gerade dort kommt es immer wieder zu gravierenden Fehlern. Studierende
       können dort als sogenannte Personen des Vertrauens benannt werden, die die
       Inhaftierten zu Anhörungen begleiten – und unter Umständen überraschende
       Erfolge erzielen können.
       
       So konnte ein Student der Law School nach nur fünf Monaten Einarbeitung
       erreichen, dass die Inhaftierung seines Schützlings für unzulässig erklärt
       wurde. Bevor sie beratend tätig werden, erhalten die Studierenden ein
       spezifisches Training, oft in Rechtsbereichen, die nicht im Lehrplan
       enthalten sind.
       
       Bian Sukrow, Leitung der Law Clinics der Bucerius Law School, bezeichnet
       die Einbindung in den Lehrplan als „Riesenerfolg“. „International werden
       die Law Clinics viel stärker gefördert. Deutschland hinkt da hinterher.“
       Auch David Mutschler, Vorstand des Dachverbands studentischer
       Rechtsberatungen, findet den Vorstoß der Bucerius Law School „innovativ und
       richtungsweisend“.
       
       Das Jurastudium ist bisher stark auf theoretisches Wissen und das
       Staatsexamen fokussiert. Anwält*innenkammern kritisieren seit Langem
       die praxisfremde Ausbildung und fordern eine stärkere Ausrichtung des
       Studiums auf den beruflichen Alltag.
       
       Law Clinics können diesen Praxisbezug herstellen, stoßen als ehrenamtliches
       Zusatzangebot jedoch auf organisatorische Grenzen, volle Stundenpläne und
       ausgelaugte Studierende. Beratend tätig zu sein, ist auch eine weitere
       Belastung neben dem ohnehin schon schweren Studium.
       
       Schon bisher kann man sich Teile der [4][ehrenamtlichen Arbeit] im Studium
       anrechnen lassen. Durch die Einbindung in den Lehrplan will die Bucerius
       Law School die Zusatzbelastung weiter reduzieren. In der Folge soll die
       Mitarbeit in einer Law Clinic verpflichtend werden – auch mit dem Ziel, die
       [5][Studierenden] mit gesellschaftlichen Realitäten zu konfrontieren.
       
       „Die allermeisten sind von den Entwicklungen an der Bucerius Law School
       begeistert“, sagt Mutschler vom Dachverband. „Vereinzelt gibt es aber auch
       die Sorge, dass – sollten andere Universitäten dem Vorbild der Bucerius Law
       School folgen – Erfahrungen aus studentisch organisierten Law Clinics nicht
       ausreichend in den Prozess einbezogen werden könnten.“
       
       „Top down“ sei an der Herangehensweise der Bucerius Law School aber nur die
       Verpflichtung, an einer Law Clinic teilzunehmen, argumentiert Sukrow:
       „Jurastudierende sind im Schnitt überprivilegiert. Law Clinics sind Räume,
       in denen sie mit Menschen zusammenarbeiten, mit denen sie sonst nicht viel
       Berührung hätten. Menschen, über die sie aber vielleicht später als
       Richter*innen entscheiden. Die [6][Gesellschaft] kann nur profitieren,
       wenn wir Brücken bauen.“
       
       10 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://law-clinic.de/
   DIR [2] https://www.jura.uni-hamburg.de/studium/lehrprojekte/law-clinics/refugee-law-clinic.html
   DIR [3] https://law-clinic-kiel.de/
   DIR [4] /Ehrenamtliche-Arbeit/!t5022291
   DIR [5] /Studierende/!t5008106
   DIR [6] /Gesellschaft/!p4611/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franziska Vetter
       
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